Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.06.2010, Az. V ZB 127/10

V. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 5767

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[X.]BESCHLUSS [X.] 127/10 vom 17. Juni 2010 in der [X.] - Der V. Zivilsenat des [X.] hat am 17. Juni 2010 durch den [X.] [X.] Prof. Dr. Krüger und die [X.] Dr. [X.], [X.], [X.] und Dr. [X.] beschlossen: Dem Betroffenen wird Verfahrenskostenhilfe bewilligt und Rechts-anwältin Dr. [X.] beigeordnet. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der [X.]uss der 1. Zivilkammer des [X.] vom 16. [X.] aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der [X.]uss des Amtsgerichts [X.] vom 10. Dezember 2009 und der [X.]uss der 1. Zivil-kammer des [X.] vom 16. Dezember 2009 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben, soweit die Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 15. Dezember 2009 [X.] worden ist. Im Übrigen wird die Sache zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdever-fahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 3.000 • festgesetzt. - 3 - Gründe: [X.] 1 [X.] ist st[X.]tenlos. Er reiste am 7. Dezember 2009 [X.] mit [X.], die der Betroffene nach seinen Angaben in [X.] kirchlich geheiratet hat, und deren im Jahre 1993 geborenen [X.], mit dem Zug von den [X.] über [X.] kommend nach [X.] ein und meldete sich bei der [X.] in [X.]. Diese bean-tragte die Anordnung der [X.] und seiner Begleiter in die [X.], die von dem Amtsgericht am 8. [X.] angeordnet und von dem [X.] am 9. Dezember 2009 auf-gehoben wurde. Auf den von der Beteiligten zu 2 gestellten Antrag vom 10. Dezember 2009 hat das Amtsgericht mit [X.]uss vom gleichen Tag gegen den [X.] bis längstens 9. März 2010 und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet und diesen [X.]uss dem Betroffenen in der sich anschließenden Anhörung eröffnet. Der Beschwerde des Betroffenen hat es nicht abgeholfen. Das [X.] hat den Betroffenen durch ein Mitglied der Kammer als beauftragten [X.] persönlich angehört und die Beschwerde mit [X.]uss vom 16. Dezember 2009 zurückgewiesen. Dagegen hat der [X.] am 11. Januar 2010 Rechtsbeschwerde eingelegt. Mit [X.]uss vom 17. Februar 2010 hat das Amtsgericht die [X.] mit sofortiger Wirkung aufgehoben. [X.] beantragt festzustellen, dass die [X.]üsse des Amtsgerichts vom 10. Dezember 2009 und des [X.]s vom [X.] 2009 ihn in seinen Rechten verletzt haben. 2 - 4 - I[X.] 3 Das Beschwerdegericht meint, der Betroffene sei mangels Aufenthaltsti-tels unerlaubt eingereist. Zudem bestehe der Verdacht, dass er sich der Zu-rückschiebung entziehen werde. [X.] selbst sei mit einem auf einen Dritten ausgestellten Ausweis in die [X.] eingereist. [X.]

habe ihren [X.] Reisepass in den [X.] vernichtet. Da der Betroffene nicht in die [X.] zurückkehren wolle, weil ihm dort die Ab-schiebung nach [X.] drohe, lasse auch die freiwillige Vorsprache des Be-troffenen bei der [X.] eine Entziehungsabsicht nicht entfallen. [X.] bestünden nicht. Eine Zurückschiebung in die [X.] binnen drei Monaten sei nicht ausgeschlossen. II[X.] Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. 4 1. Die Anordnung der [X.] durch das Amtsgericht und die Bestätigung dieser Anordnung durch das [X.] haben den Betroffenen in seinen Rechten verletzt. Das ist in entsprechender Anwendung von § 62 Abs. 1 FamFG (Senat, [X.]. v. 25. Februar 2010, [X.], [X.] 2010, 249, 250; Senat, [X.]. v. 29. April 2010, [X.] 218/09, juris Rdn. 9) festzustellen, weil der Betroffene ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat (§ 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG). 5 a) Der Anordnung der hier zu prüfenden zweiten [X.] lag [X.] ein zulässiger Haftantrag zugrunde. Er war anders als der erste von der Beteiligten zu 2 als örtlich und sachlich zuständiger Behörde gestellt. 6 - 5 - b) Die Entscheidung des Amtsgerichts hat den Betroffenen aber deshalb in seinen Rechten verletzt, weil die persönliche Anhörung nach § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG nicht vor, sondern erst nach der Haftanordnung durchgeführt wurde. 7 8 [X.]) Die Anhörung des Betroffenen vor der Anordnung der [X.] ist in § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG zwingend vorgeschrieben. Sie kann nicht, wie im vorliegenden Fall, danach erfolgen. Das Gesetz sieht, anders als § 68 FamFG im Rechtsmittelverfahren (dazu Senat, [X.]. v. 4. März 2010, [X.] 222/09, [X.] 2010, 246, 247), die Möglichkeit, von der vorherigen Anhörung abzusehen, nur in dem hier nicht gegebenen Fall des § 420 Abs. 2 FamFG vor. Das entspricht auch der Absicht des Gesetzgebers. Der Empfehlung der [X.], eine solche Möglichkeit zumindest dann zuzulassen, wenn die Anhö-rung den Zweck der Haftanordnung gefährden würde (in BT-Drucks 16/9733 S. 154), ist das Plenum des [X.] nämlich nicht gefolgt. Es hat diese Er-gänzung auf Antrag eines [X.] vielmehr gestrichen und den Gesetz-entwurf ohne diese Ergänzung beschlossen (BT-Drucks 16/9831 mit [X.]). Das trägt dem Umstand Rechnung, dass die vorheri-ge Anhörung des Betroffenen eine Verfahrensgarantie ist, die Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht (vgl. BVerfG [X.] 2009, 205, 208; 1996, 198, 200). Die vorherige Anhörung des [X.]n war hier auch nicht deshalb entbehrlich, weil er vor der zwei Tage zuvor angeordneten ersten [X.] persönlich angehört worden war. Die [X.] ist für jede Haftanordnung durch das Amtsgericht vorgeschrieben und wird durch die Anhörung bei einer früheren Haftanordnung weder entbehrlich noch durch sie ersetzt. [X.]) Ein Verstoß gegen die Pflicht zur vorherigen Anhörung drückt der gleichwohl angeordneten [X.] den Makel einer rechtswidrigen Frei-9 - 6 - heitsentziehung auf, der durch Nachholung der Maßnahme rückwirkend nicht mehr zu tilgen ist (Senat, [X.]. v. 4. März 2010, [X.] 184/09, Rdn. 12, juris; BVerfG [X.] 1996, [X.]O [X.]). Dieser Fehler ist nicht heilbar. Deshalb kommt es bei der späteren Überprüfung der Haftanordnung im Rahmen von § 62 FamFG weder auf eine Nachholung der Anhörung noch darauf an, ob die Freiheitsentziehung in der Sache zu Recht angeordnet worden war (Senat, [X.]. v. 4. März 2010, [X.] 184/09, juris Rdn. 12; BVerfG [X.] 2009, 164; 2006, 462, 464). 2. Die Entscheidung des [X.] über die Fortdauer der [X.] über den 15. Dezember 2009 hinaus hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht in allen Punkten stand. 10 a) Das Verfahren des Beschwergerichts ist allerdings nicht zu [X.]. 11 [X.]) Es hat den Betroffenen erneut persönlich angehört. Es ist, anders als die Rechtsbeschwerde meint, auch nicht zu beanstanden, dass das Beschwer-degericht diese Anhörung einem Mitglied der Kammer als beauftragtem [X.] übertragen hat. 12 (1) Nach § 68 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG ist die Anhörung des Betroffenen Aufgabe "des Gerichts". Wie diese Aufgabe inner-halb eines aus mehreren [X.]n zusammengesetzten Spruchkörpers wahrzu-nehmen ist, bestimmt sich nach den Vorschriften über die Sachaufklärung (§ 26 FamFG) und hier nach den Vorschriften über die Beweisaufnahme in den §§ 29, 30 FamFG. Danach erhebt das Gericht die erforderlichen Beweise in geeigneter Form, wozu auch die Befassung eines Mitgliedes des [X.] als beauftragten [X.]s gehört. Nichts anderes ergibt sich, wenn man die Anhörung des Betroffenen als Fall einer im Sinne von § 30 Abs. 2 FamFG vor-13 - 7 - geschriebenen förmlichen Beweisaufnahme ansieht. Eine förmliche Beweisauf-nahme hätte gemäß § 30 Abs. 1 FamFG nach den Regeln der Zivilprozessord-nung stattzufinden. Diese erlauben aber sowohl die Vernehmung von Zeugen als auch die Vernehmung von Parteien durch den beauftragten [X.] (§ 375 ZPO und § 451 i.V.m. § 375 ZPO). Voraussetzung ist allerdings, soweit hier einschlägig, dass dies zur Vereinfachung der Verhandlung zweckmäßig [X.] und dass von vornherein anzunehmen ist, dass das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme sach-gemäß gewürdigt werden kann (§ 375 Abs. 1a ZPO). (2) Auch aus dem Sinn und Zweck der Anhörung nach § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG ergeben sich keine strengeren Anforderungen (vgl. BVerfG [X.] 1996, 198, 201; [X.], [X.]. v. 11. Juli 1984, [X.] b ZB 73/83, NJW 1985, 1702, 1705 zu §§ 50a und [X.]; [X.], 412, 413 zu § 50[X.]; [X.], FamFG, 16. Auflage, § 34 Rdn. 38; a.A. wohl Prütting/[X.]/Jennissen, FamFG, § 420, Rdn. 4). Die Anhörung soll zwar ei-nerseits dem Betroffenen die Möglichkeit geben, sein Anliegen selbst dem [X.] nahe zu bringen. Sie soll andererseits dem Gericht einen eigenen Eindruck von dem Betroffenen verschaffen. Diese Ziele werden aber unter den Voraus-setzungen des § 375 Abs. 1a ZPO auch erreicht, wenn die Anhörung nicht durch den gesamten Spruchkörper, sondern durch eines seiner Mitglieder [X.]. 14 (3) Die Voraussetzungen des § 375 Abs. 1a ZPO lagen hier vor. Die Übertragung der Anhörung auf den beauftragten [X.] diente der [X.]. Nach dem Ergebnis der nachträglichen Anhörung des Betroffenen durch das Amtsgericht und nach dem Beschwerdevorbringen war von vornherein an-zunehmen, dass das Ergebnis der Anhörung durch die Kammer auch ohne [X.] Eindruck von deren Verlauf sachgemäß würde gewürdigt werden 15 - 8 - können. Der tatsächliche Verlauf der Anhörung durch die beauftragte [X.]in bestätigte diese Erwartung. Das Beschwerdegericht hat in seiner Entscheidung auch nur auf den Inhalt der Angaben des Betroffenen in der Anhörung abge-stellt und nicht auf Gesichtspunkte, die nur mit einem unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Anhörung sachgemäß hätten gewürdigt werden können. 16 [X.]) Das Beschwerdegericht war entgegen der Ansicht der Rechtsbe-schwerde nicht verpflichtet, [X.] und/oder deren [X.] an dem Ver-fahren zu beteiligen und anzuhören. (1) Die Beteiligung des Lebenspartners des Betroffenen an dem Frei-heitsentziehungsverfahren steht nach § 418 Abs. 3 Nr. 1 FamFG im Ermessen des Gerichts. Zwingende Gründe, die eine Beteiligung von [X.] geboten, waren nicht ersichtlich. [X.] und [X.]

, die sich gegen die gegen sie selbst verhängte [X.] gewandt hatte, [X.] in einer verbundenen Anhörung gemeinsam angehört worden. Dabei hatten sie ihre persönliche Verbindung zueinander dargestellt und eine im [X.] übereinstimmende umfassende Schilderung des Sachverhalts gegeben. Anhaltspunkte dafür, dass eine darüber hinausgehende förmliche Beteiligung von [X.]an dem Verfahren des Betroffenen zusätzliche Ge-sichtspunkte aufzeigen konnten, bestanden nicht. 17 (2) Den [X.] von [X.] brauchte das Beschwerdegericht weder an dem Verfahren förmlich zu beteiligen noch anzuhören. Es war und ist nicht ersichtlich, welchen zusätzlichen Erkenntnisgewinn die Anhörung auch des [X.]es von [X.] angesichts der ausführlichen und überein-stimmenden Ausführungen des Betroffenen und von [X.]hätte erwarten lassen können. Deshalb bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob der [X.] von [X.]B.

auch dann an dem Verfahren beteiligt wer-18 - 9 - den könnte, wenn er, was offen geblieben ist, nicht das gemeinsame Kind des Betroffenen und von [X.] sein sollte. Unentschieden bleiben kann auch, ob seine Beteiligung wie nach früherem Recht (vgl. dazu: Sonnen-feld in [X.], [X.], 3. Aufl., § 70d, Rdn. 6; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 15. Auflage, § 70d, Rdn. 4) daran scheitert, dass er noch minderjährig ist. 19 cc) Das Beschwerdegericht war nicht verpflichtet, die [X.] beizuziehen. Von der grundsätzlich notwendigen Vorlage der Ausländerakte nach § 417 Abs. 2 Satz 3 FamFG kann abgesehen werden, wenn sich der fest-zustellende Sachverhalt aus den vorgelegten Teilen vollständig ergibt und die nicht vorgelegten Teile keine weiteren Erkenntnisse versprechen (Senat, [X.]. v. 4. März 2010, [X.] 222/09, [X.] 2010, 246, 248 f.). So liegt es hier. Die Beteiligte zu 2 hat in ihrem Antrag Bezug genommen auf die Unterla-gen der [X.] vom 8. Dezember 2009 durch Angabe des Aktenzei-chens in dem zuvor geführten Verfahren. Das Beschwerdegericht hat die ent-sprechenden Akten beigezogen. Hieraus ergeben sich alle entscheidungsrele-vanten Umstände. b) In der Sache ist die Anordnung der Fortdauer der Haft aber mit der gegebenen Begründung nicht zu rechtfertigen. 20 [X.]) [X.] war nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] vollzieh-bar ausreisepflichtig, weil er unerlaubt eingereist ist. Er führte keinen gültigen Pass bei sich und hatte auch nicht den nach § 14 Abs. 1 [X.] erforderli-chen Aufenthaltstitel. Dieser ergab sich nicht daraus, dass er mit [X.]

um Aufnahme als Spätaussiedler nachsuchen wollte. Spätaussiedler müssen die Aufnahme in das [X.] nach § 26 [X.] grundsätzlich von ihrem Wohnsitz in den [X.] aus betreiben und dürfen erst [X.], wenn ihnen ein Aufnahmebescheid nach § 27 [X.] erteilt worden ist. 21 - 10 - Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn der Betroffene erwiesenermaßen die Anforderungen des § 4 [X.] erfüllt. Dann nämlich ist er nach § 4 Abs. 3 Satz 1 [X.] [X.] und nach Art. 11 GG berechtigt, auch ohne Aufnahmebe-scheid in das [X.] einzureisen (BVerwGE 122, 313, 316 f.). Ihm ist der Aufnahmebescheid dann nach § 27 Abs. 2 [X.] nachträglich zu erteilen. [X.] die Voraussetzungen des § 4 [X.] aber nicht erweislich vor, ist der Auf-nahmebewerber nicht berechtigt, ohne Aufnahmebescheid in das [X.] einzureisen und dort zu bleiben, bis ihm eine Bescheinigung nach § 15 [X.] erteilt ist ([X.], [X.]. v. 21. Februar 2007, 2 A 4862/05, juris Rdn. 7). Dieser zweite Fall lag hier vor. [X.] hat behauptet, er sei [X.]. Nachweise darüber lagen und liegen nicht vor. In einer solchen [X.] muss der Haftrichter von dem Grundsatz des § 26 [X.] ausgehen, wonach die Einreise nur erlaubt ist, wenn ein Aufnahmebescheid entweder nach § 27 Abs. 1 [X.] vor der Einreise oder nach § 27 Abs. 2 [X.] vor der Festnahme erteilt ist. Daran fehlt es hier. [X.]) Das Beschwerdegericht hat zu Recht auch einen Haftgrund ange-nommen. 22 (1) Die Haftanordnung war auf Grund der unerlaubten Einreise schon nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] gerechtfertigt. Es lag zudem der [X.] nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 [X.] vor. Nach den Feststellungen des [X.] und dem zu berücksichtigenden unzweifelhaften Ak-teninhalt (vgl. Senat, [X.]. v. 29. April 2010, [X.] 218/09, juris Rdn. 18) be-absichtigt der Betroffene, sich der Abschiebung in die [X.] zu entzie-hen. Er hat sich zwar von sich aus nach der Einreise bei der [X.] ge-meldet. Die freiwillige Meldung des Betroffenen bei den zuständigen Behörden kann ein Anzeichen dafür sein, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will (vgl. [X.], [X.] 2002, 320; [X.], [X.] 2002, 478). Hier 23 - 11 - liegt es aber anders. [X.] hat bei seiner Anhörung eindeutig erklärt, nicht in die [X.] zurückkehren zu wollen, weil er von dort nach [X.] abgeschoben werde. Deshalb ist zu befürchten, dass er einer entsprechenden Abschiebung nicht Folge leisten, sondern versuchen wird, sie zu verhindern. 24 (2) Das Beschwerdegericht hat daher auch rechtsfehlerfrei festgestellt, dass Umstände im Sinne des § 62 Abs. 2 Satz 3 [X.], die eine freiwillige Ausreise des Betroffenen glaubhaft hätten erscheinen lassen, aufgrund der festgestellten Entziehungsabsicht nicht vorgelegen haben. cc) Die gegebene Begründung trägt die Entscheidung des [X.] aber deshalb nicht, weil sich danach nicht beurteilen lässt, ob die [X.] der Haft noch verhältnismäßig war. 25 (1) Die Anordnung der [X.] ist nur verhältnismäßig, wenn die Maßnahme zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet und erforderlich ist und der mit ihr verbundene Eingriff nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht (BVerfG [X.] 2008, 358, 359). Deshalb durfte das Beschwer-degericht nicht bei der Feststellung der Haftgründe nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 5 [X.] stehen bleiben. Es musste vielmehr prüfen, ob die [X.] der Haft noch in einem angemessenen Verhältnis zu der angestrebten Abschiebung in die [X.] standen (vgl. BVerfG [X.] 1994, 342, 344). Das ist zweifelhaft. 26 (2) Die Haftanordnung führte nämlich dazu, dass der Betroffene weiterhin von [X.] und von ihrem minderjährigen [X.] getrennt blieb. Das ist zwar im Interesse der Durchsetzung der Ausreisepflicht grundsätzlich gerechtfertigt, wenn ein Haftgrund vorliegt. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass hierin ein Eingriff in das Recht auf den Schutz des Privat- und Familienle-bens nach Art. 8 [X.] liegt. Dafür ist es unerheblich, dass der Betroffene mit 27 - 12 - [X.]

allenfalls kirchlich getraut ist. Denn auch faktische Bezie-hungen zwischen Erwachsenen genießen den Schutz des Art. 8 [X.], wenn Elemente einer Abhängigkeit dargelegt werden, die über die üblichen gefühls-mäßigen Bindungen hinausgehen ([X.], Urt. v. 17. April 2003, 52853/99 - [X.] gegen [X.], [X.], 2147, 2148 Rdn. 44). Solche Bindun-gen zu [X.] hat der Betroffene hier dargelegt. Dem Schutz, den er, wenn die Darlegungen zu seiner Beziehung zu [X.] zutreffen, auch nach Art. 8 [X.] genießt, wird die Anordnung von [X.] nur gerecht, wenn es keine andere Möglichkeit gibt und wenn die Abschiebung mit größtmöglicher [X.]eunigung betrieben wird. Aus diesem Grund lässt Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/[X.] vom 16. Dezember 2008 ([X.] L 348/98) die Anordnung von [X.] bei Familien mit minderjährigen Kindern nur im äußersten Fall und für die kürzestmögliche angemessene Dauer zu. Das ist nicht erst nach Ablauf der Frist zur Umsetzung dieser Richtlinie am [X.] 2010, sondern nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit schon jetzt geboten. (3) Feststellungen dazu fehlen. Sie waren aber erforderlich und - man-gels ausreichenden Vortrags im Antrag der Beteiligten zu 2 - nach § 26 FamFG von Amts wegen zu treffen. Es lässt sich nicht ausschließen, dass sich die Fortdauer der Haft nach gebotener Sachaufklärung aus damaliger Sicht als verhältnismäßig erweist. Die Sache ist deshalb insoweit nicht entscheidungsreif 28 - 13 - und nach § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Beschwerdegericht zurückzuver-weisen. Krüger [X.] Lemke Schmidt-Räntsch [X.] Vorinstanzen: AG [X.], Entscheidung vom 10.12.2009 - X[X.] 187/09.B - LG [X.], Entscheidung vom 16.12.2009 - 1 T 243/09 -

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V ZB 127/10

17.06.2010

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.06.2010, Az. V ZB 127/10 (REWIS RS 2010, 5767)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5767

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