Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.11.2012, Az. AnwSt (R) 6/12

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2012, 1022

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Gegenstand

Anwaltsgerichtliche Maßnahme: Tatrichterliches Ermessen beim Ausschluss aus der Rechtsanwaltschaft


Tenor

Die Revision der Generalstaatsanwaltschaft [X.] gegen das Urteil des 2. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes [X.] vom 2. März 2012 wird verworfen.

Die durch das Rechtsmittel entstandenen Gerichtskosten trägt die Staatskasse, die gerichtlichen Auslagen und die dem Rechtsanwalt entstandenen notwendigen Auslagen trägt die [X.].

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das Anwaltsgericht für den Bezirk der [X.]echtsanwaltskammer [X.]hat den [X.]echtsanwalt für schuldig befunden, in den Jahren 2006 sowie 2008 und 2009 sich der Achtung und des Vertrauens, welche die Stellung des [X.]echtsanwalts erfordert, nicht würdig erwiesen zu haben, indem er gewerbsmäßigen Betrug in 58 Fällen zum Nachteil verschiedener [X.]echtsschutzversicherungen beging. Es hat ihm für die Dauer von drei Jahren verboten, als Vertreter und Beistand in Strafsachen und Ordnungswidrigkeitenverfahren tätig zu werden. Die gegen dieses Urteil eingelegte, auf den [X.]echtsfolgenausspruch beschränkte Berufung der Generalstaatsanwaltschaft [X.]hat der [X.] verworfen. Dagegen wendet sich die Generalstaatsanwaltschaft [X.]mit ihrer auf die Sachrüge gestützten [X.]evision.

2

Das [X.]echtsmittel, mit dem in erster Linie die Ausschließung von [X.]echtsanwalt [X.].   aus der [X.]echtsanwaltschaft erstrebt wird, hat keinen Erfolg.

3

1. Die [X.]evision ist zulässig, insbesondere form- und fristgemäß begründet worden.

4

Nach allgemeiner Meinung ist bei Urteilen anfechtungsberechtigt die Staatsanwaltschaft bei dem Gericht, das die Entscheidung erlassen hat (§ 116 Abs. 1 Satz 2 [X.], § 296 [X.]; vgl. [X.], Urteil vom 18. November 1994 - 2 [X.], [X.], 204; Urteil vom 3. [X.]zember 1997 - 5 St[X.] 267/97, [X.][X.] GVG § 145 Ersetzungsbefugnis 1; [X.], [X.], 55. Aufl., § 296 [X.]n. 2; [X.] in [X.], [X.], 25. Aufl., § 296 [X.]n. 8; [X.]/[X.], [X.], § 296 [X.]n. 44; [X.], [X.] 1970, 812, 813). Diese Staatsanwaltschaft hat auch die [X.]evision zu begründen, § 345 Abs. 1 [X.], wobei allerdings nicht die formalen Anforderungen des § 345 Abs. 2 [X.] gelten. Für die [X.]evisionsbegründung der Staatsanwaltschaft reicht die einfache Schriftform; dieser wird durch die Einreichung beglaubigter Abschriften genügt (vgl. [X.], aaO § 345 [X.]n. 23; [X.] in SK-[X.], § 345 [X.]n. 57; [X.], Urteil vom 18. Oktober 1951 - 3 [X.], [X.]St 2, 77 f.; Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, NJW 1980, 172, 174 f.).

5

Die hier zuständige Generalstaatsanwaltschaft [X.]hat mit beglaubigtem Anschreiben dem [X.] eine [X.]evisionsbegründungsschrift der Generalstaatsanwaltschaft [X.]mit der Bitte um weitere Veranlassung vorgelegt. Damit hat sich die Generalstaatsanwaltschaft [X.]den Inhalt dieser Schrift als eigene [X.]evisionsbegründung zu Eigen gemacht, so dass eine [X.]evisionsbegründung der zuständigen Staatsanwaltschaft vorliegt.

6

2. Die [X.]evision ist jedoch unbegründet. Dass eine schwerwiegende Pflichtverletzung des betroffenen [X.]echtsanwalts vorliegt, die im [X.]egelfall zum Ausschluss aus der [X.]echtsanwaltschaft führt, hat der [X.] gesehen. Hinsichtlich der erkannten Maßnahme nach § 114 Abs. 1 Nr. 4 [X.] deckt die [X.]evision keinen [X.]echtsfehler auf.

7

Ob besondere Umstände vorliegen, die es trotz gravierender Pflichtverletzung rechtfertigen, von einem Ausschluss aus der [X.]echtsanwaltschaft abzusehen, hat der Tatrichter aufgrund einer Gesamtwürdigung aller für die [X.]echtsfolgenzumessung maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Es ist allein seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des betroffenen [X.]echtsanwalts gewonnen hat, die wesentlichen ent- und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. [X.]r Schuldgehalt der Tat hat dabei im standesrechtlichen Verfahren eine geringere Bedeutung als im allgemeinen Strafrecht. Kann der Gefahr erneuter schwerwiegender Standesverfehlungen mit milderen Maßnahmen als dem Ausschluss aus der [X.]echtsanwaltschaft begegnet werden, so sind diese zu verhängen. Das [X.]evisionsgericht kann in diese Entscheidung nur eingreifen, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, gegen rechtlich anerkannte Zwecke verstoßen oder wenn sich die verhängte Maßnahme von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein und das rechtsuchende Publikum vor weiteren Gefahren zu schützen, soweit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt. Eine ins Einzelne gehende [X.]ichtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen. In Zweifelsfällen muss das [X.]evisionsgericht die vom Tatrichter vorgenommene Bewertung hinnehmen ([X.], Urteil vom 28. Juni 2004 - [X.] ([X.]) 16/03).

8

[X.]r [X.] hat nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalles die Verhängung eines dreijährigen Vertretungsverbots auf dem Gebiet des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts als ausreichend angesehen, um eine weitere Gefährdung der [X.]echtspflege durch den betroffenen [X.]echtsanwalt zu verhindern. Er hat dabei insbesondere abgestellt auf die Selbstanzeige des [X.]echtsanwalts, die vorbehaltlose Aufarbeitung des Sachverhalts gegenüber allen Geschädigten und die Schadenswiedergutmachung innerhalb weniger Tage.

9

[X.]echtsfehler bei dieser Abwägung zeigt die [X.]evision nicht auf. Weder geht der [X.] von unzutreffenden Tatsachen aus, noch hat er wesentliche Umstände, die sich zum Nachteil des betroffenen [X.]echtsanwalts auswirken könnten, übersehen. Mit ihrer eigenen, abweichenden Bewertung der festgestellten Umstände kann die [X.]evisionsführerin im [X.]evisionsverfahren nicht gehört werden. Dass die verhängte Maßnahme offensichtlich ungeeignet wäre, die dem berufsgerichtlichen Verfahren gesetzten Ziele zu erreichen, lässt sich nicht feststellen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 116 Abs. 1 Satz 2 [X.] i.V.m. § 473 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 198 [X.].

Kayser                                  [X.]oggenbuck                                  [X.]mann

                    Wüllrich                                        Hauger

Meta

AnwSt (R) 6/12

26.11.2012

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Urteil

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof Hamm, 2. März 2012, Az: 2 AGH 21/11, Urteil

§ 114 Abs 1 Nr 5 BRAO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.11.2012, Az. AnwSt (R) 6/12 (REWIS RS 2012, 1022)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1022

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