Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.11.2017, Az. 1 StR 456/17

1. Strafsenat | REWIS RS 2017, 2583

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2017:091117B1STR456.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 [X.]

vom
9. November
2017

[X.]St:
nein
[X.]R:
ja
Nachschlagewerk:
ja
Veröffentlichung:
ja
________________________

StGB §§ 64, 67 Abs. 2 Satz 2 und 3

Wird nachträglich eine so hohe Gesamtfreiheitsstrafe gebildet, dass eine nach §
67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB bemessene, am [X.] orientierte Anordnung des [X.] zu einer Herausnahme des Angeklagten aus dem Maßregelvollzug führen würde, kann von der Entscheidung über einen [X.] abgesehen
werden.

[X.], Beschluss vom 9. November 2017 -
1 [X.] -
LG Heidelberg

in der Strafsache
gegen

-
2
-

wegen
besonders schweren Raubes u.a.

-
3
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 9. November
2017
gemäß §
349 Abs.
4 [X.] beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 14. Juni 2017 aufgehoben, soweit der [X.] der Strafe angeordnet worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen besonders schwerer [X.] Erpressung in Tateinheit mit besonders schwerem Raub und mit gefähr-licher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen unter Einbeziehung ande-rer rechtskräftiger Strafen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Neben einer Einziehung hat es die in einem anderen rechtskräftigen Urteil angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt aufrechterhalten und angeordnet, dass vor der Maßregel ein Jahr und neun Monate Freiheitsstrafe einschließlich der im Verfahren beim [X.] [X.] erlittenen Untersuchungshaft zu vollstrecken sind. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Re-vision.
Das auf den Ausspruch über den [X.] der Strafe beschränkte Rechtsmittel hat Erfolg.
1
2
-
4
-
1. Das Rechtsmittel ist wirksam auf die Anordnung des [X.] beschränkt.
a) Nachdem der Verteidiger des Angeklagten am 15. Juni 2017 die Revi-sion unbeschränkt eingelegt hatte, hat der Angeklagte noch innerhalb der [X.] eigenhändig ebenfalls Revision eingelegt. Diese stützt er darauf, dass seine erneute Inhaftierung und die damit einhergehende Unterbrechung Gründen bitte ich Sie Ihr Urteil betreffs des [X.] noch einmal zu dass er das Urteil nur im Hinblick auf den [X.] von der [X.] überprüfen lassen möchte.
Dieser erklärte Wille des Angeklagten geht dem Willen des Verteidigers, das Urteil umfassend überprüfen lassen zu wollen, vor (vgl. Meyer-Goßner
in Meyer-Goßner/[X.], [X.], 60. Aufl., § 297 Rn. 3). Denn nach der gesetzli-chen Wertung des § 297 [X.]
ist der einer umfassenden Nachprüfung entge-genstehende Wille des Angeklagten über den auf die Einlegung des Rechtsmit-tels abstellenden Wortlaut hinaus auch bei einem später eintretenden [X.] zu beachten (vgl. SK-[X.]/[X.], 5. Aufl., § 297 Rn. 14), z.B. für die nachträgliche Beschränkung des Rechtsmittels ([X.], Beschluss vom 17.
Juli 2015

III

2 Ws 300/15; KK-[X.]/Paul,
7. Aufl.,
§ 297 Rn. 3).
b) Die Beschränkung ist auch wirksam. Eine Revisionsbeschränkung ist nur möglich, wenn sie sich auf Beschwerdepunkte bezieht, die nach dem [X.] Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angegriffenen Teil rechtlich und tatsächlich selbständig beurteilt werden können, ohne eine Prü-fung der Entscheidung im Übrigen erforderlich zu machen (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 10. August 2017

3 StR 275/17; Beschluss vom 14. Januar 3
4
5
6
-
5
-
2014

1 StR 531/13, [X.], 107 mwN). Dies setzt bei der Anfechtung des [X.] einer Unterbringung voraus, dass die Maßregel als solche rechtsfehlerfrei angeordnet worden ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 14. Januar 2014

1 StR 531/13, [X.], 107 und vom 14. Februar 2012

3 StR 7/12, [X.], 587).
Die Voraussetzungen der Maßregel nach § 64 StGB sind hinreichend belegt, auch die von der sachverständig beratenen [X.] [X.] von zwei Jahren ist nicht zu beanstanden.
2. Das so beschränkte Rechtsmittel hat Erfolg. Das [X.] hat rechtsfehlerhaft nicht geprüft, ob entgegen der Regel des § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB auf eine Anordnung des [X.] verzichtet werden kann.
a) [X.] hat zutreffend die im Urteil des [X.] [X.] vom 13. März 2017 angeordnete Maßregel aufrechterhalten. Denn die jetzt abgeurteilte Tat wurde vor der früheren, die Maßregel anordnenden Verur-teilung des Angeklagten begangen, weswegen die Grundsätze der nachträgli-chen Gesamtstrafenbildung Vorrang vor der Regelung des §
67f
StGB haben (st. Rspr.;
vgl. nur [X.], Beschlüsse
vom 27. September 2016

5 [X.], [X.], 575
mwN und
vom 25. November 2010

3 [X.], NStZ-RR 2011, 105; Urteil vom 11. September 1997

4 StR 287/97, [X.]R StGB § 64 Anordnung 4).
b) [X.] ist jedoch rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass
ein auf die neue Gesamtstrafe zugeschnittener [X.] vor der Maßre-gelv

Sie
hat dabei außer [X.] gelassen, dass die Vorschrift des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB als Soll-Vorschrift ausgestaltet ist, um dem Gericht im Einzelfall, namentlich bei aktuell dringender Therapiebedürftig-7
8
9
10
-
6
-
keit des Betreffenden, die Möglichkeit zu eröffnen, es beim [X.] der Maßregel zu belassen (vgl. BT-Drucks. 16/1110, [X.]; vgl. auch [X.], [X.] vom 9. August 2007

4 [X.], [X.], 371). Ob Anlass besteht, ausnahmsweise von der Anordnung abzusehen, ist von der [X.] danach nicht geprüft worden.
Dazu hätte aber vorliegend Anlass bestanden. Ausweislich der [X.] ist gegen den Angeklagten zum Zeitpunkt des Urteils bereits die Maßregel vollstreckt worden. Durch die nachträgliche Gesamtstrafenbildung ist eine Gesamtstrafe in einer Höhe gebildet worden, dass eine

wie vorliegend geschehen

nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB bemessene, am Halb-strafenzeitpunkt orientierte Anordnung des [X.] zu einer Heraus-nahme des Angeklagten aus dem Maßregelvollzug führen würde. Unter diesen Voraussetzungen kann aber von der Entscheidung über einen [X.] abgesehen werden (hierzu neigend schon [X.], Beschluss vom 25. November 2010

3 [X.], NStZ-RR 2011, 105; vgl. auch Beschluss vom
27. [X.] 2016

5 [X.], [X.], 575: keinen [X.] wegen voll-streckungsrechtlicher Besonderheiten). Denn eine bereits begonnene [X.] in der Entziehungsanstalt kann aktuell dringende Therapiebedürftigkeit begründen, um die bereits
angelaufenen therapeutischen Maßnahmen durch eine Rückverlegung in die Justizvollzugsanstalt nicht wieder zunichte zu ma-chen (vgl. hierzu BT-Drucks. 16/1110, [X.]). Da die gesetzlichen Regelungen über die Vollstreckungsreihenfolge aber auch der Sicherung
des Therapieer-folgs dienen ([X.], Beschlüsse
vom 24. Juni 2014

1 [X.], [X.], 368
und
vom 21. August 2007

3 [X.]) muss diese [X.] Folge bei der Entscheidung über die Anordnung des Vorweg-vollzugs bedacht werden, woran es vorliegend fehlt.
11
-
7
-
3. Anhaltspunkte dafür, dass das [X.] vorliegend auch unter Ein-beziehung der drohenden Herausnahme aus dem bereits begonnenen [X.] auf eine Entscheidung über einen [X.] nicht verzichtet [X.], sind dem Urteil nicht zu entnehmen, weswegen ein Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler nicht auszuschließen ist.
Der [X.] kann schon deswegen nicht selbst über die Anordnung eines [X.] entscheiden, da dem Tatgericht vorbehaltene Wertungen und Beurteilungen zu treffen sind. Der Aufhebung von Feststellungen bedurfte es angesichts des reinen Wertungsfehlers nicht.
Das neu zuständige Tatgericht kann ergänzende Feststellungen insbesondere zum Stand der Therapie treffen.
Raum

Jäger Cirener

Radtke Hohoff
12
13

Meta

1 StR 456/17

09.11.2017

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.11.2017, Az. 1 StR 456/17 (REWIS RS 2017, 2583)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 2583

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 456/17 (Bundesgerichtshof)

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Absehen von einer Entscheidung über den Vorwegvollzug der Strafe


3 StR 7/12 (Bundesgerichtshof)


5 StR 435/20 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren wegen Betäubungsmitteldelikten: Vermögensabschöpfung hinsichtlich des aus einem Tauschgeschäft erlangten Rauschgifts


4 StR 670/19 (Bundesgerichtshof)

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Erneute Anordnung der Unterbringung bei Verurteilung wegen der vor einer früheren …


3 StR 275/17 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

1 StR 456/17

3 StR 275/17

1 StR 531/13

3 StR 7/12

5 StR 417/16

3 StR 406/10

1 StR 162/14

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.