Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.07.2016, Az. II R 5/15

2. Senat | REWIS RS 2016, 8697

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Gegenstand

Einheitlicher Erwerbsgegenstand im Grunderwerbsteuerrecht


Leitsatz

Die Verpflichtung des Erwerbers, das im Zeitpunkt des Erwerbs noch unbebaute Grundstück alsbald nach den gestalterischen Vorgaben der Veräußererseite zu bebauen, reicht für sich allein nicht aus um anzunehmen, dass der Erwerber das Grundstück im bebauten Zustand erwirbt. Hinzukommen muss, dass das vom Erwerber mit der Bebauung beauftragte Bauunternehmen in diesem Zeitpunkt zur Veräußererseite gehörte.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 9. Dezember 2014  4 K 1323/12 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und seine Ehefrau beabsichtigten, ein Grundstück der [X.] ([X.]) zu kaufen.

2

Entsprechend den Vorgaben der [X.] konnten die Eheleute das Grundstück zunächst nur reservieren und mussten vor Abschluss des Kaufvertrags einen [X.] erstellen lassen, der neben dem Bebauungsplan auch den Anforderungen eines Gestaltungshandbuchs entsprach. Nachdem dies geschehen war und die von der [X.] eingesetzte Lenkungsgruppe den [X.] genehmigt hatte, wurde der Kaufvertrag am 20. Mai 2009 geschlossen. Der Kaufpreis für das Grundstück betrug insgesamt 165.000 €.

3

Die Eheleute verpflichteten sich im Kaufvertrag, unverzüglich nach [X.] und Erteilung der Baugenehmigung bzw. Freigabe des Bauvorhabens auf dem Grundstück mit der Errichtung der Bauwerke und Nebenanlagen entsprechend den von der Lenkungsgruppe genehmigten und mit Prüfvermerk versehenen Plänen nebst Flächenberechnungen zu beginnen und diese innerhalb von 24 Monaten in einem Zuge bezugsfertig zu erstellen. Eine Verpflichtung, ein bestimmtes Unternehmen mit der Errichtung des Gebäudes zu beauftragen, enthielt der Kaufvertrag nicht.

4

Am 22. Juni 2009 schlossen die Eheleute mit der von ihnen ausgewählten Baufirma einen Bauerrichtungsvertrag zu einem Festpreis von 298.075 € ab. Der Vertrag war von der Baufirma bereits am 30. April 2009 ausgefertigt und unterschrieben worden.

5

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) nahm an, dass das Grundstück nach den Grundsätzen über den einheitlichen Erwerbsgegenstand in bebautem Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs gewesen sei, und bezog die Bauerrichtungskosten anteilig in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer mit ein. Das [X.] setzte demgemäß mit Bescheid vom 22. Juli 2009 gegen den Kläger Grunderwerbsteuer in Höhe von 8.103 € fest.

6

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) führte aus, die Entscheidungsfreiheit der Eheleute hinsichtlich der Fortführung des bereits projektierten Bauvorhabens sei beim Abschluss des Kaufvertrags aufgrund rechtlicher und faktischer Zwänge stark eingeschränkt gewesen. Der [X.] sei die rechtliche und tatsächliche Kontrolle hinsichtlich der baulichen Ausgestaltung verblieben. Obwohl die [X.] zivilrechtlich nicht zur Herstellung des Gebäudes verpflichtet gewesen sei, sei die Bebauung noch in ihrer Sphäre erfolgt. Sie habe die Herstellungsverpflichtung im Rahmen des umfangreichen Vertragsgefüges auf die Eheleute "delegiert". Unerheblich sei auch, dass die Eheleute den Architekten und das Bauunternehmen ausgewählt hätten. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2015, 584 veröffentlicht.

7

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG). Das [X.] habe zu Unrecht bereits eine vermeintliche Kontrolle tatsächlicher und rechtlicher Art der [X.] bezüglich der Herstellung des Gebäudes im Grundstückskaufvertrag genügen lassen, um die Baukosten in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen. Es habe verkannt, dass ausschließlich die Eheleute als Erwerber vertraglich eine Bauverpflichtung übernommen hätten.

8

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Grunderwerbsteuerbescheid vom 22. Juli 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 2012 dahingehend zu ändern, dass die Grunderwerbsteuer auf 2.887 € herabgesetzt wird.

9

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

1. Das [X.] hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 [X.]O) zu Unrecht entschieden, dass die anteiligen Bauerrichtungskosten in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen sind. Die vom Erwerber eines Grundstücks zivilrechtlich übernommene Verpflichtung, das Grundstück zu bebauen und dabei bestimmte gestalterische Vorgaben des [X.] einzuhalten, genügt nicht für die Annahme eines einheitlichen Erwerbsgegenstands "bebautes Grundstück". Die auf der [X.] handelnden Personen müssen zur Veränderung des körperlichen Zustands des Grundstücks verpflichtet sein.

a) Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs, nach dem sich gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 [X.] die als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer anzusetzende Gegenleistung richtet, wird zunächst durch das den Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.] erfüllende zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Ergibt sich jedoch aus weiteren Vereinbarungen, die mit diesem Rechtsgeschäft in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das beim Abschluss des Kaufvertrags unbebaute Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteil des [X.] --BFH-- vom 3. März 2015 II R 9/14, [X.], 323, [X.], 660, Rz 11, m.w.N.).

aa) Auf der [X.] können auch mehrere Personen als Vertragspartner auftreten, so dass sich die Ansprüche des Erwerbers auf Übereignung des Grundstücks und auf Errichtung des Gebäudes zivilrechtlich gegen verschiedene Personen richten. Entscheidend ist insoweit, dass (auch) der den [X.] begründende Vertrag in ein Vertragsgeflecht miteinbezogen ist, das unter Berücksichtigung aller Umstände darauf gerichtet ist, dem Erwerber als einheitlichen Erwerbsgegenstand das Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen. Dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn die auf der [X.] auftretenden Personen entweder personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich eng verbunden sind oder aufgrund von (nicht notwendigerweise vertraglichen) Abreden auf den Abschluss sowohl des [X.] als auch der Verträge, die der Bebauung des Grundstücks dienen, hinwirken (vgl. BFH-Urteil vom 26. Februar 2014 II R 54/12, [X.], 1403, Rz 11, m.w.N.).

Anhaltspunkte für Abreden der [X.] können z.B. ein gemeinsamer Vermarktungsprospekt oder ein gemeinsamer Internetauftritt des [X.] und des Bauunternehmens bzw. der für sie handelnden Personen sein. Eine Abrede kann auch anzunehmen sein, wenn der Grundstücksveräußerer dem Erwerber Bauunternehmen benennt, die bereits Interesse an der Bebauung des zu veräußernden Grundstücks oder bei einem größeren Baugebiet der zu [X.] bekundet haben und/oder den baurechtlichen Vorschriften entsprechende Haustypen für das Grundstück anbieten können. Nicht ausreichend ist insoweit der allgemeine Hinweis auf in der näheren Umgebung tätige Bauunternehmer, die noch nicht mit der möglichen Bebauung der zur Veräußerung bestimmten Grundstücke befasst waren. Eine Abrede auf der [X.] muss für den Erwerber nicht erkennbar sein. Es ist ausreichend, wenn sie anhand äußerer Merkmale objektiv festgestellt werden kann (vgl. BFH-Urteil in [X.], 1403, Rz 13, m.w.N.). Ob eine Abrede auf der [X.] vorliegt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln. Die Feststellungslast (objektive Beweislast) für die Tatsachen, die die Einbeziehung der Bauerrichtungskosten in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer rechtfertigen, trägt das Finanzamt.

bb) Ein beim Abschluss des Kaufvertrags unbebautes Grundstück kann nur dann in bebautem Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs sein, wenn der Veräußerer oder ein zur [X.] gehörender Dritter zivilrechtlich zur Gebäudeerrichtung verpflichtet ist (vgl. BFH-Urteile vom 16. Januar 2002  II R 16/00, [X.], 308, [X.], 431, unter [X.]; vom 27. Oktober 2004 II R 12/03, [X.], 51, [X.] 2005, 220, unter [X.]; vom 27. November 2013 II R 56/12, [X.], 415, [X.] 2014, 534, Rz 12, und in [X.], 323, [X.], 660, Rz 15, jeweils m.w.N.).

Eine im Grundstückskaufvertrag übernommene zivilrechtliche Bauverpflichtung des Erwerbers gegenüber dem Veräußerer ist für die Annahme einer Herstellungspflicht auf der [X.] nicht ausreichend. Hierbei handelt es sich lediglich um eine eigennützige Leistung des Erwerbers, die keine Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks darstellt (vgl. BFH-Urteil in [X.], 308, [X.], 431, unter [X.], m.w.N.). Ein "Delegieren" einer dem Veräußerer obliegenden Herstellungspflicht auf den Erwerber mit der Folge, dass die Herstellung des Gebäudes der Sphäre des Veräußerers zuzurechnen ist, kann in der Übernahme einer Bauverpflichtung durch den Erwerber nicht gesehen werden. Bei einem gegenseitigen Vertrag kann sich der jeweilige Vertragspartner zur Erfüllung der ihm obliegenden Verbindlichkeiten dritter Personen bedienen. Er kann jedoch die ihm obliegenden Verbindlichkeiten nicht auf seinen Vertragspartner "delegieren", dem gegenüber er die Erfüllung der Verbindlichkeit schuldet ([X.] des § 278 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, vgl. [X.]/[X.], [X.], 75. Aufl., § 278 Rz 7). Der Erwerber ist insoweit nicht der "verlängerte Arm" der [X.]. Allein die Bindung des Erwerbers an eine bestimmte bauliche Gestaltung ("Wie" der Bebauung) reicht für sich genommen ebenfalls nicht aus, wenn diese nicht gegenüber der zur Gebäudeerrichtung verpflichteten [X.] besteht (vgl. BFH-Urteil in [X.], 308, [X.], 431, unter [X.]). Auch ein Eigeninteresse der [X.] daran, dass die Bebauung des erworbenen Grundstücks zeitnah und in der gestalterisch durch sie vorgegebenen Weise (etwa durch ein in den Grundstückskaufvertrag einbezogenes Gestaltungshandbuch) erfolgt, führt nicht zu einer der [X.] zuzurechnenden zivilrechtlichen Herstellungspflicht.

cc) Fehlt es an einer Herstellungsverpflichtung der [X.], unterliegt eine etwaige vom Erwerber geschuldete Vergütung für Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem vom Erwerber selbst herzustellenden Gebäude, die Lieferung beweglicher Gegenstände (z.B. Baumaterialien) oder die Bereitstellung von Planungsunterlagen nicht der Grunderwerbsteuer. Dies gilt auch dann, wenn die [X.] das Grundstück sowie die sonstigen Dienst- und Sachleistungen einheitlich angeboten hatte.

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das [X.] auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger das Grundstück anteilig im bebauten Zustand erworben habe und die Bauerrichtungskosten anteilig in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen seien. Nach den Feststellungen des [X.] war die AG zivilrechtlich nicht zur Herstellung des Gebäudes verpflichtet. Dass die von den Eheleuten ausgewählte Baufirma beim Abschluss des [X.] zur [X.] gehört habe, geht aus den Feststellungen nicht hervor. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben.

2. Die Sache ist nicht spruchreif. Das [X.] hat --ausgehend von seiner Rechtsauffassung, dass die zivilrechtliche Herstellungsverpflichtung des Veräußerers auf den [X.] "delegiert" werden könne-- keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Baufirma beim Abschluss des [X.] zur [X.] gehörte. Dies wird es im zweiten Rechtszug nachzuholen haben. Die Beteiligten sind dabei gemäß § 76 Abs. 1 Satz 2 und 3 [X.]O heranzuziehen. Kommt das [X.] zu dem Ergebnis, dass die Baufirma im maßgebenden Zeitpunkt zur [X.] gehörte, ist Gegenstand des Erwerbs des [X.] das anteilige, bebaute Grundstück; denn die Baufirma hatte den Eheleuten die Bebauung des Grundstücks bereits vor Abschluss des Kaufvertrags durch Unterzeichnung des [X.] zu einem feststehenden Preis angeboten. Dementsprechend sind die anteiligen Bauerrichtungskosten Teil der Gegenleistung, die der Bemessung der Grunderwerbsteuer zugrunde zu legen ist. Die Klage ist dann abzuweisen. Andernfalls ist der Klage stattzugeben. Die dem [X.] obliegende Feststellungslast (objektive Beweislast) ist zu beachten.

3. Die Übertragung der Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens auf das [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

II R 5/15

06.07.2016

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 9. Dezember 2014, Az: 4 K 1323/12, Urteil

§ 8 Abs 1 GrEStG 1997, § 9 Abs 1 Nr 1 GrEStG 1997, § 278 BGB, § 76 Abs 1 S 2 FGO, § 76 Abs 1 S 3 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.07.2016, Az. II R 5/15 (REWIS RS 2016, 8697)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 752 REWIS RS 2016, 8697

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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4 K 2095/16

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