Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.06.2019, Az. 2 ARs 80/19

2. Strafsenat | REWIS RS 2019, 6657

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Gegenstand

Änderung der örtlichen Zuständigkeit im vereinfachten Jugendverfahren


Tenor

Von einer Bestimmung des Gerichtsstands gemäß § 42 Abs. 3 Satz 2 JGG wird abgesehen.

Gründe

1

Die Staatsanwaltschaft [X.] hat mit an den Jugendrichter des [X.] gerichteter Antragsschrift vom 14. November 2018 beantragt, über die öffentliche Klage gegen den Beschuldigten wegen Diebstahls in zwei Fällen im vereinfachten [X.] gemäß §§ 76 ff. [X.] zu entscheiden oder andernfalls das Hauptverfahren zu eröffnen. Die sodann vom [X.] bestimmte Ladung zum Termin im vereinfachten [X.] konnte dem Beschuldigten an dessen bisher bekanntem Wohnsitz nicht zugestellt werden, da er bereits im Dezember 2018 nach E.     verzogen war. Mit Beschluss vom 8. Februar 2019 hat das [X.] das Verfahren unter Hinweis auf den dauerhaften Wohnsitz des [X.] im dortigen Gerichtsbezirk an das [X.] abgegeben. Das [X.] hat die Übernahme des Verfahrens abgelehnt, da eine Abgabe nach § 42 Abs. 3 [X.] im vereinfachten [X.] nicht möglich sei.

2

Das [X.] hat mit Beschluss vom 26. Februar 2019 (BeckRS 2019, 3497) die Vorgänge dem [X.] zur Entscheidung nach § 42 Abs. 3 Satz 2 [X.] vorgelegt. Es hält an einer Anwendbarkeit der Abgabemöglichkeit nach Wohnsitzwechsel auch im vereinfachten [X.] fest und geht von einem entsprechenden Zuständigkeitswechsel aus.

3

1. Der [X.] ist als gemeinschaftliches oberes Gericht der Amtsgerichte [X.] ([X.]) und [X.] ([X.]) zur Entscheidung des zwischen den [X.] bestehenden Streits gemäß § 42 Abs. 3 Satz 2 [X.] berufen.

4

2. Eine Zuständigkeitsbestimmung ist nicht veranlasst. Im vereinfachten [X.] nach § 76 Abs. 1 [X.] ist eine Änderung der örtlichen Zuständigkeit durch Abgabe nach § 42 Abs. 3 [X.] unzulässig. Die Vorschrift ist in diesem Sonderverfahren nicht anwendbar (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14. November 1958 - 2 [X.], BGHSt 12, 180, 182; vom 31. Januar 1961 - 2 ARs 1/61, BGHSt 15, 314, 316; [X.], [X.], 20. Aufl., § 42 Rn. 20; [X.]/Dölling, [X.], 13. Aufl., § 42 Rn. 13; BeckOK-[X.]/[X.], [X.]., § 42 Rn. 27; BeckOK-[X.]/[X.], [X.]., § 77 Rn. 8; [X.]/Höffler, § 42 Rn. 11; [X.]/[X.], § 77 [X.] Rn. 4; [X.] in Diemer/[X.]/Sonnen, [X.], 7. Aufl., § 42 Rn. 24; a. A. NK-[X.]/[X.], 10. Aufl., § 42 Rn. 12 mwN).

5

Der Senat sieht keine Veranlassung, von seiner Rechtsprechung und der herrschenden Rechtsauffassung in der Literatur abzuweichen.

6

Der [X.] hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt:

„Die überwiegend auf [X.] gestützten Ausführungen für eine Anwendbarkeit des § 42 Abs. 3 Satz 1 [X.] auch im vereinfachten [X.] lassen [...] besorgen, dass dem Amtsgericht außer Blick geraten sein könnte, dass es, wenn der Jugendrichter es - wie hier - für geboten hält, das Verfahren wegen eines Aufenthaltswechsels des [X.] an den für den neuen Wohnsitz zuständigen Jugendrichter abzugeben, tatsächlich die gesetzlichen Voraussetzungen für das Sonderverfahren nach §§ 76 ff. [X.] verneint, soweit die Durchführung vor dem von der Staatsanwaltschaft angerufenen Gericht in Betracht kommt (vgl. Senatsbeschluss vom 14. November 1958 - 2 [X.] - BGHSt 12, 180). In einem solchen Fall hat der Jugendrichter daher, da seiner Ansicht nach die Voraussetzungen hierfür bei dem angerufenen Gericht fehlen, die Entscheidung im vereinfachten Verfahren abzulehnen.

Die im Vorlagebeschluss dargelegte Rechtsauffassung verkennt zudem das grundsätzliche Erfordernis einer die gerichtliche Untersuchung eröffnenden Entscheidung, bevor eine Zuständigkeitsübertragung in Betracht kommt (st. Rspr., vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 18. Dezember 2013 - 2 [X.] - BeckRS 2014, 1645; vom 16. Juli 1997 - 2 ARs 250/97 - NStZ-RR 1997, 380; [X.], [X.], 20. Aufl., § 42 Rn. 19 m. w. N.). Auf die in diesem Zusammenhang vom Jugendrichter angestellten Überlegungen zum Wortlaut der Vorschrift kommt es nicht an. Vielmehr ergibt sich die Notwendigkeit der Verfahrenseröffnung durch das ursprünglich angegangene Gericht vor Übertragung der örtlichen Zuständigkeit auf ein anderes Gericht aus dem Umstand, dass bis zu diesem Zeitpunkt die Staatsanwaltschaft ihre erhobene Anklage zurücknehmen und andernorts anhängig machen kann. In dieses Recht darf nicht durch gerichtliche Beschlüsse nach § 42 Abs. 3 [X.] (oder § 12 Abs. 2 StPO) eingegriffen werden (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Oktober 1957 - 2 [X.] - BGHSt 10, 391). Eine solche endgültige Bindung der Staatsanwaltschaft, wie sie der Eröffnungsbeschluss bewirkt, ist aber im vereinfachten [X.] gerade nicht vorgesehen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14. November 1958 - 2 [X.] - BGHSt 12, 180; vom 31. Januar 1961 - 2 ARs 1/61 - BGHSt 15, 314 [...]).

Der Hinweis des [X.] in seinem Vorlagebeschluss vom 26. Februar 2019 auf die hier gleichzeitig mit der Antragstellung nach § 76 [X.] beantragte Eröffnung des Hauptverfahrens, sollte nicht im vereinfachten [X.] entschieden werden, führt zu keiner anderen Bewertung. Entgegen der Annahme des vorlegenden Gerichts begründet diese Fallgestaltung - auch wenn es nach einem Ablehnungsbeschluss keiner nochmals gesondert einzureichenden Anklage bedürfte (§ 77 Abs. 2 [X.]) - gerade keine der Eröffnungsentscheidung ‚vergleichbare Bindung‘. Vielmehr entspräche der Verfahrensstand nach Ablehnung einer Entscheidung im vereinfachten [X.] dann demjenigen nach einer bereits erhobenen Anklage, mit der die Staatsanwaltschaft regelmäßig die Eröffnung des Hauptverfahrens beantragt. Auch in diesem Zwischenverfahren, das der Vorbereitung der Eröffnungsentscheidung dient, besteht die Dispositionsbefugnis der Staatsanwaltschaft fort.“

7

Dem tritt der Senat bei.

VRiBGH Dr. Franke ist
wegen Urlaubs an der
Unterschrift gehindert.

        

Appl     

        

Zeng   

Appl   

                                   
        

     Grube     

        

Schmidt     

        

Meta

2 ARs 80/19

04.06.2019

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: ARs

§ 42 Abs 3 S 2 JGG, § 76 Abs 1 JGG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.06.2019, Az. 2 ARs 80/19 (REWIS RS 2019, 6657)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 6657

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