Bundessozialgericht, Urteil vom 29.06.2017, Az. B 10 EG 6/16 R

10. Senat | REWIS RS 2017, 8818

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Elterngeld - Frühgeburt - Bezug von Mutterschaftsgeld im dritten Lebensmonat - gesetzliche Fiktion als Elterngeldmonat der Mutter - kein Elterngeldbezug des Vaters für diesen Monat - Anspruchsverbrauch - Begrenzung der Bezugsdauer - Auszahlung nach dem im Elterngeldantrag begehrten Zeitraum - Verfassungsrecht - Gleichheitssatz - Gleichberechtigung - Schutz der Familie


Leitsatz

Lebensmonate des Kindes, in denen einem Elternteil anzurechnende Leistungen (hier: Mutterschaftsgeld) zustehen, gelten als Monate, für die dieser Elternteil Elterngeld bezogen hat (Aufgabe von BSG vom 26.5.2011 - B 10 EG 12/10 R = SozR 4-7837 § 4 Nr 2).

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 29. September 2015 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Bezugsdauer des dem Kläger zustehenden Elterngeldes.

2

Der Kläger und seine Ehefrau sind die Eltern der am [X.] geborenen Tochter J. Vor der Geburt ihrer Tochter waren beide Eltern in Vollzeit berufstätig. Die Ehefrau des [X.] bezog vom 17.1. bis [X.] Mutterschaftsgeld und nahm am 26.4.2013 ihre berufliche Tätigkeit im Umfang von mehr als 30 Wochenstunden wieder auf. Der Kläger beantragte am 14.3.2013 Elterngeld für den dritten bis 14. Lebensmonat seiner Tochter.

3

Die beklagte [X.] bewilligte dem Kläger Elterngeld für den dritten bis 13. Lebensmonat des Kindes (23.4.2013 bis 22.3.2014) in Höhe von 1350,11 Euro monatlich. Die Versagung des Elterngeldes für den 14. Lebensmonat wurde damit begründet, dass Lebensmonate, in denen andere Leistungen wie Mutterschaftsgeld zuständen, als Monate gelten, für die die berechtigte Person Elterngeld beziehe. Die Ehefrau des [X.] habe in den ersten drei Lebensmonaten des Kindes [X.] erhalten. Neben diesen drei Monaten könne nur noch für elf weitere Monate Elterngeld gewährt werden, dem Kläger daher nicht über den 13. Lebensmonat hinaus (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom 3.6.2013).

4

Nachdem der Kläger mit dem Begehren, ihm Elterngeld für einen weiteren Lebensmonat des Kindes zu gewähren, vor dem [X.] erfolglos war (Urteil vom 21.11.2014), hat das L[X.] die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] zurückgewiesen (Urteil vom 29.9.2015) und seine Entscheidung auf folgende Erwägungen gestützt: Nach § 4 Abs 3 S 1 Bundeselterngeld- und [X.] - [X.] - (idF vom 10.9.2012) könne ein Elternteil höchstens für 12 Monate Elterngeld beziehen. Dabei gelten gemäß § 4 Abs 3 [X.] [X.] die Lebensmonate des Kindes, in denen ua nach § 3 Abs 1 [X.] anzurechnende Leistungen - wie Mutterschaftsgeld - zuständen, als Monate, für die dieser Elternteil Elterngeld beziehe. Durch diese gesetzliche Fiktion von Elterngeldbezugsmonaten würden die Lebensmonate des Kindes mit zeitlich kongruenten anzurechnenden Leistungen kraft Gesetzes zwingend der Person zugeordnet, die Anspruch auf die anzurechnende Leistung habe. Im Hinblick auf das im Elterngeldrecht geltende [X.] erfasse die Fiktion des § 4 Abs 3 [X.] [X.] jeweils auch dann den ganzen Lebensmonat des Kindes, wenn - wie hier - nur für die ersten drei Tage Mutterschaftsgeld zustehe. Eine Rechtsfortbildung dahingehend, dass entgegen dem [X.] die Fiktion des [X.] nur anteilig auf die Tage erstreckt werde, in denen Mutterschaftsgeld bezogen werde (hier der 23.3. bis 25.3.2013), komme nach der Rechtsprechung des B[X.] nicht in Betracht. Entgegen der bis zum 17.9.2012 geltenden Fassung des § 4 Abs 3 [X.] [X.] könne auch nicht mehr vorausgesetzt werden, dass die Fiktion nur eingreife, wenn die betroffene Person zum anspruchsberechtigten Personenkreis iS des § 1 [X.] gehöre. Der Gesetzgeber habe der dahingehenden Rechtsprechung des B[X.] (Urteil vom 26.5.2011 - [X.] EG 12/10 R) mit der Neufassung bewusst eine Absage erteilt.

5

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 4 Abs 3 [X.] [X.]. Es sei nicht ersichtlich, weshalb durch die Korrektur des Gesetzgebers in § 4 Abs 3 [X.] [X.] die vom B[X.] aufgestellten Anforderungen an eine verfassungsgemäße Auslegung der Vorschrift ausgehebelt sein sollten. Das B[X.] habe mit der Entscheidung vom 26.5.2011 ([X.] EG 12/10 R) zu § 4 Abs 3 [X.] [X.] idF vom [X.] bis zum [X.] entschieden, dass Lebensmonate des Kindes, in denen Mutterschaftsgeld zustehe, nur dann als Monate gelten, für die die Mutter Elterngeld beziehe, wenn diese in dem betreffenden Zeitraum aufgrund objektiver Gegebenheiten zum anspruchsberechtigten Personenkreis iS des § 1 [X.] gehört habe. Diese Auslegung gelte auch weiterhin, da eine andere Auslegung gegen Art 3 und 6 GG verstoße.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] vom 29. September 2015 und das Urteil des [X.] vom 21. November 2014 aufzuheben sowie die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 19. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 2013 zu verurteilen, dem Kläger auch für den 14. Lebensmonat seiner Tochter vom 23. März bis 22. April 2014 Elterngeld in Höhe von 1219,46 Euro zu zahlen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des [X.] ist zulässig, aber nicht begründet (§ 170 [X.] [X.]G).

9

1. Einer Sachentscheidung des erkennenden [X.]s stehen keine prozessualen Hindernisse entgegen. Klage und Berufung sind zulässig. Der Kläger wendet sich gegen den Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage 54 Abs 1 und 4 [X.]G).

2. Die Revision des [X.] hat in der Sache keinen Erfolg. Auf der Grundlage seiner insoweit nicht angegriffenen und damit für das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen (§ 163 [X.]G) hat das [X.] die Berufung des [X.] gegen das klageabweisende Urteil des [X.] zu Recht zurückgewiesen. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Elterngeld für den 14. Lebensmonat (23.3. bis [X.]) in Höhe von 1219,46 Euro nicht zu, weil insoweit das seiner Ehefrau für den dritten Lebensmonat seiner Tochter gezahlte Mutterschaftsgeld für die [X.] vom 23. bis [X.] anzurechnen ist und zum Verbrauch des Anspruchs auf Elterngeld für den gesamten Lebensmonat führt.

a) Der Anspruch des [X.] auf Elterngeld dem Grunde nach richtet sich nach den am 1.1.2007 in [X.] getretenen Vorschriften des [X.] vom 5.12.2006 ([X.] 2748). Nach § 1 Abs 1 [X.] hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in [X.] hat ([X.]), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt ([X.]), dieses Kind selbst betreut und erzieht ([X.] 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt ([X.] 4). Das [X.] hat in seinem Urteil ausdrücklich festgestellt, dass der Kläger diese Anspruchsvoraussetzungen im [X.]raum vom [X.] bis [X.] tatsächlich erfüllt. Davon gehen auch die Beteiligten übereinstimmend aus.

b) Regelungen zur Dauer und zum Bezugszeitraum des [X.] enthält § 4 [X.] in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs vom 10.9.2012 ([X.] 1878), gültig ab dem 18.9.2012. Nach dessen [X.] kann Elterngeld in der [X.] vom Tag der Geburt bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats des Kindes bezogen werden. Nach § 4 Abs 2 S 1 [X.] wird Elterngeld in [X.] für Lebensmonate gezahlt (sog [X.] - s hierzu B[X.] Teilurteil vom [X.] EG 9/09 R - B[X.]E 107, 1 = [X.]-7837 § 1 [X.], Rd[X.] 38). Nach § 4 Abs 2 [X.] [X.] haben Eltern (also beide Elternteile zusammen) insgesamt Anspruch auf 12 [X.]. Sie haben Anspruch auf zwei weitere [X.], wenn für zwei Monate eine Minderung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit erfolgt (§ 4 Abs 2 S 3 [X.]; dazu BT-Drucks 16/1889 [X.] zu § 4 Abs 2). Waren beide Elternteile - wie hier - vor der Geburt erwerbstätig und unterbricht mindestens ein Elternteil nach der Geburt seine Erwerbstätigkeit (oder schränkt sie in relevantem Umfang ein), haben die Eltern demnach insgesamt für die Dauer von 14 Lebensmonaten des Kindes Anspruch auf Elterngeld. Diesen [X.] können die Eltern im Rahmen der gesetzlichen Regelung untereinander aufteilen. Nach § 4 Abs 2 S 4 [X.] können die Eltern dabei die (12 oder 14) [X.] abwechselnd oder gleichzeitig beziehen. Erfüllen beide Elternteile die Anspruchsvoraussetzungen, bestimmen sie nach § 5 Abs 1 [X.], wer von ihnen welche [X.] in Anspruch nimmt. Diese Bestimmung ist im Antrag vorzunehmen (§ 7 [X.], Abs 2 [X.]).

Nach § 4 Abs 3 S 1 [X.] kann ein Elternteil höchstens für 12 Monate Elterngeld beziehen. Dabei gelten gemäß § 4 Abs 3 [X.] [X.] die Lebensmonate des Kindes, in denen ua nach § 3 Abs 1 [X.] anzurechnende Leistungen - wie Mutterschaftsgeld - zustehen, als Monate, für die die berechtigte Person Elterngeld bezieht. Durch diese gesetzliche Fiktion von [X.]monaten werden die Lebensmonate des Kindes mit zeitlich kongruenten anzurechnenden Leistungen, wie das nach § 3 [X.] [X.] [X.] anzurechnende Mutterschaftsgeld, kraft Gesetzes zwingend der Person zugeordnet, die Anspruch auf die anzurechnende Leistung hat. Dies ist bei Mutterschaftsgeld nach § 24i [X.]B V die Mutter. Im Hinblick auf das im Elterngeldrecht geltende [X.] (§ 4 Abs 2 S 1 [X.]) erfasst die Fiktion des § 4 Abs 3 [X.] [X.] jeweils auch dann den ganzen Lebensmonat des Kindes, wenn - wie hier - nur für einen Tag in dem betreffenden Lebensmonat Mutterschaftsgeld zusteht (vgl B[X.] Urteile vom 26.5.2011 - [X.] EG 12/10 R - [X.]-7837 § 4 [X.] Rd[X.]1 und vom 26.5.2011 - [X.] EG 11/10 R - Juris Rd[X.]5).

In den genannten Urteilen vom 26.5.2011 (aaO) hat der erkennende [X.] § 4 Abs 3 [X.] [X.] idF vom [X.] ([X.] 61 ) hinsichtlich des Begriffs der "anzurechnenden Leistung" für auslegungsbedürftig gehalten. Nach Sinn und Zweck, Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Systematik der Vorschrift könnten andere Leistungen nur dann auf das Elterngeld angerechnet werden, wenn die leistungsberechtigte Person in dem betreffenden Lebensmonat rechtlich zugleich Elterngeld beziehen könne und nicht schon durch objektive Umstände vom anspruchsberechtigten Personenkreis des § 1 [X.] ausgeschlossen sei. Eine solche fehlende Anspruchsvoraussetzung werde auch nicht nach dem Wortlaut des § 4 Abs 3 [X.] [X.] aF fingiert. Schließlich gehe die Begründung zu § 4 Abs 3 [X.] aF [X.] lediglich von einer Anrechnung dieser [X.]en auf den Bezugszeitraum des Elterngeldes aus, mit der Folge, dass die betreffenden Monate "als verbraucht gelten" (vgl BT-Drucks 16/1889 [X.]). Vor diesem Hintergrund hat der [X.] die Fiktion des § 4 Abs 3 [X.] [X.] aF dergestalt ausgelegt, dass von ihr nur Bezugsmonate erfasst werden, in denen ein Bezug von Elterngeld rechtlich möglich ist. Denn eine durch die Anrechnung zu vermeidende Gewährung von Doppelleistungen (zB Mutterschaftsgeld und Elterngeld) könne nur insoweit eintreten, als derselben Person für einen zeitlich kongruenten [X.]raum dem Grunde nach sowohl ein Anspruch auf [X.] als auch ein Anspruch auf Elterngeld zustehe. Letzterer sei dann nicht gegeben, wenn diese Person in den betreffenden Lebensmonaten aufgrund objektiver Gegebenheiten nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis iS des § 1 [X.] gehöre, etwa weil eine Beschäftigung in elterngeldschädlichem Umfang von mehr als 30 Wochenstunden im Monatsdurchschnitt (§ 1 Abs 1 [X.] 4 iVm Abs 6 [X.]) ausgeübt werde (vgl insgesamt die Ausführungen in den [X.] vom 26.5.2011 - [X.] EG 12/10 R - [X.]-7837 § 4 [X.] Rd[X.]2 ff und [X.] EG 11/10 R - Juris Rd[X.]9 ff).

c) An dieser Auslegung der Vorschrift des § 4 Abs 3 [X.] [X.] hält der [X.] nicht mehr fest. Dies gilt insbesondere für die hier maßgebliche Fassung des [X.] ([X.] 1878). Der Gesetzgeber hat die Vorschrift wie folgt neu gefasst:

        

"Lebensmonate des Kindes, in denen einem Elternteil nach § 3 Abs 1 [X.] bis 3 anzurechnende Einnahmen zustehen, gelten als Monate, für die dieser Elternteil Elterngeld bezieht."

Nach Sinn und Zweck, Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Vorschrift sind nunmehr Einnahmen nach § 3 [X.] [X.] bis 3 [X.] auch dann anzurechnen, wenn die Person, die diese Einnahmen erhalten hat - bei Mutterschaftsgeld die Mutter - in dem betreffenden Lebensmonat objektiv keinen Anspruch auf Elterngeld haben kann, weil sie schon nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis des § 1 [X.] gehört.

Mit der Neufassung hat der Gesetzgeber den Wortlaut in § 4 Abs 3 [X.] [X.] insoweit verändert, als die Worte "berechtigte Person" durch "Elternteil" und "Leistung" durch "Einnahmen" ersetzt worden sind. Damit wird die in dem Wortlaut enthaltene Fiktion von [X.]monaten ("Lebensmonate des Kindes … gelten als Monate, für die dieser Elternteil Elterngeld bezieht") auf jeden Elternteil bezogen, das Einnahmen nach § 3 Abs 1 [X.] bis 3 [X.] erhält, ungeachtet des Umstandes, ob die Person in den betreffenden Monaten eine Berechtigung zum Bezug von Elterngeld gehabt hat. Diese Änderung des Wortlautes enthält nach den Gesetzesmaterialien eine "Klarstellung" als Reaktion auf die Rechtsprechung des B[X.] mit Urteil vom 26.5.2011 ([X.] EG 11/10 R - Juris; gemeint wohl auch [X.] EG 12/10 R - [X.]-7837 § 4 [X.]; vgl [X.]sbeschluss vom [X.] - [X.] EG 16/16 B - Juris Rd[X.] 7). Wörtlich heißt es (vgl BT-Drucks 17/9841 [X.]9 zu [X.] 5 <§ 4>):

        

"Die Änderung in § 4 Abs 3 [X.] dient der Klarstellung, dass - entgegen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (B[X.], Urteil vom 26. Mai 2011, [X.] EG 11/10 R) - Lebensmonate des Kindes, in denen nach § 3 Abs 1 Nummer 1 bis 3 anzurechnende Einnahmen zustehen, auch dann als Bezugsmonate gelten, wenn die Elterngeld beantragende Person in diesen Monaten die Voraussetzungen des § 1 [X.] nicht erfüllt. Im Übrigen handelt es sich um redaktionelle Folgeänderungen zur Neufassung des § 3."

Zwar verwechselt die Begründung den Elternteil, dem Elterngeld nach der Fiktion geleistet worden ist, mit dem Elternteil, der Elterngeld begehrt. Denn eine Elterngeld beantragende Person, die in diesen Monaten die Voraussetzungen des § 1 [X.] nicht erfüllt, erhält bereits aus diesem Grund keine Leistungen. Da die Begründung aber der Klarstellung im Gegensatz zur Rechtsprechung des [X.]s in den Urteilen vom 26.5.2011 dient, wird deutlich, was gemeint ist. Lebensmonate des Kindes, in denen nach § 3 [X.] [X.] bis 3 [X.] anzurechnende Einnahmen an einen Elternteil geflossen sind, gelten als Monate, für die dieser Elternteil Elterngeld bezogen hat mit der Folge, dass diese Monate bei dem anderen Elternteil, welcher Elterngeld beantragt, als verbraucht gelten. Danach kommt es auf die Frage nicht mehr an, ob der Elternteil, der diese Einnahmen iS von § 3 [X.] [X.] bis 3 [X.] bezogen hat, aufgrund objektiver Gegebenheiten überhaupt noch zum anspruchsberechtigten Personenkreis iS des § 1 [X.] in dem [X.]raum gehört, in dem der andere Elternteil Elterngeld beantragt. Mit dieser Klarstellung seines Willens hat der Gesetzgeber ausdrücklich ein im Gesetzgebungsverfahren erfolgtes Änderungsbegehren zur Abschaffung des Verbrauchs eines vollen Elterngeldmonats im dritten Lebensmonat des Kindes, wenn zu diesem [X.]punkt auch nur ein einziger Tag Mutterschaftsgeld bezogen worden ist (vgl Ausschuss für Familien, Senioren, Frauen und Jugend, Wortprotokoll der 65. Sitzung vom [X.], Protokoll [X.]7/65 S 39 f und Sitzung vom 23.5.2012, Protokoll [X.]7/67 S 12 f), verworfen. Somit lässt sich aus dem Wort "Klarstellung" auch schließen, dass bereits in den Gesetzesmaterialien zu § 4 Abs 3 [X.] [X.] in der bis zum 17.9.2012 geltenden Fassung der Gesetzgeber die Fiktion des Verbrauchs der Bezugsmonate, in denen [X.] erbracht worden sind, nicht an das Vorliegen einer Anspruchsberechtigung der Mutter gemäß § 1 [X.] knüpfen wollte (vgl BT-Drucks 16/1889 [X.]). Denn die in der dortigen Begründung "… die betreffenden Monate gelten als von der für die betreffende Leistung anspruchsberechtigten Person verbraucht" genannte anspruchsberechtigte Person bezog sich in ihrer Anspruchsberechtigung nicht auf einen [X.], sondern auf die betreffende Leistung wie das Mutterschaftsgeld.

Schließlich zielte der Gesetzesentwurf des Bundesrates auf eine erhebliche Vereinfachung des Vollzugs des Elterngeldes, bei der der Charakter der Leistung gewahrt und Mehrausgaben vermieden werden (vgl BT-Drucks 17/1221 zu [X.]). Insbesondere deshalb blieben "weitere zusätzliche Wünsche beim Elterngeld" während des Gesetzgebungsverfahrens aus Gründen der "Haushaltskonsolidierung" unberücksichtigt ([X.] der Sitzung vom [X.], Frauen und Jugend, Protokoll [X.]7/67 S 13).

Angesichts dieses Auslegungsergebnisses ist der [X.] des [X.] für den 14. Lebensmonat seiner Tochter vom 23.3. bis [X.] durch den Bezug von Mutterschaftsgeld im dritten Lebensmonat seiner Tochter vom 23. bis [X.] durch die Mutter ungeachtet des Umstandes verbraucht, dass diese ab dem 26.4.2013 ihre berufliche Tätigkeit im Umfang von mehr als 30 Wochenstunden und damit anspruchsschädlich iS von § 1 [X.] wieder aufgenommen hat. Von der ursprünglich beantragten Bezugsdauer von 12 Monaten Elterngeld verbleibt ein [X.] von elf Monaten. Die Anrechnungsregelung in § 4 Abs 3 [X.] [X.] dient dazu, zweckidentische Doppelleistungen für zeitlich kongruente Bezugszeiträume zu vermeiden. Denn beim Mutterschaftsgeld sowie beim Elterngeld handelt es sich um Erwerbsersatzeinkommen nach § 18a [X.] [X.] iVm Abs 3 [X.] [X.]B IV. Mit der Anrechnung verdrängt das vorrangige Mutterschaftsgeld das Elterngeld, soweit es für denselben Bezugszeitraum zu erbringen ist (vgl insgesamt auch: B[X.] Urteil vom 20.12.2012 - [X.] EG 19/11 R - [X.]-7837 § 3 [X.] Rd[X.]2 bis 25 mwN). Dass von der zwingenden Zuordnungsregelung des § 4 Abs 3 [X.] [X.] nur (ganze) Bezugsmonate erfasst werden, hat der Gesetzgeber ausdrücklich gewollt, insoweit ist dem Gesetz keine planwidrige Unvollständigkeit zu entnehmen (vgl hierzu bereits B[X.] Urteil vom 26.5.2011 - [X.] EG 12/10 R - [X.]-7837 § 4 [X.] Rd[X.] 30 f sowie [X.] EG 11/10 R - Juris Rd[X.]7 f mwN).

Die Auszahlung des Elterngeldes für die verbleibenden elf Monate hat die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise bestimmungsgemäß nach § 6 S 1 [X.] (idF vom 10.9.2012) in den Lebensmonaten drei bis 13 durchgeführt. Die Bestimmung der Lebensmonate, in denen die Auszahlung unter Umsetzung der nach § 4 [X.] festgestellten Bezugsdauer des Elterngeldes zu erfolgen hat, richtet sich nach dem im Antrag (§ 7 [X.], Abs 2 [X.]) begehrten [X.]raum (vgl [X.] in [X.]/[X.], MuSchG/[X.], 58. Erg.Lfg Februar 2014, § 6 Rd[X.] 9). Danach begehrt der Kläger die Zahlung von Elterngeld ab dem dritten bis zum 14. Lebensmonat des Kindes (12 Monate). Da ihm nur für elf Monate Elterngeld zusteht und der von ihm gewünschte Zahlungszeitraum ab dem dritten Lebensmonat beginnt, sind die Zahlungen ab diesem [X.]punkt aufzunehmen und vom Ende des Bezugszeitraums her zu kürzen. Dem entgegenstehende Anhaltspunkte sind weder festgestellt noch vom Kläger vorgetragen.

d) Die von dem erkennenden [X.] nunmehr vertretene Auslegung des § 4 Abs 3 [X.] [X.] begegnet auch weiterhin keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

aa) Der [X.] hat bereits entschieden, dass der Gesetzgeber eine zeitgleiche Zahlung von Elterngeld und Mutterschaftsgeld eindeutig ausschließen wollte (vgl BT-Drucks 16/1889 [X.]2 f) und deshalb auch eine Verlängerung der Bezugsdauer von Elterngeld um [X.]en, für die eine Anrechnung von anderen Leistungen nach § 3 Abs 1 und 3 [X.] erfolgt, nicht vorgesehen hat, ohne dass eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes vorliegt (B[X.] Urteil vom 20.12.2012 - [X.] EG 19/11 R - [X.]-7837 § 3 [X.] Rd[X.]6 mwN). Der [X.] hat insoweit zudem bereits seine Auslegung zu § 4 Abs 3 [X.] [X.] aF als mit Art 3 Abs 1 und Art 6 Abs 1 GG vereinbar bewertet (B[X.] Urteile vom 26.5.2011, aaO). Zur Überzeugung des erkennenden [X.]s verletzt auch § 4 Abs 3 [X.] [X.] idF vom 10.9.2012 ([X.] 1878) kein Verfassungsrecht. Hinsichtlich der umfangreichen Abwägungen zu Art 3 Abs 1 und Art 6 Abs 1 GG bezogen auf die grundsätzlich in § 4 Abs 3 [X.] [X.] enthaltene Fiktion von Bezugsmonaten unter Vermeidung von zweckidentischen Doppelleistungen wird daher auf die Ausführungen des [X.]s in seinen vorangegangenen Entscheidungen verwiesen (B[X.] Urteil vom 26.5.2011 - [X.] EG 12/10 R - [X.]-7837 § 4 [X.] Rd[X.] 32 bis 37; B[X.] Urteil vom 20.12.2012 - [X.] EG 19/11 R - [X.]-7837 § 3 [X.] Rd[X.]7 bis 40). Die in den genannten Entscheidungen getroffenen Abwägungen treffen auf die nunmehr mit einbezogene Konstellation der Fiktion von Bezugsmonaten für Elterngeld auch bei Müttern, die Mutterschaftsgeld bezogen haben, ohne in dieser [X.] elterngeldberechtigt zu sein, in gleicher Weise zu. Zwar kann diese Auslegung mit einer zusätzlichen Begrenzung des Bestimmungsrechts nach § 5 Abs 1 [X.] einhergehen. Dieser Umstand fällt allerdings angesichts der verbleibenden Steuerungsmöglichkeiten weiterhin nicht erheblich ins Gewicht. Die Fiktion des § 4 Abs 3 [X.] [X.] trifft demgegenüber jetzt alle Antragsteller auf Elterngeld gleich, wenn die Mutter zuvor Mutterschaftsgeld bis in den dritten Lebensmonat bezogen hat. Damit stellt die Vorschrift des § 4 Abs 3 [X.] [X.] sogar in verstärktem Maße sicher, dass die Anrechnungsregelungen des § 3 Abs 1 und 3 [X.] nicht durch eine entsprechende Gestaltung der Bezugsberechtigung von den Eltern umgangen werden können (vgl hierzu bereits B[X.] Urteil vom 26.5.2011 - [X.] EG 12/10 R - [X.]-7837 § 4 [X.] Rd[X.]5 f). Denn nunmehr ist es ohne Bedeutung, wenn der Vater ab dem dritten Lebensmonat des Kindes Elterngeld beantragt und die Mutter gerade aus diesem Grunde wieder eine Beschäftigung in elterngeldschädlichem Umfang aufnimmt, um die Elterngeldfiktion zu vermeiden.

bb) Auch eine geschlechtsbezogene direkte oder indirekte Ungleichbehandlung von Männern unter Verletzung des besonderen Gleichbehandlungsgebots in Art 3 Abs 2 S 1 GG oder des [X.] in Art 3 Abs 3 S 1 GG liegt zur Überzeugung des [X.]s nicht vor. Zwar können durch § 4 Abs 3 [X.] [X.] vornehmlich Väter von der Fiktion des [X.] nachteilig betroffen sein, wenn sie sich für [X.]monate entscheiden, die wegen des Bezugs von [X.] nach § 3 [X.] [X.] [X.] als [X.]monate der Mutter in Fällen gelten, in denen die Mutter nicht elterngeldberechtigt ist. Allerdings ist nicht jede Ungleichbehandlung ausgeschlossen. Differenzierende Regelungen können vielmehr zulässig sein, soweit sie zur Lösung von Problemen, die ihrer Natur nach nur entweder bei Männern oder bei Frauen auftreten können, zwingend erforderlich sind (vgl [X.] 85, 191, 207; B[X.] Urteil vom 27.6.2013 - [X.] EG 10/12 R - [X.]-7837 § 2 [X.]2 Rd[X.] 43; auch B[X.] Urteil vom 15.12.2015 - [X.] EG 3/14 R - B[X.]E 120, 189 = [X.]-7837 § 1 [X.] 8, Rd[X.]5-26). Ein solcher Fall liegt hier vor. Denn [X.] können der Natur der Sache nach nur von Müttern bezogen werden. Darf der Gesetzgeber - wie ausgeführt - zweckidentische Doppelleistungen mit Elterngeld vermeiden, ist die Fiktion des [X.] zugunsten der Mutter systemimmanent vorgegeben. Die in § 4 Abs 3 [X.] [X.] enthaltene Fiktion von Bezugsmonaten sorgt auf diese Weise sachgerecht dafür, dass die in § 3 Abs 1 [X.] geregelte Anrechnung die den beiden Eltern zustehende Gesamtbezugsdauer des Elterngeldes sicherstellt.

3. [X.] beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 10 EG 6/16 R

29.06.2017

Bundessozialgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: EG

vorgehend SG Heilbronn, 21. November 2014, Az: S 1 EG 2151/13, Urteil

§ 4 Abs 3 S 2 BEEG vom 10.09.2012, § 4 Abs 3 S 2 BEEG vom 17.01.2009, § 4 Abs 1 S 1 BEEG, § 4 Abs 2 S 1 BEEG, § 3 Abs 1 S 1 Nr 1 BEEG vom 15.02.2013, § 3 Abs 3 BEEG, § 1 Abs 1 BEEG, § 5 Abs 1 BEEG, § 6 S 1 BEEG, § 7 Abs 1 S 1 BEEG, § 7 Abs 2 BEEG vom 15.02.2013, § 24i SGB 5, Art 3 Abs 1 GG, Art 3 Abs 2 S 1 GG, Art 3 Abs 3 S 1 GG, Art 6 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 29.06.2017, Az. B 10 EG 6/16 R (REWIS RS 2017, 8818)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 8818

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