Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.08.2022, Az. 8 AZR 14/22

8. Senat | REWIS RS 2022, 7123

BUNDESARBEITSGERICHT (BAG) INDIVIDUAL-ARBEITSRECHT INSOLVENZRECHT INSOLVENZ CORONAVIRUS

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Gegenstand

(Un-)Pfändbarkeit einer Corona-Sonderzahlung


Leitsatz

Zahlt ein Arbeitgeber, der nicht dem Pflegebereich angehört, freiwillig an seine Beschäftigten eine Corona-Prämie, ist diese Leistung als Erschwerniszulage nach § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar, wenn ihr Zweck in der Kompensation einer coronabedingten, im Einzelfall tatsächlich gegebenen Erschwernis bei der Arbeitsleistung liegt, soweit die Prämie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigt.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 25. November 2021 - 6 [X.]/21 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Pfändbarkeit einer vom [X.]eklagten an die Arbeitnehmerin M (im Folgenden Schuldnerin) gezahlten [X.].

2

Durch [X.]eschluss des [X.] vom 18. August 2015 war über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und die Klägerin zur Insolvenzverwalterin bestellt worden.

3

Die Schuldnerin war vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 bei dem [X.]eklagten, der in [X.] das „[X.]“ betreibt, als Küchenhilfe und - jedenfalls im September 2020 - auch als Thekenkraft im [X.]astbereich zu einer [X.]ruttomonatsvergütung iHv. 1.350,00 Euro beschäftigt.

4

Der [X.]eklagte zahlte an die Schuldnerin im September 2020 neben dem Monatslohn iHv. 1.350,00 Euro brutto und Sonntagszuschlägen iHv. 66,80 Euro brutto eine „[X.]“ iHv. 400,00 Euro. Ausgehend von einem pfändungsrelevanten Nettoverdienst iHv. 1.440,47 Euro (Monatslohn [X.] „[X.]“, ohne Sonntagszuschläge) errechnete die Klägerin für den Monat September 2020 einen pfändbaren [X.]etrag iHv. 182,99 Euro netto. Mit Schreiben vom 22. Oktober 2020 forderte die Klägerin den [X.]eklagten auf, diesen [X.]etrag bis spätestens zum 5. November 2020 an sie zu zahlen.

5

Der [X.]eklagte lehnte diese Forderung mit E-Mail vom 29. Oktober 2020 mit der [X.]egründung ab, die [X.] sei unpfändbar. Im Januar 2021 erteilte er der Schuldnerin eine neue Lohnabrechnung für den Monat September 2020, in der er die geleistete „[X.]“ iHv. 400,00 Euro in Abzug brachte.

6

Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr auf Zahlung des nach ihrer Auffassung pfändbaren [X.]etrags iHv. 182,99 Euro gerichtetes [X.]egehren weiter. Sie hat den Standpunkt vertreten, die vom [X.]eklagten an die Schuldnerin gezahlte [X.] sei grundsätzlich pfändbar. Der [X.]esetzgeber habe die Unpfändbarkeit einer [X.] in § 150a Abs. 8 Satz 4 S[X.][X.] XI nur für den Pflegebereich geregelt. Für alle anderen [X.]ereiche habe er für [X.]n keine Unpfändbarkeit, sondern nur bestimmt, dass diese bis zu einer Höhe von 1.500,00 Euro steuer- und abgabenfrei seien. Die vom [X.]eklagten gezahlte „[X.]“ könne auch nicht als [X.] iSv. § 850a Nr. 3 ZPO qualifiziert werden. Allein die [X.]eschäftigung in der [X.]astronomie rechtfertige eine solche Qualifizierung nicht. An eine besondere Erschwernis bei der Arbeitserbringung werde nicht angeknüpft. Jedenfalls übersteige die geleistete Zahlung der Höhe nach den Rahmen des Üblichen iSv. § 850a Nr. 3 ZPO. Etwas anderes folge nicht aus § 3b ESt[X.], der sich nur auf Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge beziehe.

7

Die Klägerin hat beantragt,

        

den [X.]eklagten zu verurteilen, an sie 182,99 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem [X.]asiszinssatz seit dem 6. November 2020 zu zahlen.

8

Der [X.]eklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, bei der von ihm geleisteten [X.] handele es sich um eine im Rahmen des Üblichen liegende [X.] iSv. § 850a Nr. 3 ZPO. Er habe mit der Sonderzahlung das aufgrund der [X.] für die Schuldnerin bei deren Tätigkeit im Kontakt mit der Kundschaft im [X.]astraum bestehende höhere Risiko einer Ansteckung abgelten wollen. Die Schuldnerin sei bei ihm nicht ausschließlich als Küchenhilfe beschäftigt worden, sondern vielmehr auch als Thekenkraft mit unmittelbarem Kontakt zur Kundschaft, was unstreitig ist. [X.]ei dem von ihm, dem [X.]eklagten, betriebenen [X.] in [X.] handele es sich um einen touristischen Hotspot in bester Lage, der auch im September 2020 eine hohe [X.]esucherzahl verzeichnet habe, was ebenfalls unstreitig ist. Die [X.] habe sich auch im Rahmen des Üblichen gehalten. Insoweit wirke sich aus, dass der [X.]esetzgeber eine [X.] bis zu einem [X.]etrag iHv. 1.500,00 Euro nach § 3 Nr. 11a ESt[X.] steuerfrei gestellt habe.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die [X.]erufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter. Der [X.]eklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das [X.] hat die zulässige Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat - wie das [X.] zutreffend angenommen hat - keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 182,99 Euro nebst Zinsen. Zahlt - wie hier - ein Arbeitgeber, der nicht dem Pflegebereich angehört, freiwillig an seine Beschäftigten eine [X.], ist diese Leistung als Erschwerniszulage nach § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar, wenn ihr Zweck - wie hier - in der Kompensation einer coronabedingten tatsächlichen Erschwernis bei der Arbeitsleistung liegt, soweit - wie hier - die Prämie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigt.

I. Zwar war über das Vermögen der Schuldnerin durch Beschluss des [X.] vom 18. August 2015 das Insolvenzverfahren eröffnet und die Klägerin zur Insolvenzverwalterin bestellt worden. Die Schuldnerin hatte gegen den Beklagten im September 2020 auch unstreitig einen Anspruch auf Leistung einer [X.] [X.]. 400,00 Euro und damit auf in [X.]eld [X.] Arbeitseinkommen iSv. § 850 Abs. 1, 2 und 4 ZPO erworben. Soweit der Beklagte der Schuldnerin im Januar 2021 eine neue Lohnabrechnung für September 2020 erteilte, in der er die „[X.]“ [X.]. 400,00 Euro wieder in Abzug brachte, konnte er sich hierdurch nicht nachträglich einseitig von der vorbehaltlos zugesagten Leistung lösen.

II. Die Forderung der Schuldnerin gegen den Beklagten auf Zahlung der „[X.]“ gelangte jedoch wegen Unpfändbarkeit nicht in die Insolvenzmasse der Schuldnerin. Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 [X.] gehören [X.]egenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, nicht zur Insolvenzmasse, wobei nach § 36 Abs. 1 Satz 2 [X.] die §§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f Abs. 1, §§ 850g bis 850k, 851c und 851d ZPO entsprechend gelten. Die vom Beklagten an die Schuldnerin geleistete „[X.]“ ist als Erschwerniszulage nach § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar.

1. Nach § 850 Abs. 1 ZPO kann Arbeitseinkommen, das in [X.]eld zahlbar ist, nur nach Maßgabe der §§ 850a bis 850i ZPO gepfändet werden.

2. Die vom Beklagten an die Schuldnerin gezahlte „[X.]“ ist zwar nicht nach § 850a Nr. 2 ZPO unpfändbar.

a) Nach § 850a Nr. 2 ZPO unpfändbar sind die für die Dauer eines Urlaubs über das Arbeitseinkommen hinaus gewährten Bezüge, Zuwendungen aus Anlass eines besonderen Betriebsereignisses und [X.](e)gelder, soweit sie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen.

b) Der Beklagte hat die „[X.]“ weder als zusätzliche Leistung für die Dauer eines Urlaubs der Schuldnerin iSv. § 850a Nr. 2 ZPO noch als Zuwendung aus Anlass eines besonderen Betriebsereignisses iSv. § 850a Nr. 2 ZPO erbracht. Unter den Begriff der Zuwendungen aus Anlass eines besonderen Betriebsereignisses fallen Sonderleistungen, die der Arbeitgeber nicht regelmäßig, sondern aus einem bestimmten, besonderen Anlass, zB einem Betriebsjubiläum oder einem ganz außergewöhnlichen Erfolg des Betriebes gewährt ([X.] 30. Juli 2008 - 10 [X.] - Rn. 30 mwN). Die vom Beklagten erbrachte Leistung hatte indes keinen Bezug zu einem (Betriebs)Ereignis im Betrieb des Beklagten.

c) Bei der vom Beklagten gezahlten „[X.]“ handelt es sich auch nicht um ein [X.](e)geld iSv. § 850a Nr. 2 ZPO. [X.](e)gelder sind die einem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber aus Anlass langjähriger Betriebszugehörigkeit gewährten Zuwendungen, insbesondere Zahlungen anlässlich eines Jubiläums ([X.] 30. Juli 2008 - 10 [X.] - Rn. 23). Danach stellt die Leistung des Beklagten an die - im Übrigen nur für die Dauer eines halben Jahres bei ihm beschäftigte - Schuldnerin kein [X.](e)geld iSv. § 850a Nr. 2 ZPO dar.

3. Die von dem Beklagten an die Schuldnerin im September 2020 gezahlte „[X.]“ [X.]. 400,00 Euro ist jedoch als Erschwerniszulage nach § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar. Ihr Zweck liegt in der Kompensation einer coronabedingten tatsächlichen Erschwernis bei der Arbeitsleistung. Die Zahlung übersteigt auch nicht den Rahmen des Üblichen.

a) Nach § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar sind Aufwandsentschädigungen, Auslösungsgelder und sonstige [X.] Zulagen für auswärtige Beschäftigungen, das Entgelt für selbstgestelltes Arbeitsmaterial, [X.]efahrenzulagen sowie Schmutz- und Erschwerniszulagen, soweit diese Bezüge den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen.

b) Danach kann eine vom Arbeitgeber freiwillig gezahlte [X.] im Einzelfall eine Erschwerniszulage iSv. § 850a Nr. 3 ZPO sein. Dies ist der Fall, wenn der Zweck der Leistung in der Kompensation einer coronabedingten tatsächlichen Erschwernis bei der Arbeitsleistung liegt.

aa) Aus Sinn und Zweck der [X.] ergibt sich, dass eine Erschwernis iSv. § 850a Nr. 3 ZPO eine besondere Belastung bei der bzw. durch die Erbringung der Arbeitsleistung voraussetzt (vgl. [X.] 23. August 2017 - 10 [X.] - Rn. 24, 37 ff., [X.]E 160, 57; in diesem Sinne auch [X.] 29. Juni 2016 - VII ZB 4/15 - Rn. 13, [X.]Z 211, 46). Es muss sich dabei um eine im Einzelfall tatsächlich gegebene Erschwernis handeln. Entgegen der Auffassung der Klägerin muss diese weder berufsspezifisch noch dauerhaft mit der Erbringung der Arbeitsleistung verbunden sein. Der Begriff der Erschwerniszulage spricht für ein weites, nicht auf die der Ausübung der Arbeit innewohnenden Belastungen begrenztes Verständnis ([X.] 23. August 2017 - 10 [X.] - Rn. 23, aaO) und dafür, dass es ausreicht, wenn die Tätigkeit im Einzelfall nur vorübergehend mit Erschwernissen verbunden ist.

bb) Die Regelung in § 150a [X.], der durch [X.]esetz vom 19. Mai 2020 mit Wirkung zum 23. Mai 2020 in das [X.] eingefügt ([X.]I S. 1018) wurde, steht der Qualifizierung der vom Beklagten gezahlten „[X.]“ als Erschwerniszulage iSv. § 850a Nr. 3 ZPO nicht entgegen. Diese Bestimmung schließt eine Anwendung von § 850a ZPO nicht aus.

(1) Nach § 150a Abs. 1 [X.] sind die zugelassenen Pflegeeinrichtungen sowie die Arbeitgeber, die Arbeitnehmer bei solchen Einrichtungen im Wege der Arbeitnehmerüberlassung oder eines Werk- oder Dienstleistungsvertrags einsetzen, verpflichtet, ihren Beschäftigten im [X.] zum Zweck der Wertschätzung für die besonderen Anforderungen während der [X.] eine für jeden Beschäftigten einmalige Sonderleistung nach Maßgabe von § 150a Abs. 2 bis 6 und Abs. 8 [X.] zu zahlen ([X.]). Nach § 150a Abs. 8 Satz 4 [X.] ist die [X.] unpfändbar.

(2) Die in § 150a [X.] getroffene Bestimmung steht der Qualifizierung der vom Beklagten an die Schuldnerin gezahlten „[X.]“ als Erschwerniszulage iSv. § 850a Nr. 3 ZPO nicht entgegen. Bei § 150a [X.] handelt es sich um eine spezialgesetzliche Regelung, die ausschließlich für die Beschäftigten in zugelassenen Pflegeeinrichtungen gilt und die diesem Personenkreis zum Zweck der Wertschätzung für die besonderen Anforderungen während der [X.] - und insoweit auch teilweise unabhängig von einer besonderen Belastung bei der bzw. durch die Erbringung der Arbeitsleistung - einen öffentlich-rechtlichen Zahlungsanspruch einräumt, § 150a Abs. 1 [X.] (vgl. [X.] 1. März 2022 - 9 [X.] - Rn. 15 ff.). Mit der ausdrücklichen Festlegung der Unpfändbarkeit dieser öffentlich-rechtlichen Forderung in § 150a Abs. 8 Satz 4 [X.] hat der [X.]esetzgeber keine Aussagen getroffen im Hinblick auf eine etwaige Pfändbarkeit von [X.]n, die vom Arbeitgeber freiwillig an Beschäftigte außerhalb des Anwendungsbereichs des § 150a [X.] gezahlt werden.

cc) Auch aus dem Umstand, dass aufgrund der [X.] erbrachte Beihilfen und Unterstützungen bis zu einem Betrag [X.]. 1.500,00 Euro steuer- und sozialversicherungsfrei waren, ergibt sich nichts anderes.

(1) Das [X.] hat durch Schreiben vom 9. April 2020 - IV C 5 - S 2342/20/10009 :001 (BStBl. I S. 503) im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder für Beihilfen und Unterstützungen während der [X.] mitgeteilt, dass Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern in der [X.] vom 1. März 2020 bis zum 31. Dezember 2020 aufgrund der [X.] Beihilfen und Unterstützungen bis zu einem Betrag von 1.500,00 Euro nach § 3 Nr. 11 ESt[X.] steuerfrei in Form von Zuschüssen und Sachbezügen gewähren können, soweit diese zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet werden. Nachfolgend wurde § 3 ESt[X.] durch das [X.]esetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der [X.] ([X.]) vom 19. Juni 2020 ([X.]I S. 1385) dahin geändert, dass in diese Bestimmung Nr. 11a eingefügt wurde. Danach waren vom Arbeitgeber zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn in der [X.] vom 1. März bis zum 31. Dezember 2020 aufgrund der [X.] an seine Arbeitnehmer in Form von Zuschüssen und Sachbezügen gewährte Beihilfen und Unterstützungen bis zu einem Betrag [X.]. 1.500,00 Euro steuerfrei. Ausweislich der [X.]esetzesbegründung wurde damit im Interesse einer umfassenden Rechtssicherheit nachträglich eine gesetzliche Rechtsgrundlage für die Steuerfreiheit der Corona-Sonderleistungen geschaffen ([X.]. 19/19601 S. 33). Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialversicherungsentgeltverordnung ([X.]) in der vom 1. Januar 2018 bis zum 30. Juni 2021 geltenden Fassung war die steuerfreie [X.] nicht dem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelt zuzurechnen.

(2) Weder aus dem Schreiben des [X.] vom 9. April 2020 noch aus § 3 Nr. 11a ESt[X.] oder § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] lässt sich etwas dafür herleiten, dass eine vom Arbeitgeber freiwillig an seine Beschäftigten gezahlte [X.] nicht als Erschwerniszulage iSv. § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar sein könnte. Es gibt schon keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich das [X.] und/oder der [X.]esetzgeber mit der Frage nach der Pfändbarkeit einer [X.] überhaupt befasst hätten.

c) [X.] ist nach § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar, soweit sie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigt. Zur Ermittlung dieses Rahmens kann auf die in § 3 Nr. 11a ESt[X.] enthaltene Wertung zurückgegriffen werden (vgl. [X.] 23. August 2017 - 10 [X.] - Rn. 52, [X.]E 160, 57; vgl. [X.] 20. September 2018 - IX ZB 41/16 - Rn. 6; 29. Juni 2016 - VII ZB 4/15 - Rn. 13 f., [X.]Z 211, 46).

d) Danach handelt es sich bei der hier streitgegenständlichen, vom Beklagten an die Schuldnerin gezahlten „[X.]“ um eine Erschwerniszulage iSv. § 850a Nr. 3 ZPO, die den Rahmen des Üblichen nicht übersteigt und demgemäß nicht zum pfändbaren Einkommen der Schuldnerin gehört.

aa) Der Zweck der vom Beklagten der Schuldnerin gezahlten „[X.]“ liegt in der Kompensation einer tatsächlichen Erschwernis bei der Arbeitsleistung.

Die Schuldnerin war bei Ausübung ihrer Tätigkeit für den Beklagten im September 2020 einer coronabedingten tatsächlichen Erschwernis ausgesetzt. Sie war in dieser [X.] in dem vom Beklagten betriebenen B in [X.] mit - auch im September 2020 - hoher Besucherzahl nicht nur als Küchenhilfe, sondern vielmehr - unstreitig - auch als Thekenkraft mit unmittelbarem Kontakt zur Kundschaft tätig. Wie das [X.] festgestellt hat, bestand infolge des unmittelbaren Kundenkontakts im September 2020 für die Schuldnerin tatsächlich eine konkrete höhere [X.]efahr, sich mit dem Corona-Virus zu infizieren, als wenn sie die Tätigkeit im Betrieb des Beklagten nicht verrichtet hätte, zumal die Kunden zum Verzehr von [X.]etränken und Speisen ihre Masken - jedenfalls vorübergehend - ablegen mussten. Zudem war die Schuldnerin bei der Erbringung der Arbeitsleistung einer besonderen psychischen Belastung ausgesetzt, da es zum damaligen [X.]punkt kein wirksames Medikament gegen diese Erkrankung gab und auch keine Möglichkeit bestand, sich impfen zu lassen. Die Tätigkeit der Schuldnerin bei dem Beklagten als Thekenkraft mit unmittelbarem Kundenkontakt war für die Schuldnerin demzufolge mit einer coronabedingten besonderen Belastung verbunden. Soweit die Klägerin demgegenüber anführt, die Schuldnerin sei bei ihrer Arbeit einem allgemeinen pandemiebedingten Risiko ausgesetzt gewesen, welches ua. auch in öffentlichen Verkehrsmitteln oder beim Einkauf im Einzelhandel bestehe, führt dies nicht zu einer anderen Bewertung. Die Schuldnerin hatte bei ihrer Arbeit als Thekenkraft mit unmittelbarem Kundenkontakt - wenn sie ihre arbeitsvertraglichen Pflichten nicht verletzen wollte - nicht die Möglichkeit, sich den coronabedingten Risiken und besonderen Belastungen zu entziehen bzw. diese Risiken zu minimieren. Demgegenüber waren alle Menschen, was beispielsweise die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel und den Einkauf im Einzelhandel anbelangt, grundsätzlich frei in der Entscheidung, in welcher Intensität sie sich den damit verbundenen Risiken einer Infektion aussetzen wollten. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung von Abständen. Dass der Beklagte - wie das [X.] festgestellt hat - mit der an die Schuldnerin gezahlten „[X.]“ die bei der Arbeitsleistung der Schuldnerin tatsächlich gegebene coronabedingte besondere Erschwernis kompensieren wollte, hat die Klägerin in der Revision nicht in Abrede gestellt.

bb) Die „[X.]“ des Beklagten [X.]. 400,00 Euro überstieg auch nicht den Rahmen des Üblichen iSv. § 850a Nr. 3 ZPO, der sich unter Rückgriff auf die in § 3 Nr. 11a ESt[X.] enthaltene Wertung bestimmt. § 3 Nr. 11a ESt[X.] sieht insoweit einen Betrag [X.]. 1.500,00 Euro vor.

        

    Schlewing    

        

    Winter    

        

    [X.]    

        

        

        

    Bloesinger    

        

    Diekmann    

                 

Meta

8 AZR 14/22

25.08.2022

Bundesarbeitsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Braunschweig, 10. März 2021, Az: 4 Ca 515/20, Urteil

§ 850a Nr 3 ZPO, § 850 Abs 1 ZPO, § 850 Abs 2 ZPO, § 850 Abs 4 ZPO, § 36 Abs 1 S 1 InsO, § 36 Abs 1 S 2 InsO, § 150a SGB 11, § 3 Nr 11a EStG, § 1 Abs 1 S 1 Nr 1 SvEV

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.08.2022, Az. 8 AZR 14/22 (REWIS RS 2022, 7123)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7123 MDR 2023, 110-111 REWIS RS 2022, 7123 NJW 2023, 312 REWIS RS 2022, 7123

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