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Zulässigkeit der Berufung: Anforderungen an die Berufungsbegründung; ausschließliche Wiederholung bereits in erster Instanz vorgetragener rechtlicher Argumente
Das Festhalten an einer im Urteil erster Instanz zurückgewiesenen Rechtsansicht führt auch dann nicht zur Unzulässigkeit der Berufung, wenn in der Berufungsbegründung lediglich bereits in erster Instanz vorgetragene rechtliche Argumente wiederholt werden (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 9. März 1995, IX ZR 143/94, NJW 1995, 1560 [juris Rn. 8] und Beschluss vom 23. Oktober 2012, XI ZB 25/11, NJW 2013, 174 Rn. 10).
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 6. Zivilsenats des [X.] vom 4. Mai 2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert wird auf 200.000 € festgesetzt.
I. Die Klägerin nimmt die [X.]klagten wegen einer Werbung für Matratzen auf Unterlassung, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Auskunft in Anspruch. Das [X.] hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil die Klägerin ihre ladungsfähige Anschrift nicht substantiiert dargelegt habe. Die [X.]rufung der Klägerin hat das [X.]rufungsgericht gemäß § 522 Abs. 1 ZPO verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.
II. Das [X.]rufungsgericht hat angenommen, die [X.]rufung der Klägerin sei nicht in der gesetzlichen Form begründet. Dazu hat es ausgeführt:
Soweit die Klägerin in der [X.]rufungsbegründung weiterhin die Auffassung vertrete, bei der für sie im Handelsregister als Geschäftsanschrift eingetragenen Anschrift [X.]an ihrem satzungsgemäßen Sitz [X.]handele es sich um eine ladungsfähige Anschrift, habe sie keinen Rechtsfehler des [X.]s dargelegt. Vielmehr halte sie schlicht an ihrer Rechtsansicht fest, ohne sich mit der [X.]gründung des [X.]s auch nur ansatzweise auseinanderzusetzen. Das [X.] habe ausgeführt, bei der Adresse [X.]handele es sich trotz Firmenschild und Empfangsvollmacht insbesondere deshalb nicht um eine ladungsfähige Anschrift, weil die Klägerin nicht vorgetragen habe, sie übe unter dieser Adresse eine Geschäftstätigkeit aus und ihr gesetzlicher Vertreter sei dort erreichbar. Es reiche nicht aus, die Anschrift eines Dritten anzugeben, der es vertraglich etwa als Büroservice übernehme, eingehende Sendungen entgegenzunehmen und weiterzuleiten. Die Klägerin sei diesen Ausführungen des [X.]s in der [X.]rufungsbegründung lediglich mit dem pauschalen Vorwurf der Rechtsfehlerhaftigkeit entgegengetreten.
III. [X.] ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Entgegen der Ansicht des [X.]rufungsgerichts genügt die [X.]rufungsbegründung der Klägerin den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO.
1. Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO hat die [X.]rufungsbegründung die [X.]zeichnung der Umstände zu enthalten, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Da die [X.]rufungsbegründung erkennen lassen soll, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen der [X.]rufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält, hat dieser diejenigen Punkte rechtlicher Art darzulegen, die er als unzutreffend ansieht, und dazu die Gründe anzugeben, aus denen er die Fehlerhaftigkeit dieser Punkte und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung herleitet ([X.], [X.]schluss vom 4. November 2015 - [X.], NJW-RR 2016, 80 Rn. 6; [X.]schluss vom 14. Juli 2016 - [X.], NJW-RR 2016, 1269 Rn. 7). Jedoch bestehen grundsätzlich keine besonderen formalen Anforderungen für die [X.]zeichnung der Umstände, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit ergeben. Insbesondere ist es ohne [X.]deutung, ob die Ausführungen des [X.]rufungsklägers schlüssig, hinreichend substantiiert und rechtlich haltbar sind ([X.], [X.]schluss vom 23. Oktober 2012 - [X.], [X.], 174 Rn. 10; [X.], NJW-RR 2016, 1269 Rn. 7). Die [X.]rufungsbegründung muss aber auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, lediglich auf das Vorbringen in der ersten Instanz zu verweisen. Erforderlich ist eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der [X.]rufungskläger weshalb bekämpft ([X.], [X.]schluss vom 20. Oktober 2015 - [X.], NJW-RR 2015, 1532 Rn. 8; [X.], NJW-RR 2016, 1269 Rn. 7).
2. Diesen Anforderungen genügt die [X.]rufungsbegründung der Klägerin. Sie setzt sich mit den die Klageabweisung als unzulässig tragenden Erwägungen des [X.]s in ausreichender Weise auseinander.
a) Die Klägerin hat in der [X.]rufungsbegründung ausgeführt, das [X.] habe die Klage rechtsfehlerhaft als unzulässig abgewiesen. Spätestens mit der nun beantragten Änderung des Rubrums durch Angabe des tatsächlichen Verwaltungssitzes in [X.], wo sich zwischenzeitlich auch ein Briefkasten und ein Türschild befänden, sei die Klage zulässig. Ob die in der Klageschrift angegebene Adresse [X.] eine ladungsfähige Anschrift im Sinne von § 130 Nr. 1 ZPO sei, könne insoweit dahinstehen. Die Klägerin sei aber weiterhin der Auffassung, dass es sich bei der im Handelsregister eingetragenen Geschäftsanschrift [X.]am Satzungssitz [X.]um eine ladungsfähige Anschrift handele. Auch an den Tagen, an denen die Klägerin die dort angemieteten Räumlichkeiten nicht nutze und ihr Geschäftsführer dort nicht anzutreffen sei, könnten ihr dort Klagen zugestellt werden. Dies sei durch die [X.]vollmächtigung der dort tätigen Mitarbeiter der [X.] sichergestellt. Auf den dortigen Geschäftssitz der Klägerin weise ein entsprechendes Firmenschild hin.
b) Mit diesen Ausführungen wendet sich die [X.]rufung in zulässiger Weise gegen die die Zurückweisung der Klage als unzulässig tragende [X.]urteilung des [X.]s, die Klägerin habe eine ladungsfähige Anschrift nicht dargelegt. Die Klägerin hat sich dabei weder auf formelhafte, austauschbare Wendungen noch auf einen bloßen Verweis auf erstinstanzlichen Vortrag beschränkt. Sie hat das Urteil des [X.]s auch nicht pauschal als rechtsfehlerhaft bezeichnet. Damit erfüllt die [X.]rufungsbegründung der Klägerin die Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO.
Die Klägerin hat in der [X.]rufungsbegründung geltend gemacht, sie habe durch [X.]vollmächtigung von Mitarbeitern des [X.] sichergestellt, dass ihr unter der Anschrift [X.]in [X.]stets Klagen zugestellt werden könnten; auf ihren dortigen Geschäftssitz weise auch ein entsprechendes Firmenschild hin. Die Klägerin hat sich damit gegen die Ansicht des [X.]s gewandt, der Kläger selbst - bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung also der Geschäftsführer - müsse an der angegebenen Adresse nicht nur irgendwann, sondern mit gewisser Wahrscheinlichkeit angetroffen werden, und es genüge nicht, wenn es etwa ein Büroservice übernehme, eingehende Sendungen entgegenzunehmen und weiterzuleiten. Damit hat die Klägerin die Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das [X.] ihrer Ansicht nach ergibt, und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ausreichend bezeichnet. Der insoweit maßgebliche Umstand ist die laut Klägerin tatsächliche Gewährleistung von Zustellungen durch [X.]auftragung der Mitarbeiter des [X.]. Die damit in der [X.]rufungsbegründung gerügte Rechtsverletzung durch das [X.] war für das angefochtene erstinstanzliche Urteil auch erheblich, weil die Klage nicht mangels Angabe einer [X.] Anschrift der Klägerin als unzulässig hätte abgewiesen werden dürfen, falls die Angabe der Geschäftsanschrift [X.]ausgereicht hätte.
Eine weitergehende, substantiierte Auseinandersetzung mit den [X.], die das [X.] nahezu vollständig aus einem Schriftsatz der [X.]klagten im Parallelverfahren [X.] übernommen hat, wäre in der [X.]rufungsbegründung zwar zweckmäßig gewesen, stellt jedoch entgegen der Ansicht des [X.]rufungsgerichts keinen für die Zulässigkeit der [X.]rufung zwingenden Inhalt der [X.]rufungsbegründung gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO dar. Insbesondere führt das Festhalten an einer im Urteil erster Instanz zurückgewiesenen Rechtsansicht auch dann nicht zur Unzulässigkeit der [X.]rufung, wenn in der [X.]rufungsbegründung lediglich bereits in erster Instanz vorgetragene rechtliche Argumente wiederholt werden. Ein unzulässiger Verweis nur auf das Vorbringen erster Instanz (vgl. [X.], Urteil vom 9. März 1995 - [X.], NJW 1995, 1560 [juris Rn. 8]; [X.], [X.], 174 Rn. 10) liegt darin nicht. Sinn der [X.]rufung ist es gerade, dem [X.]rufungskläger die Überprüfung der Rechtsansicht der ersten Instanz zu ermöglichen. Aus dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz ist das verfassungsrechtliche Gebot abzuleiten, dass formelle Anforderungen an die Einlegung eines Rechtsmittels im Zivilprozess nicht weiter gehen dürfen, als es durch ihren Zweck geboten ist (vgl. [X.] 88, 118, 124; [X.], NJW 1997, 2941). Das gilt auch für die Prüfung der Anforderungen an die Zulässigkeit der [X.]rufung gemäß § 522 ZPO (vgl. [X.]/[X.] aaO § 522 Rn. 2a).
IV. Danach hat das [X.]rufungsgericht die [X.]rufung rechtsfehlerhaft als unzulässig verworfen. Die Sache ist zur Entscheidung über die [X.]gründetheit des Rechtsmittels an das [X.]rufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
Für das wiedereröffnete [X.]rufungsverfahren gibt der Senat folgende Hinweise:
1. Mit [X.]schluss vom 30. November 2017 hat der Senat die Revision gegen das vom [X.]rufungsgericht im Verfahren 6 U 6/16 zwischen der Klägerin und der [X.]klagten zu 1 verkündete Urteil, das im vorliegenden Verfahren in [X.]zug genommen worden ist, im Hinblick auf die [X.]urteilung der Frage der ordnungsgemäßen Angabe einer [X.] Anschrift zugelassen. Verhandlungstermin für diese unter dem Aktenzeichen I ZR 257/16 geführte Revision ist auf den 28. Juni 2018 bestimmt worden.
2. Die Klägerin hat in der [X.]rufungsinstanz neu vorgetragen, für sie sei als ladungsfähige Anschrift in das Rubrum ihr Verwaltungssitz [X.]. Straße in [X.]. aufzunehmen, an dem sich nun auch ein Briefkasten und ein Türschild befänden. Entgegen der Ansicht des [X.]rufungsgerichts handelte es sich dabei nicht um nur nach Maßgabe des § 531 Abs. 2 ZPO zulässigen neuen Vortrag.
Die nach Ansicht des [X.]s fehlende Angabe einer [X.] Anschrift der Klägerin in der Klageschrift konnte noch in den Tatsacheninstanzen und damit durch entsprechenden Vortrag in der [X.]rufungsbegründung geheilt werden ([X.], Urteil vom 20. Mai 2011 - [X.], NJW 2011, 3237 Rn. 9). [X.]i der Angabe der [X.] Anschrift des [X.] handelt es sich um eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzung ([X.], Urteil vom 11. Dezember 2014 - [X.], [X.], 694 Rn. 13 - [X.]zugsquellen für [X.]chblüten). Daraus folgt, dass diesbezügliches Vorbringen vom [X.]rufungsgericht nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückgewiesen werden kann (vgl. [X.], Urteil vom 4. Mai 2004 - [X.], [X.]Z 159, 94, 98 f. [juris Rn. 16]; [X.], [X.], 269 Rn. 13; [X.]/[X.], ZPO, 32. Aufl., § 56 Rn. 2). Die Klägerin konnte ihre [X.]rufung daher auch darauf stützen, dass sie zumindest nunmehr eine ladungsfähige Anschrift in der [X.]. Straße in [X.]. habe.
Ob dieser Vortrag zutraf, war für die Zulässigkeit der [X.]rufung ohne [X.]deutung. Die Angabe der [X.] Anschrift des [X.]rufungsklägers ist keine Voraussetzung für die Zulässigkeit der [X.]rufung ([X.]Z 102, 332, 333 [juris Rn. 6]). Ob die Klägerin, wie vorgetragen, eine ladungsfähige Anschrift in der [X.]. Straße in [X.]. hatte, war vom [X.]rufungsgericht vielmehr erst auf der Stufe der [X.]gründetheit der [X.]rufung zu prüfen.
Soweit das [X.]rufungsgericht ausführt, aus dem Verfahren 6 U 6/16, das einen Streit derselben Parteien über dieselbe Werbung betrifft, sei ihm lediglich das (bestrittene) tatsächliche Vorbringen der Klägerin zu einem Geschäftssitz in der [X.]. Straße in [X.]. bekannt, konnte dies nicht zur Unbeachtlichkeit dieses Vortrags im vorliegenden [X.]rufungsverfahren führen, sondern allenfalls zur Erforderlichkeit einer [X.]weisaufnahme zu dieser Frage.
Koch |
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Schaffert |
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[X.] |
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Löffler |
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Schwonke |
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Meta
07.06.2018
Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat
Beschluss
Sachgebiet: ZB
vorgehend OLG Köln, 4. Mai 2017, Az: I-6 U 172/16
§ 520 Abs 3 S 2 Nr 2 ZPO
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.06.2018, Az. I ZB 57/17 (REWIS RS 2018, 8149)
Papierfundstellen: MDR 2018, 1230-1231 REWIS RS 2018, 8149
Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.
Bundesgerichtshof, I ZB 57/17, 07.06.2018.
Oberlandesgericht Köln, 6 U 172/16, 04.05.2017.
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
I ZB 57/17 (Bundesgerichtshof)
6 U 172/16 (Oberlandesgericht Köln)
I ZR 257/16 (Bundesgerichtshof)
Ladungsfähige Anschrift bei juristischer Person des Privatrechts - Anschrift des Klägers
VIII ZR 262/20 (Bundesgerichtshof)
Angabe einer ladungsfähigen Anschrift des Klägers in der Klageschrift: Verwendung der c/o-Adresse einer Stiftung
V ZR 210/22 (Bundesgerichtshof)
Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift bei Klageerhebung