Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.03.2022, Az. IX ZR 4/21

9. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 764

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Gegenstand

Insolvenzanfechtung: Anfechtung der Zahlung des Arbeitsentgelts durch einen Dritten


Leitsatz

Gewährt ein Dritter dem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt, unterfällt die Schenkungsanfechtung in der Insolvenz des Dritten nicht dem Bargeschäftsprivileg.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil der 4. Zivilkammer des [X.] vom 22. Dezember 2020 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger ist Verwalter in dem auf Eigenantrag vom 18. Dezember 2018 am 12. Februar 2019 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] (nachfolgend: Schuldnerin). Unter dem Gesichtspunkt der Schenkungsanfechtung im [X.] nimmt er den Beklagten auf Rückgewähr einer Zahlung in Anspruch, die dieser zur Vergütung seiner Arbeitstätigkeit erhalten hat.

2

Der Beklagte war Arbeitnehmer der E.   -H.        [X.] (nachfolgend: Arbeitgeberin), einer Schwestergesellschaft der Schuldnerin. Beide Gesellschaften gehörten zur [X.], hinter der [X.]stand. Für seine Arbeitsleistungen im Oktober 2018 erhielt der Beklagte am 16. November 2018 per Überweisung vom Vortag eine Zahlung in Höhe von 1.430 €. Der entsprechende Kontoauszug weist neben dem [X.] "[X.]" als Zahlende eine "E.    GmbH" aus. Hinter dieser Bezeichnung stand die Schuldnerin, welche die Überweisung bewirkt hatte. Die Zahlung erfolgte vom Geschäftskonto der Schuldnerin.

3

Der Beklagte hatte in der Vergangenheit mehrfach Überweisungen von der "[X.]" zur Vergütung seiner Arbeitstätigkeit erhalten, aber auch von einer E.   -F.    -B.   GmbH und von der Arbeitgeberin selbst. Seine Kontoauszüge wiesen die verschiedenen Zahler aus.

4

Das Amtsgericht hat die auf Rückgewähr der Zahlung vom 16. November 2018 gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die zulässige Revision hat Erfolg. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

6

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, ein Rückgewähranspruch des Klägers gegen den [X.]n aus § 134, § 143 [X.] sei gemäß § 142 [X.] ausgeschlossen. Das Amtsgericht habe einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Arbeitsleistung des [X.]n und der Zahlung der Schuldnerin in Anwendung von § 142 Abs. 2 Satz 2 [X.] fehlerfrei festgestellt. Auch die Voraussetzungen des § 142 Abs. 2 Satz 3 [X.] lägen vor. Die Zahlung der Schuldnerin sei für den [X.]n nicht als Drittleistung erkennbar gewesen. Aufgrund der in der Vergangenheit geübten Praxis sei es der [X.] gewohnt gewesen, seinen Lohn von verschiedenen Unternehmen der [X.] zu erhalten. [X.] auf einen objektiven [X.] stelle die Zahlung der Schuldnerin eine Lohnzahlung der Arbeitgeberin dar. Für einen durchschnittlichen Arbeitnehmer sei es unerheblich, von wem letztlich der Arbeitslohn gezahlt werde, so dass nicht bereits mit der Angabe der Insolvenzschuldnerin auf dem Überweisungsträger die Drittzahlung erkennbar werde. § 142 Abs. 2 Satz 3 [X.] sei auch in der Insolvenz des [X.] anwendbar. Dem Insolvenzverwalter über das Vermögen des [X.] könne daher der [X.]einwand entgegengehalten werden. Sonst würde der Wille des Gesetzgebers, das Arbeitsentgelt vor Anfechtungen zu schützen, konterkariert.

II.

7

Das hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

8

1. Der Senat ist zur Entscheidung über die Revision unabhängig davon zuständig, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist (§ 17a Abs. 5 GVG). Überdies ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, weil hier ein Dritter das dem [X.]n zustehende Arbeitsentgelt gezahlt hat und die erhobene Klage deshalb nicht die Rückforderung von Arbeitsentgelt in der Beziehung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer betrifft ([X.], Beschluss vom 19. Juli 2012 - [X.], [X.], 33 Rn. 6 ff).

9

2. Mit Recht hat das Berufungsgericht erkannt, dass die streitgegenständliche Zahlung der Schuldnerin an den [X.]n nach § 134 [X.] anfechtbar sein kann.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] ist bei der Beurteilung, ob eine Leistung des Schuldners unentgeltlich im Sinne von § 134 Abs. 1 [X.] erfolgte, zwischen [X.] und [X.] zu unterscheiden. Im [X.] ist eine Leistung als unentgeltlich anzusehen, wenn ihr nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Leistung gegenübersteht, dem Leistenden also keine dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert entsprechende Gegenleistung zufließen soll. Wird eine dritte Person in den Zuwendungsvorgang eingeschaltet, kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Leistende selbst einen Ausgleich für seine Leistung erhalten hat; maßgeblich ist vielmehr, ob der Zuwendungsempfänger seinerseits eine Gegenleistung zu erbringen hat. Bezahlt der Leistende die gegen einen [X.] gerichtete Forderung des Zuwendungsempfängers, liegt dessen Gegenleistung in der Regel darin, dass er mit der Leistung, die er gemäß § 267 Abs. 2 [X.] nur bei Widerspruch seines Schuldners ablehnen kann, eine werthaltige Forderung gegen diesen verliert. Ist hingegen die Forderung des Zuwendungsempfängers wertlos, verliert dieser wirtschaftlich nichts, was als Gegenleistung für die Zuwendung angesehen werden kann. In solchen Fällen ist die Tilgung einer fremden Schuld als unentgeltliche Leistung anfechtbar. Der Zuwendungsempfänger ist gegenüber den Insolvenzgläubigern des Leistenden nicht schutzwürdig; denn er hätte ohne dessen Leistung, auf die er keinen Anspruch hatte, seine Forderung nicht durchsetzen können (etwa [X.], Urteil vom 17. Oktober 2013 - [X.], [X.], 1017 Rn. 6; vom 29. Oktober 2015 - [X.], Z[X.] 2016, 36 Rn. 6).

b) Im Streitfall geht es um eine Leistung im [X.]. Die Schuldnerin hat die Forderung des [X.]n gegen die Arbeitgeberin beglichen. Ob die Forderung des [X.]n gegen die Arbeitgeberin werthaltig war oder nicht, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.

3. Rechtsfehlerhaft ist die Annahme des Berufungsgerichts, die angefochtene Zahlung falle unter das [X.] des § 142 [X.].

a) Nach § 142 Abs. 1 [X.] in der hier anwendbaren Fassung vom 5. April 2017 (vgl. Art. 103j EG[X.]) ist eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 bis 3 [X.] gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte. § 142 Abs. 2 Satz 1 [X.] regelt auf der Grundlage der Rechtsprechung des [X.] zum alten Recht (vgl. etwa [X.], Urteil vom 10. Juli 2014 - [X.], [X.]Z 202, 59 Rn. 15 mwN), wann der Austausch von Leistung und Gegenleistung als unmittelbar anzusehen ist.

§ 142 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 [X.] enthalten Sonderregelungen für die Gewährung von Arbeitsentgelt. Gewährt der Schuldner seinem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt, ist gemäß § 142 Abs. 2 Satz 2 [X.] ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt. Das entspricht der Rechtsprechung des [X.] zum alten Recht ([X.], Urteil vom 6. Oktober 2011 - 6 [X.], [X.]E 139, 235 Rn. 15 ff). § 142 Abs. 2 Satz 3 [X.] ist eine im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens hinzugekommene Vorschrift. Danach steht der Gewährung des Arbeitsentgelts durch den Schuldner die Gewährung dieses Arbeitsentgelts durch einen [X.] nach § 267 [X.] gleich, wenn für den Arbeitnehmer nicht erkennbar war, dass ein Dritter die Leistung bewirkt hat.

b) Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung maßgeblich auf § 142 Abs. 2 Satz 3 [X.] gestützt. Die Vorschrift müsste deshalb im vorliegenden Fall einer Anfechtung nach § 134 [X.] im [X.] anwendbar sein. Darüber hinaus müssten ihre Voraussetzungen vorliegen.

aa) § 142 Abs. 2 Satz 3 [X.] ist nicht anwendbar, wenn eine Leistung in der Insolvenz des das Arbeitsentgelt gewährenden [X.] nach § 134 [X.] angefochten wird ([X.], [X.], 401, 409; [X.]/[X.], NJW 2017, 1505, 1511; [X.]/[X.], [X.], 15. Aufl., § 142 Rn. 35c).

(1) Die Bedeutung des § 142 Abs. 2 Satz 3 [X.] erhellt sich nicht aus dem Gesetz selbst. Nach dem Wortlaut der Vorschrift wird die Gewährung des Arbeitsentgelts durch einen [X.] nach § 267 [X.] der Gewährung dieses Arbeitsentgelts durch den Schuldner gleichgestellt. Inwieweit die Gleichstellung erfolgt, sagt das Gesetz nicht. Da sonst nur § 142 Abs. 2 Satz 2 [X.] eine Regelung zur Gewährung von Arbeitsentgelt trifft, scheint sich § 142 Abs. 2 Satz 3 [X.] nur auf § 142 Abs. 2 Satz 2 [X.] zu beziehen. Dafür spricht auch die Regelungssystematik. Der Gesetzgeber hat § 142 Abs. 2 einen weiteren Satz angefügt und nicht einen weiteren Absatz, wie es im Falle einer eigenständigen, über § 142 Abs. 2 Satz 2 [X.] hinausgehenden Bedeutung zu erwarten gewesen wäre.

Dieser Deutungsansatz ist allerdings verfehlt. [X.] sich § 142 Abs. 2 Satz 3 [X.] nur auf § 142 Abs. 2 Satz 2 [X.], erschöpfte sich die Gleichstellung mit der Gewährung von Arbeitsentgelt durch den Schuldner in der Beurteilung des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Leistung und Gegenleistung. Das Problem der Drittleistung im Sinne des § 142 Abs. 2 Satz 3 [X.] liegt jedoch vor allem in der [X.], welche die Annahme eines [X.] nach der Rechtsprechung des [X.] ausschließt (vgl. [X.], Urteil vom 23. September 2010 - [X.], [X.], 897 Rn. 26; vom 10. Juli 2014 - [X.], [X.]Z 202, 59 Rn. 10; vom 17. Dezember 2015 - [X.], [X.]Z 208, 243 Rn. 21).

Erschöpfte sich die Bedeutung von § 142 Abs. 2 Satz 3 [X.] in der Beurteilung des engen zeitlichen Zusammenhangs, liefe die Regelung immer dann leer, wenn die Gewährung von Arbeitsentgelt durch einen [X.] inkongruent ist (vgl. [X.], [X.], 401, 408). Das hat der Gesetzgeber ersichtlich nicht gewollt. § 142 Abs. 2 Satz 3 [X.] geht über eine Gleichstellung mit § 142 Abs. 2 Satz 2 [X.] hinaus.

(2) Inwieweit § 142 Abs. 2 Satz 3 [X.] über eine Gleichstellung mit § 142 Abs. 2 Satz 2 [X.] hinausgeht, ergibt sich nicht aus den Gesetzentwürfen und den hierzu gefertigten Begründungen. Die Vorschrift beruht auf der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 18/11199, S. 5 f). Ausweislich der Beschlussempfehlung soll § 142 Abs. 2 Satz 3 [X.] der von Seiten der Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung geäußerten Kritik Rechnung tragen, wonach für den Arbeitnehmer nicht erkennbare [X.] auf das Arbeitsentgelt im gleichen Umfang wie Zahlungen des Arbeitgebers selbst von der Anfechtung ausgenommen werden sollten. Die Vorschrift regele den Anfechtungsschutz im Rahmen derartiger Drittzahlungsvorgänge, die insbesondere bei der Beschäftigung in konzernverbundenen Unternehmen denkbar seien. Auch innerhalb dieser Gestaltungen sei der Schutz des Arbeitsentgelts vor Anfechtungen sachgerecht. Durch die Ergänzung von § 142 Abs. 2 [X.] solle dieser Schutz sichergestellt werden (vgl. BT-Drucks. 18/11199, S. 11).

Das lässt Deutungsspielräume offen. Die vom Rechtsausschuss in den Blick genommenen Drittzahlungsvorgänge können sowohl in der Insolvenz des Arbeitgebers (§§ 130, 131 [X.]) als auch in der Insolvenz des [X.] anfechtbar sein (§ 134 [X.]). Welchen Schutz § 142 Abs. 2 Satz 3 [X.] im Einzelnen gewährleisten soll, lässt sich der Beschlussempfehlung nicht entnehmen. Die Empfehlung verweist auf die von den Sachverständigen geäußerte Kritik und will dieser durch § 142 Abs. 2 Satz 3 [X.] Rechnung tragen. Die Sachverständigen haben vor allem die Anfechtbarkeit von [X.] in der Insolvenz des Arbeitgebers kritisiert. Lediglich die schriftliche Stellungnahme eines Sachverständigen verweist auf eine mögliche Schenkungsanfechtung in der Insolvenz des [X.] und regt an, eine ergänzende Regelung zu erwägen (Prot. Nr. 18/92 des [X.], [X.]). Dass der Rechtsausschuss dieser Anregung nicht nur gefolgt ist, sondern § 142 Abs. 2 Satz 3 [X.] auch in der Insolvenz des [X.] angewendet wissen wollte, kann nicht angenommen werden. Dies gilt erst recht für einen entsprechenden Willen des Gesetzgebers.

(3) Es gibt auch sonst keinen Grund, die Regelung des § 142 Abs. 2 Satz 3 [X.] auf die Schenkungsanfechtung in der Insolvenz des das Arbeitsentgelt gewährenden [X.] anzuwenden. Eine Gewährung des [X.]s kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil eine unentgeltliche Leistung im Sinne des § 134 [X.] nicht Teil eines [X.] gemäß § 142 [X.] sein kann (vgl. MünchKomm-[X.]/Kirchhof/Piekenbrock, 4. Aufl., § 142 Rn. 36; [X.], 2021, § 142 [X.] Rn. 2; [X.]/Ganter/Weinland, [X.], 19. Aufl., § 142 Rn. 8, 14). Das gilt sowohl im [X.] als auch im hier interessierenden [X.].

Im [X.] ist eine Leistung des Schuldners unentgeltlich, wenn ein Vermögenswert des [X.] zugunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass dem [X.] ein entsprechender Vermögenswert zufließen soll ([X.], Urteil vom 5. März 2015 - [X.], [X.]Z 204, 231 Rn. 49 mwN; st. Rspr.). § 142 Abs. 1 [X.] macht es demgegenüber gerade zur Voraussetzung eines [X.], dass eine gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen des Schuldners gelangt. Dabei handelt es sich um eine Ausnahmeregelung. Der entscheidende Grund für die Ausnahmeregelung ist der wirtschaftliche Gesichtspunkt, dass ein Schuldner, der sich in der Krise befindet, praktisch vom Geschäftsverkehr ausgeschlossen würde, wenn selbst die von ihm abgeschlossenen wertäquivalenten Bargeschäfte der Anfechtung unterlägen (BT-Drucks. 12/2443, [X.]). Für unentgeltliche Leistungen bedarf es dieses Schutzes nicht. Die weitere Teilnahme am Geschäftsverkehr erfordert nicht die Vornahme unentgeltlicher Leistungen.

Im hier interessierenden [X.] beurteilt sich die Unentgeltlichkeit der (Dritt-)Leistung nicht danach, ob eine gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen des Schuldners gelangt. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Zuwendungsempfänger seinerseits eine Gegenleistung zu erbringen hat, die in der Regel darin liegt, dass er eine werthaltige Forderung gegen den [X.] verliert (vgl. oben Rn. 10). Der Verlust einer werthaltigen Forderung begründet kein Bargeschäft im Verhältnis zum leistenden [X.]. In [X.] erbringt der Zuwendungsempfänger allerdings auch die im Verhältnis zum [X.] geschuldete Leistung. Diese Leistung kann der Leistung des [X.] vorhergehen oder nachfolgen (vgl. [X.], Urteil vom 17. Oktober 2013 - [X.], Z[X.] 2013, 2265 Rn. 11 f). Ein Bargeschäft vermag die Leistung des Zuwendungsempfängers an den [X.] unter Umständen im Verhältnis zu diesem zu begründen (vgl. [X.], Urteil vom 17. Dezember 2015 - [X.], [X.]Z 208, 243 Rn. 20 f). Im Verhältnis zum unentgeltlich leistenden [X.] fehlt es an der von § 142 [X.] vorausgesetzten (vgl. [X.], Urteil vom 11. Februar 2010 - [X.], Z[X.] 2010, 673 Rn. 30; vom 17. Dezember 2015, aaO Rn. 21) rechtsgeschäftlichen Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung ([X.], [X.], 401, 409).

(4) Es gibt auch kein unabweisbares Bedürfnis, den Arbeitnehmer vor einer Schenkungsanfechtung in der Insolvenz des das Arbeitsentgelt gewährenden [X.] zu schützen. Zwar veranschaulicht der Streitfall, dass sich der Arbeitnehmer gerade in den vom Gesetzgeber in den Blick genommenen Konzernsachverhalten einer Schenkungsanfechtung des Verwalters über das Vermögen des konzernverbundenen [X.] nach § 134 [X.] ausgesetzt sehen kann. Der Arbeitnehmer ist aber nicht gleichermaßen schutzwürdig. Im Gegensatz zur Deckungsanfechtung nach den §§ 130, 131 [X.] schuldet er die Rückgewähr unentgeltlicher Leistungen im Grundsatz nur, soweit er durch diese bereichert ist (§ 143 Abs. 2 Satz 1 [X.]). Einer fortbestehenden Bereicherung kann entgegenstehen, dass der Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt für den allgemeinen Lebensunterhalt verwendet hat und er den Unterhalt nicht durch Einsatz anderweitiger Mittel hätte bestreiten können (vgl. [X.], Urteil vom 9. Mai 1984 - [X.], NJW 1984, 2095, 2096; vom 19. Dezember 1984 - [X.], [X.]Z 93, 183, 190 f; vom 17. Juni 1992 - [X.], [X.]Z 118, 383, 386; jeweils für rechtgrundlose Unterhaltszahlungen).

bb) Es würde auch an den Voraussetzungen für ein Eingreifen des [X.] nach § 142 Abs. 2 Satz 3 [X.] fehlen. Dass die streitgegenständliche Zahlung an den [X.]n zur Vergütung seiner Arbeitsleistung im Oktober 2018 durch einen [X.] vorgenommen worden ist, war für den [X.]n erkennbar.

(1) § 142 Abs. 2 Satz 3 [X.] schützt die Gewährung von Arbeitsentgelt durch einen [X.] nach § 267 [X.]. Gegenüber dem leistenden [X.] darf daher kein eigenes Forderungsrecht des Arbeitnehmers bestanden haben. Der Dritte muss mit dem Willen geleistet haben, mit einer eigenen Leistung eine fremde Schuld zu tilgen (vgl. [X.], Urteil vom 31. Januar 2018 - [X.], NJW 2018, 1079 Rn. 26). Das ist nicht der Fall, wenn ein Vertreter oder Erfüllungsgehilfe des [X.]s leistet. Eine Leistung nach § 267 [X.] soll aber auch dann nicht anzunehmen sein, wenn der Dritte auf Anweisung des [X.]s leistet ([X.][X.], 2021, § 267 Rn. 5; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2019, § 267 Rn. 36; MünchKomm-[X.]/[X.], 8. Aufl., § 267 Rn. 9; vgl. auch [X.], Urteil vom 20. März 2001 - [X.], [X.]Z 147, 145, 149). Das ist richtig, wenn man annimmt, dass der Angewiesene nur seine Schuld gegenüber dem [X.] tilgen will und nicht die Schuld des [X.] gegenüber dem Forderungsgläubiger (vgl. [X.]/[X.]/[X.], aaO). Ein derartiges Verständnis der von § 142 Abs. 2 Satz 3 [X.] erfassten Drittleistung nähme die [X.] vom Anwendungsbereich der Vorschrift aus. Ob der Gesetzgeber sich diesen Umstand bewusstgemacht hat, ist nicht ersichtlich. Der Senat muss die von § 142 Abs. 2 Satz 3 [X.] erfassten Drittleistungen nicht näher bestimmen.

(2) Für den [X.]n war erkennbar, dass mit der Schuldnerin ein Dritter geleistet hat.

(a) § 142 Abs. 2 Satz 3 [X.] setzt voraus, dass für den Arbeitnehmer nicht erkennbar war, dass ein Dritter die Leistung bewirkt hat. Das ist ein objektiver Maßstab. Entscheidend ist demnach nicht, ob der konkrete Arbeitnehmer die Drittleistung erkannt hat oder nicht. Es kommt vielmehr darauf an, ob ein objektiver Betrachter aus der Sicht des Arbeitnehmers erkennen konnte, dass ein Dritter leistet. Entscheidend ist die Erkennbarkeit der Drittleistung an sich. Der Dritte muss nicht identifizierbar sein. Es reicht aus, dass erkennbar ist, dass es sich nicht um eine Leistung des Schuldners handelt, sondern um die eines [X.].

Grundlage für die Beurteilung sind die dem Arbeitnehmer zur Kenntnis gelangten objektiven Umstände. Eine (hypothetische) Erkundigungs- oder Nachforschungsobliegenheit des Arbeitnehmers besteht nicht. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es sich bei § 142 Abs. 2 Satz 3 [X.] um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift handelt. Die Anforderungen an die Erkennbarkeit dürfen daher nicht zu hoch angesetzt werden.

(b) Die dem [X.]n zur Kenntnis gelangten Umstände ließen danach die Drittleistung erkennen. Aus den vom [X.]n vorgelegten [X.] sind acht Überweisungen von drei unterschiedlichen Zahlern ersichtlich. Neben der genau bezeichneten Arbeitgeberin haben eine E.   -F.    -B.   GmbH und die [X.] gezahlt. Daraus war erkennbar, dass die streitgegenständliche Zahlung nicht von der Arbeitgeberin stammte, sondern von der [X.] Unerheblich ist, dass die [X.] mangels genauer Bezeichnung nicht als die Schuldnerin identifizierbar gewesen sein mag. Aus dem Abgleich der den [X.] zu entnehmenden verschiedenen Zahler war jedenfalls ersichtlich, dass es sich nicht um die Arbeitgeberin handelte. Erhält der Arbeitnehmer eine Zahlung per Überweisung und ergibt sich aus dem entsprechenden Kontoauszug, dass die Zahlung von einem Zahler stammt, dessen Bezeichnung nicht mit der von seinem Arbeitgeber verwendeten identisch ist, wird regelmäßig eine darin liegende Drittleistung erkennbar. Dass es im Streitfall zu mehreren [X.] gekommen ist und diese für den [X.]n gewohnt gewesen sein mögen, ändert entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nichts daran, dass es sich um [X.] handelt. Gleiches gilt für den Umstand, dass es für einen durchschnittlichen Arbeitnehmer unerheblich sein mag, von wem das Arbeitsentgelt letztlich gezahlt wird. Maßgebend ist die Erkennbarkeit der Drittleistung aus objektiver Sicht. Ohne Bedeutung ist auch, ob sich der Arbeitnehmer dafür interessiert, wer zahlt.

(3) Der für die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 142 Abs. 2 Satz 3 [X.] darlegungs- und beweisbelastete ([X.], [X.], 401, 409; Ganter, [X.], 1141, 1143) [X.] hat auch gar nicht geltend gemacht, dass die Drittzahlung für ihn nicht erkennbar war. [X.] hat er sich vielmehr auf eine stillschweigend zustande gekommene dreiseitige Kongruenzvereinbarung (vgl. [X.], Urteil vom 21. November 2013 - 6 [X.], [X.]E 146, 323 Rn. 14 ff) berufen. Eine solche Vereinbarung setzt [X.] voraus, dass (auch) der Forderungsgläubiger den abweichenden [X.] erkennt, mit dem er sich anderenfalls nicht (stillschweigend) einverstanden erklären kann. Wenn aber der [X.] Drittleistungen erkannt haben will (und muss), um eine stillschweigend zustande gekommene dreiseitige Vereinbarung zu begründen, muss für ihn auch erkennbar gewesen sein, dass es sich bei der streitgegenständlichen Zahlung um eine Drittleistung handelte. Die dem entsprechenden Kontoauszug zu entnehmende Bezeichnung des Zahlers entsprach denen vorhergehender Drittleistungen.

III.

Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

Das Berufungsgericht wird sich mit dem eigentlichen Verteidigungsvorbringen des [X.]n - einer stillschweigend zustande gekommenen dreiseitigen Vereinbarung - zu beschäftigen haben. Allerdings kommt es für die in Betracht kommende Schenkungsanfechtung im Verhältnis zur Schuldnerin nicht entscheidend darauf an, ob die Drittzahlung im Verhältnis zwischen der Arbeitgeberin und dem [X.]n kongruent war. Die geltend gemachte Anfechtung nach § 134 [X.] wäre ausgeschlossen, wenn durch die behauptete Vereinbarung eine wirksame schuldrechtliche Verpflichtung der Schuldnerin zur Begleichung der konkreten Forderung begründet worden wäre (vgl. [X.], Urteil vom 3. März 2005 - [X.], [X.]Z 162, 276, 282). In Betracht kommt etwa ein Schuldbeitritt.

Lässt sich die Schenkungsanfechtung weiterhin nicht ausschließen, werden nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand Feststellungen dazu zu treffen sein, ob die Arbeitgeberin im Zeitpunkt der Zahlung durch die Schuldnerin zahlungsunfähig war.

Grupp     

      

Lohmann     

      

Schultz

      

Selbmann     

      

Harms     

      

Meta

IX ZR 4/21

10.03.2022

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Oldenburg (Oldenburg), 22. Dezember 2020, Az: 4 S 200/20

§ 134 InsO, § 142 Abs 2 S 3 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.03.2022, Az. IX ZR 4/21 (REWIS RS 2022, 764)

Papier­fundstellen: WM 2022, 630 REWIS RS 2022, 764 MDR 2022, 789-790 REWIS RS 2022, 764

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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