Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.05.2015, Az. VII ZR 145/12

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 11447

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VII ZR 145/12
Verkündet am:

7. Mai 2015

Boppel,

Justizamtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO §§ 524, 264 Nr. 2 und 3
Stellt der in erster Instanz erfolgreiche Kläger in der Berufungsinstanz seine Ab-schlagszahlungsklage aufgrund bereits erstinstanzlich eingetretener Schlussrech-nungsreife gemäß §
264 Nr.
3 ZPO auf eine höhere [X.] um, liegt hinsichtlich der Erhöhung eine [X.] gemäß § 264 Nr. 2 ZPO vor, die mit der Anschlussberufung innerhalb der Frist des §
524 Abs. 2 Satz 2 ZPO geltend ge-macht werden muss.
[X.], Urteil vom 7. Mai 2015 -
VII ZR 145/12 -
O[X.]

[X.]

-
2
-

Der VII.
Zivilsenat des
[X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 22.
Januar
2015 durch den Vorsitzenden
Richter Dr.
Eick, [X.] und [X.] und die Richterinnen [X.] und Sacher
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts
[X.] vom 25. April 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Zahlung restlicher Vergütung nach vorzeitiger Beendigung zweier Verträge über die Lieferung von Thermo-reaktoren für Großanlagen in [X.].
Die Parteien sind auf dem Gebiet der Verfahrenstechnik tätig. Die Beklagte wurde von der Sm.-AG und der Su.-GmbH beauftragt, für [X.] Besteller Thermoreaktoren zu projektieren, zu liefern und zu montieren.
Im September 2007 schloss sie mit der Klägerin als Nachunternehmerin zwei Ver-träge über die Lieferung je eines Thermoreaktors mit Zubehör und Wärmetauscher für das Projekt S. und das Projekt N. inklusive weiterer Leistungen in den
Bereichen
Projektierung, Montage, Inbetriebnahme und Schulung.
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3
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Da die Beklagte die ursprünglich vereinbarten Zahlpläne nicht einhielt, übersandte sie Ende 2008 zwei von ihr unterzeichnete Verträge, mit denen sie ihre Forderungen gegen die Sm.-AG und die Su.-GmbH
zur Sicherung der [X.] der Klägerin anteilig an diese abtrat. In diesem Zusammen-hang verpflichtete sich die Beklagte ferner, bei ihr eingehende Zahlungen der Sm.-AG und der Su.-GmbH in Höhe des vereinbarten Anteils an die Klägerin weiterzuleiten. Nachdem die Beklagte nach Behauptung der Klägerin ihrer
Ver-pflichtung zur anteiligen Weiterleitung nicht vollständig nachgekommen war, stellte diese
die Lieferungen ein.
Mit der Klage hat die Klägerin erstinstanzlich zuletzt
Zahlung von 452.752,87

zuzüglich
Zinsen geltend gemacht und ihren Anspruch in erster Linie auf die Vereinbarung der Parteien zur anteiligen Weiterleitung der bei der Beklagten
eingehenden Zahlungen gestützt.
Mit Urteil vom 15.
April 2011 hat das Landgericht der Klage
in Höhe von 418.964,33

zuzüglich
Zinsen stattgegeben.
Während des erstinstanzlichen Verfahrens erklärte
die Beklagte mit
Schriftsatz vom 13. April 2010
die Kündigung und vorsorglich den Rücktritt von den
[X.]
mit der Klägerin, die daraufhin für beide Verträge unter dem 22.
Dezember 2010 Schlussrechnungen erstellte und den danach über den Klageantrag hinausgehenden Restvergütungsanspruch nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils zunächst in einem gesonderten
Prozess einklagte.
In der Berufungsinstanz hat die Klägerin die Klage -
nach Rücknahme der anderweitig anhängigen erstinstanzlichen [X.]
-
auf die Schlussrechnungsforderungen umgestellt und auf 959.896,62

uzüglich
Zinsen erweitert. In der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat die Klägerin dem Gericht mehrseitige, teilweise in [X.]r Sprache und kyrillischer Schrift abgefasste
Packlisten
überreicht. 3
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4
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Diese enthalten nach ihrem Vortrag sämtliche nach den [X.], bisher noch nicht an die Beklagte ausgelieferten Anlagenteile.
Das Berufungsgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 959.896,62

uzüglich
Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe der
Software und
Dokumentation für die Thermoreaktoren und der
in den zum Tenor ge-nommenen Packlisten bezeichneten
Anlagenteile
zu zahlen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Die erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] erfolgte Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin ändert gemäß §
249 Abs.
3 ZPO nichts daran, dass das Urteil gegen sie
zu verkünden ist
(vgl. [X.], Urteil vom 14. Juli 1994 -
IX ZR 193/93, [X.]Z 127, 74, 75).

I.
Das Berufungsgericht
hat sein
Urteil wie folgt begründet:
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Die Umstellung der Klage auf die höheren
Schlussrechnungsforderungen
sei zulässig. §
533 ZPO stehe dem nicht entgegen, weil die Umstellung bei zwischenzeitlich eingetretener [X.] keine Klageänderung im Sinne von §§
263, 533 ZPO sei, sondern §
264 Nr.
2 und
3 ZPO unterfalle. Der neue Vortrag sei gemäß
§
531 Abs.
2 Nr. 1 und 3 ZPO zu berücksichtigen, da keine Nachlässigkeit vorliege und das erstinstanzliche Gericht diesen Punkt für unerheblich gehalten habe. Die Erweiterung der Klage scheitere nicht daran, dass die Klägerin die Einlegung einer Anschlussberufung innerhalb der Frist des §
524 Abs.
2 Satz
2 ZPO versäumt habe. In der schriftsätzlich erfolgten [X.] liege die konkludente Erklärung einer Anschlussberufung. Die Versäumung der Frist sei ausnahmsweise unschädlich. Es widerspreche dem Zweck der Vorschrift des §
264 ZPO, die der Prozesswirtschaftlichkeit dienen solle, eine [X.] im Zusammenhang mit einer wegen veränderter Umstände erforderlichen Umstellung von einer Abschlags-
auf die Schluss-zahlungsklage nur innerhalb der [X.] zuzulassen und nach deren Ablauf den Unternehmer auf einen zweiten Prozess wegen des weiter-gehenden Betrages zu verweisen. Hinzu komme, dass das Berufungsgericht erst nach Ablauf der [X.] auf die erforderliche Klageum-stellung hingewiesen habe, so dass
der Klägerin zumindest im Hinblick auf
Art.
103 Abs.
1 GG von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entsprechend
§§
233, 236 Abs.
2 ZPO gewährt werden müsste.
Die Klage sei gemäß §
649 Satz 2 BGB begründet. Bei den [X.] handele es sich
um Werkverträge im Sinne von §
631
BGB. Hier stehe
nicht die Übertragung von Eigentum und Besitz an den zu liefernden Thermoreaktoren im Vordergrund, vielmehr sei nach dem
Vertragsinhalt ein Gesamterfolg geschuldet. Die Klägerin habe im Einzelnen dargelegt, dass es sich bei den vereinbarten Leistungen um eine individuell angepasste Fertigung der Thermo-reaktoren in Abstimmung mit den übrigen Prozessen der Anlagen vor Ort, ihrer 12
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Montage und schließlich der Schulung des Personals gehandelt habe. Dem sei die Beklagte nicht in erheblicher Weise entgegengetreten.
Aufgrund der Kündigung der Verträge durch die Beklagte stehe der Klägerin gemäß §
649 Satz
2 BGB die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen zu. Die Kündigung sei als freie Kündigung zu werten. Eine Kündigung aus wichtigem Grund komme nicht in Betracht, da die Klägerin wegen des Zahlungsverzugs der Beklagten
berechtigt gewesen sei, weitere Lieferungen zu verweigern.
Der Höhe nach stehe
der Klägerin aus den beiden Projekten insgesamt eine fällige Restforderung jedenfalls in Höhe der Klageforderung zu. Der Zahlungsanspruch bestehe aber nur Zug um Zug gegen Herausgabe der im Tenor aufgeführten, noch nicht gelieferten Software, Dokumentation und Anlagenteile. Es sei unerheblich, dass die Klägerin ihren [X.] nicht mit einer entsprechenden Einschränkung gestellt habe. Die Zug-um-Zug-Leistung könne auch mit der nach §
253 ZPO erforderlichen Bestimmtheit tenoriert werden. Hinsichtlich der Anlagenteile sei auf die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Packlisten
abzustellen. Die Beklagte sei dem im Rahmen des ihr gewährten [X.] nicht substantiiert entgegengetreten.

II.
Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin einen Vergütungsanspruch gemäß § 649 Satz 2 BGB hat.
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a) Dabei kann dahinstehen, ob die tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ausreichen, um die Verträge der Parteien als Werkverträge einzuordnen.
Zumindest handelt es sich um Verträge gemäß § 651 Satz 1 BGB, bei
denen § 649 BGB über § 651 Satz 3 BGB Anwendung findet, da die von der Klägerin zu liefernden Thermoreaktoren als nicht vertretbare Sachen zu qualifizieren sind. Nicht vertretbar sind solche Sachen, die auf die [X.] ausgerichtet und seinen Wünschen angepasst sind und die deshalb für den Unternehmer anderweitig schwer oder gar nicht absetz-bar sind ([X.], Urteil vom 30.
Juni
1971
VIII ZR 39/70, NJW 1971, 1793, 1794; [X.]/[X.], 6. Aufl., § 651 Rn. 17 f.).
Nach den tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts mussten die vertraglich geschuldeten Thermoreaktoren individuell unter Berücksichti-gung der unterschiedlichen Anforderungen des Bestellers gefertigt und spezi-fisch an die jeweiligen Anlagen, für die
sie vorgesehen waren, angepasst werden. Dies trägt die Annahme, dass es sich um nicht vertretbare Sachen handelt. Der Hinweis der Beklagten, dass die Einzelteile, aus denen der je-weilige Thermoreaktor bestehe, im Wesentlichen als vertretbare Sachen zu qualifizieren seien, führt entgegen der Auffassung der Revision schon deshalb zu keiner anderen Beurteilung, weil die Klägerin nicht die Lieferung der Einzel-teile, sondern der Thermoreaktoren schuldete.
b)
Auch die Feststellung des Berufungsgerichts, dass es sich bei der Kündigung der Verträge durch die Beklagte um eine wirksame freie Kündigung gemäß § 649 Satz 1 BGB gehandelt habe, weil ihr ein Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund nicht zugestanden habe, ist revisionsrechtlich nicht zu [X.]. Die dem zugrunde liegende Beweiswürdigung weist keine Rechts-fehler auf.
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c) Die zur Einordnung der Verträge und zum Kündigungsgrund erfolgten Feststellungen des Berufungsgerichts sind verfahrensfehlerfrei zustande [X.]. Die von der Revision vorgebrachten Verletzungen von Verfahrens-grundrechten hat der [X.] geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet, §
564 ZPO.
2.
Das Berufungsurteil ist aber von [X.] beeinflusst, soweit das Berufungsgericht die [X.] in der Berufungsinstanz unbeschadet der von ihm angenommenen Versäumung der [X.] (§ 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO) für zulässig erachtet hat.
a) Noch zu
Recht geht das Berufungsgericht
davon aus, dass auf die in der Berufungsinstanz erfolgte Umstellung des Klageantrags auf die höheren
Schlussrechnungsforderungen
§ 533 ZPO nicht anwendbar ist.
§ 533 ZPO regelt die Zulässigkeit der Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO in der Berufungsinstanz. Änderungen des Klageantrags nach § 264 ZPO sind auch in der Berufungsinstanz nicht als Klageänderung anzusehen, so dass
§ 533 ZPO auf sie keine Anwendung findet ([X.], Urteil vom 8.
Dezember
2005
-
VII
ZR
191/04, [X.], 414, 415
= NZBau 2006, 175). Nach der Recht-sprechung des [X.] stellt der Übergang von der
Abschlags-
auf die [X.]
keine Klageänderung dar. Eine Änderung des [X.] liegt nicht vor, da der Anspruch auf Abschlagszahlung lediglich eine modifizierte Form des einheitlichen Anspruchs auf Vergütung ist ([X.],
Urteil vom 8.
Dezember
2005 -
VII
ZR
191/04, [X.], 414, 415
= NZBau 2006, 175; Urteil
vom 11.
November
2004
VII
ZR
128/03, [X.], 400, 405
= NZBau 2005, 158). Erfolgt der Übergang aufgrund einer nach Rechtshängigkeit eingetretenen Veränderung, liegt danach ein Fall des § 264 Nr.
3 ZPO vor. Ist damit gleichzeitig eine Erhöhung des Klageantrags in der Hauptsache [X.], stellt auch dies gemäß § 264 Nr.
2 ZPO keine Klageänderung dar.
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Entgegen der Auffassung der Revision handelt es sich hier um einen solchen Übergang von einer Abschlags-
auf eine [X.]. Die Klägerin hat ihren Anspruch erstinstanzlich in erster Linie auf die im Rahmen der [X.] getroffene Vereinbarung der Parteien über eine anteilige Weiterleitung der bei der Beklagten eingehenden [X.] der Sm.-AG und der Su.-GmbH gestützt. Diese Vereinbarung stellt lediglich eine Modifikation der ursprünglichen Vereinbarung über [X.] im Rahmen der Zahlpläne dar, die von der Beklagten nicht einge-halten wurde. Die weiterzuleitenden Beträge sind ebenso wie die ursprünglich vereinbarten Abschlagszahlungen nur eine Anzahlung auf die jeweilige vertrag-liche Gesamtvergütung im Hinblick auf bereits erbrachte Leistungen der Klägerin. In der Umstellung der zunächst auf die Weiterleitungsvereinbarung gestützten Klage auf die höheren
Schlussrechnungsforderungen
aufgrund nach Rechtshängigkeit eingetretener [X.] liegt daher gemäß §
264 Nr.
2 und 3 ZPO keine Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO.
b)
Die Auffassung des Berufungsgerichts, zum Zwecke der Klage-erweiterung sei die fristgemäße Einlegung einer Anschlussberufung nicht er-forderlich, ist jedoch von [X.] beeinflusst.
aa) Zweck der Anschlussberufung ist es, diejenige Partei zu schützen, die in Unkenntnis des Rechtsmittels der Gegenpartei trotz eigener Beschwer die Rechtsmittelfrist im Vertrauen auf den Bestand des Urteils verstreichen lässt ([X.]/[X.], ZPO, 30.
Aufl., §
524 Rn.
1). Darüber hinaus soll die Anschluss-berufung prozessuale Waffengleichheit schaffen, indem sie den Berufungsbe-klagten in den Stand setzt, auf eine Berufung des Gegners ohne verfahrens-rechtliche Fesseln reagieren und die Grenzen der neuen Verhandlung mitbe-stimmen zu können ([X.], Urteil vom 28.
März
1984
IVb
ZR 58/82, NJW 1984, 2951, 2952). [X.] er die Grenzen neu bestimmen und sich nicht auf die 25
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Abwehr der Berufung beschränken, kann er dies grundsätzlich nur im Wege der Anschlussberufung erreichen.
Dementsprechend muss sich der in erster Instanz obsiegende Kläger nach ständiger Rechtsprechung des [X.] der Berufung der Gegenseite anschließen, wenn er eine [X.] vornehmen oder neue Ansprüche einführen und sich damit nicht nur auf die Abwehr der Berufung [X.] will.
Danach ist auch im Fall der [X.] gemäß §
264 Nr.
2 ZPO die Einlegung einer Anschlussberufung erforderlich ([X.], Urteil vom 12. März 2009 -
VII
ZR
26/06, [X.], 1140 Rn. 22 = NZBau 2009, 376; Urteil vom 13. September 2011 -
X [X.], GRUR
2012, 45 Rn.
56).
Lediglich wenn in der Berufungsinstanz gemäß § 264 Nr. 3 ZPO ohne Änderung des [X.] statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer späteren Veränderung ein anderer Gegenstand gefordert und mit dem nunmehr geltend gemachten Antrag nicht mehr verlangt wird als bereits erstinstanzlich zuerkannt, ist die Einlegung einer Anschlussberufung entbehrlich ([X.], Urteil vom 12. Januar 2006 -
VII ZR 73/04, [X.], 717, 718; Urteil vom 18. Februar 2011 -
V [X.], [X.], 310 Rn. 10 ff.). Das Begehren des in erster Instanz erfolgreichen Klägers geht in diesem Fall nicht über eine Abwehr der Berufung hinaus.
Ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor, wenn der in erster Instanz obsiegende Kläger eine aufgrund nach Rechtshängigkeit eingetretener Ver-änderungen erfolgte Klageumstellung gemäß §
264 Nr.
3 ZPO mit einer Klage-erweiterung gemäß §
264 Nr.
2 ZPO verbindet. Auch wenn die veränderten Um-stände materiell-rechtlich eine Klageumstellung erfordern, beschränkt sich der Kläger in dieser Konstellation nicht auf die Abwehr der Berufung, sondern begehrt einen höheren als den erstinstanzlich zuerkannten Betrag und be-28
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stimmt damit die Grenzen des Berufungsverfahrens neu. Dies ist nur im Wege der Anschlussberufung möglich.
bb)
Ist die Einlegung einer Anschlussberufung erforderlich, ist nach dem Wortlaut des Gesetzes die Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu beachten.
Sinn und Zweck der gesetzlichen Fristenregelung des §
524 Abs.
2 Satz
2 ZPO rechtfertigen im vorliegenden Fall keine abweichende Beurteilung.
Der Gesetzgeber hat sich mit dem Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27.
Juli
2001 ([X.] I S.
1887) dafür entschieden, die Einlegung einer Anschlussberufung nur binnen einer bestimmten Frist zuzulassen, um auf diese Weise das nach der Neukonzeption in erster Linie der Fehlerkontrolle dienende Berufungsverfahren zu straffen und zu beschleunigen (vgl. BT-Drucks. 14/4722, S.
64, 98
f.). Trotz erheblicher Kritik in Rechtsprechung und Literatur hat der Gesetzgeber mit dem 1.
Justizmodernisierungsgesetz vom 24. August 2004 ([X.] I S. 2198) die Frist, wenn auch in abgeänderter Form, beibehalten und eine Ausnahme nur für wiederkehrende Leistungen geschaffen (vgl. BT-Drucks. 15/3482, S.
17, 18). Vor diesem Hintergrund ist in der
höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des §
524 Abs.
2 Satz
2 ZPO im Wege der teleologischen Reduktion sowohl für klageerweiternde als auch für klageändernde Anschlussberufungen abgelehnt worden ([X.], Urteil vom 12.
März
2009 -
VII
ZR
26/06, [X.], 1140
Rn.
22
= NZBau 2009, 376; [X.], Urteil vom 7.
Dezember
2007 -
V
ZR 210/06, [X.], 1953
Rn.
17
ff.).
Ob demgegenüber nach Sinn und Zweck sowie unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Gebots der prozessualen Waffengleichheit in be-sonderen Fällen Ausnahmen von der Befristung zuzulassen sind, wenn die Anschlussberufung eine Reaktion auf eine nach Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung oder gar erst nach Ablauf der [X.]
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eingetretene Veränderung der Umstände
ist, kann dahinstehen. Denn ein solcher Fall liegt nicht vor. Vorliegend sind die Voraussetzungen für eine end-gültige Abrechnung und die nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s
([X.], Urteil vom 20.
August
2009

VII ZR 205/07, [X.]Z 182, 158 Rn. 42
ff.; Urteil vom 26.
Februar 1987 -
VII ZR 217/85, [X.], 453; Urteil vom 25. Oktober 1990 -
VII ZR 201/89, [X.], 81, 82) damit einhergehende Notwendigkeit zur Umstellung einer Abschlags-
auf die [X.] nicht erst nach Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung eingetreten. Vielmehr sind sowohl die Kündigung der Verträge als auch die Erstellung der Schluss-rechnungen noch während des erstinstanzlichen Verfahrens erfolgt. Die Klägerin hätte daher die mit der Klageumstellung auf die höheren Schluss-rechnungsforderungen verbundene [X.] bereits erstinstanzlich vornehmen können. Auf diese Weise hätte sie einen etwa notwendig werdenden weiteren Rechtsstreit
über die Restforderungen ohne weiteres [X.] können. Jedenfalls in dieser Konstellation wären bei entsprechender Prozessführung die vom Gesetzgeber verfolgten prozessökonomischen Ziele, insbesondere der mit der Befristung der Anschlussberufung verfolgte Zweck der Straffung und
Beschleunigung des Berufungsverfahrens, erreicht worden. Darüber hinaus wäre auch der mit der Neukonzeption des [X.] verbundene Aspekt der Fehlerkontrolle zum Tragen gekommen, da sich bereits das erstinstanzliche Gericht umfassend mit den Schlussrechnungen hätte befassen können.
cc) Für die vom Berufungsgericht zu Recht als Anschlussberufung ge-wertete [X.] gemäß §
264 Nr. 2 ZPO war danach die Einhaltung der Frist des § 524
Abs. 2 Satz 2 ZPO erforderlich unbeschadet der Möglichkeit, bis zur Höhe des erstinstanzlich zuerkannten Betrages auch nach Ablauf dieser Frist eine Umstellung der Abschlags-
auf die [X.].
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c) Die vom Berufungsgericht hilfsweise angestellte Erwägung, die von ihm angenommene
Versäumung der [X.] sei jedenfalls deshalb unschädlich, weil die Klägerin erst nach Ablauf der Frist auf die er-forderliche Umstellung von der Abschlags-
auf die [X.] worden und ihr deshalb gegebenenfalls von Amts wegen Wieder-einsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sei, ist ebenfalls nicht tragfähig.
Eine direkte Anwendung der Vorschriften über die Wiedereinsetzung scheidet aus, weil die [X.] gemäß § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO keine Notfrist
ist und auch nicht bei den sonstigen Fristen in § 233 ZPO aufgeführt wird.
Ob bei Versäumung der [X.] eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in (analoger) Anwendung der
§§ 233 ff. ZPO in Betracht kommt, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (ablehnend -
obiter dictum
-
[X.], Urteil vom 6. Juli 2005 -
XII ZR 293/02, [X.]Z 163, 324, 329; [X.], NJW-RR 2003, 1720, 1721; [X.], NJW 2002, 1095, 1096; bejahend [X.], [X.], 25, 27; [X.], [X.], 215,
216; [X.], [X.], 443; [X.], NJW-RR 2003, 1299, 1300; [X.]/[X.], 4.
Aufl., §
524 Rn.
32; [X.]/[X.], 4. Aufl., § 233 Rn. 14; [X.]/[X.], ZPO, 30. Aufl., § 233 Rn. 6).
Dieser Streit bedarf keiner Entscheidung, denn auch bei analoger Anwendung der §§ 233 ff. ZPO begründen die hilfsweise angestellten Er-wägungen des Berufungsgerichts keinen Wiedereinsetzungsgrund. Die Klägerin hat aus Nachlässigkeit davon abgesehen, die Klage bereits erstinstanzlich

spätestens jedoch bis zu
dem vom Berufungsgericht angenommenen
Ablauf der [X.]
im Hinblick auf die höheren [X.] zu erweitern. Es entspricht, wie ausgeführt, ständiger Recht-35
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sprechung des [X.]s, dass ein Unternehmer -
will er den Prozess nicht verlieren
-
nach Eintritt der Voraussetzungen für eine endgültige Abrechnung eine Abschlagsklage zwingend auf die [X.] umstellen muss ([X.], Urteil vom 20. August 2009 -
VII ZR 205/07, [X.]Z 182, 158 Rn. 45
f.; Urteil vom 26. Februar 1987 -
VII ZR 217/85,
[X.], 453; Urteil vom 25.
Oktober 1990 -
VII ZR 201/89, [X.], 81, 82). Diese Rechtsprechung musste der anwaltlich vertretenen Klägerin auch ohne gerichtlichen Hinweis bekannt sein. Ihr war darüber hinaus schon während des erstinstanzlichen [X.] und erst recht vor dem vom Berufungsgericht angenommenen
Ablauf der [X.] bekannt, dass [X.] eingetreten war und sie eine über die bereits streitgegenständliche Summe hinausgehende Restvergütung beanspruchte, was sich schon daraus ergibt, dass sie diese [X.] zunächst in einem weiteren Prozess eingeklagt hatte.
d) Eine Versäumung der Frist kann ferner nicht mit dem Argument unberücksichtigt bleiben, einer Partei
müsse nach einem gerichtlichen Hinweis die Möglichkeit eingeräumt werden, darauf zu reagieren. Dieser allgemeine Grundsatz findet auf die gesetzliche Ausschlussfrist des §
524 Abs.
2 Satz
2 ZPO keine Anwendung. Die Unzulässigkeit einer Anschlussberufung wegen Fristversäumung kann durch prozessleitende Maßnahmen nicht mehr behoben werden ([X.], Urteil vom 7.
Dezember
2007
V
ZR 210/06, [X.], 1953 Rn.
28).
3. Das Berufungsurteil stellt sich, soweit das Berufungsgericht die Klage-erweiterung für zulässig erachtet hat, auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar. Das
käme
in Betracht, wenn die Anschlussberufungs-frist bei Eingang der [X.] noch nicht abgelaufen gewesen wäre. Dies kann auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen und des [X.] nicht abschließend beurteilt
werden.
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a) Nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist die Einlegung einer Anschluss-berufung nur bis zum Ablauf einer gesetzten Frist zur Berufungserwiderung zulässig.
Voraussetzung für den wirksamen Lauf der Frist des §
524 Abs.
2 Satz
2 ZPO ist, dass die Frist zur Berufungserwiderung wirksam gesetzt wurde, was nur dann der Fall ist, wenn dem
Berufungsbeklagten gemäß § 329 Abs. 2 Satz
2 ZPO eine beglaubigte Abschrift der richterlichen Verfügung zugestellt und er
über die Rechtsfolgen der Versäumung der Berufungserwiderungsfrist gemäß §
521 Abs.
2 Satz
2, §
277 Abs.
2 ZPO belehrt worden ist ([X.], Beschluss vom 23. September 2008 -
VIII ZR 85/08, [X.], 515
Rn. 5 f.). Das Vorliegen dieser für die Zulässigkeit einer Anschlussberufung maßgeb-lichen Voraussetzung
ist
-
ungeachtet der fehlenden Verweisung in §
524 Abs.
3 Satz
2 ZPO auf §
522 Abs.
1 ZPO
-
von Amts wegen zu überprüfen (Musielak/Voit/Ball, ZPO, 12.
Aufl., § 524 Rn.
25).
b)
Der [X.] kann nicht beurteilen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Klägerin eine beglaubigte Abschrift der betreffenden richterlichen Verfügung nebst Belehrung zugestellt worden ist. Dies ergibt sich auch nicht aus den Akten.

4. [X.] deshalb nicht bestehen bleiben. Es ist ins-gesamt aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzu-verweisen, damit dieses
die notwendigen Feststellungen zum wirksamen Lauf der [X.] gemäß § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO treffen kann. Eine nur teilweise Aufhebung und Zurückverweisung bezüglich des mit der Klage-erweiterung
geltend gemachten höheren
Betrages
kommt nicht in Betracht. Denn bei der auf zwei verschiedenen [X.] beruhenden Vergütung für die Projekte [X.] handelt es sich um zwei verschiedene Streitgegenstände. Die Klägerin muss
daher
für den
Fall der Versäumung der Anschlussberufungs-41
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-

frist zunächst eindeutig klarstellen, in welcher Reihenfolge sie die Forderungen geltend machen will.

III.
Für das weitere Verfahren weist der [X.] auf Folgendes hin:
Die Zug-um-Zug-Einschränkung kann in der vom Berufungsgericht tenorierten Form keinen Bestand haben.
Es fehlt insoweit bereits an der hinreichenden Bestimmtheit der Urteils-formel, §
253 Abs.
2 Nr.
2 ZPO, so dass
das Urteil keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung
des [X.], dass nicht nur der Umfang einer Verurteilung, sondern auch die Zug-um-Zug-Einschränkung im Titel hinreichend bestimmt sein muss, so dass sie ihrerseits zum Gegenstand einer Leistungsklage gemacht werden kann
([X.], Urteil vom 21.
Dezember
2010

X
ZR
122/07, [X.], 1034 Rn. 32 = NZBau 2011, 290; Urteil vom 18.
September 1992 -
V [X.], NJW 1993, 324, 325; Urteil vom 2. Juni 1966 -
VII ZR 162/64, [X.]Z 45, 287
f.).
Zur hinreichenden Bestimmtheit müssen die Zug
um
Zug herauszu-gebenden Gegenstände im Tenor so genau bezeichnet sein, dass eine Identifi-zierung zumindest im Wege der Auslegung möglich ist
([X.], Urteil vom 21. Dezember 2010 -
X [X.], [X.], 1034 Rn. 33 = NZBau 2011, 290). Das Vollstreckungsorgan muss, gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Sachverständigen, in der Lage sein, die Vollständigkeit und Richtigkeit der ihm vom Gläubiger übergebenen und dem Schuldner anzubietenden Gegenstände zu überprüfen. Danach ist
schon die im Tenor aufgeführte "Dokumentation"
für 44
45
46
47
48
-
17
-

die Thermoreaktoren der betreffenden Projekte nicht hinreichend bestimmt, da sich weder dem Tenor
noch den Urteilsgründen entnehmen lässt, was genau diese beinhalten soll. Gleiches gilt für
die Bezeichnung "Software SPS-S7
(incl. [X.])", wobei hier zusätzlich unklar ist, inwieweit davon auch Hardware umfasst sein soll. Das Berufungsgericht hat ferner
Packlisten in den Tenor einbezogen, aus
denen sich die Zug
um
Zug herauszugebenden Anlagenteile ergeben. Auch diese Gegenstände sind in erheblichem Umfang nur unzureichend bezeichnet, weil
konkrete Beschreibungen durch Typen-bezeichnungen, Angaben von Größen, Mengen oder Material, die eine klare Identifikation ermöglichen würden, fehlen.
Darüber hinaus liegt ein Verstoß gegen § 184 [X.]
vor, weil die in den [X.] einbezogenen Packlisten Teile in [X.]r Sprache und kyrillischer Schrift ohne Übersetzung enthalten.
Zwar verbietet § 184 [X.] nicht jede Einbeziehung fremdsprachiger Worte in [X.]
und Urteilsgründen (vgl. z.B. [X.], [X.], 348 f.
m.w.N.; BSG, [X.] 1975, 697, jeweils zu medizinischen Fachausdrücken). Wenn
jedoch
wie hier -
aufgrund der umfänglichen fremdsprachigen Teile der in den
Tenor einbezogenen Pack-

49
-
18
-

listen Missverständnisse und Unklarheiten für die maßgeblichen Adressaten nicht ausgeschlossen werden
und sich hieraus Probleme bei der [X.] des Urteils ergeben können, ist die zwingende Regelung des §
184 [X.] verletzt.
Eick
[X.]
Kartzke

[X.]

Sacher
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 20.04.2011 -
87 [X.]/09 -

O[X.], Entscheidung vom 25.04.2012 -
13 [X.] -

Meta

VII ZR 145/12

07.05.2015

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.05.2015, Az. VII ZR 145/12 (REWIS RS 2015, 11447)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 11447

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VII ZR 145/12

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