Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.04.2000, Az. II ZR 194/98

II. Zivilsenat | REWIS RS 2000, 2624

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[X.] DES VOLKESVERSÄUMNIS-URTEIL[X.]Verkündet am:3. April 2000BoppelJustizamtsinspektorals Urkundsbeamterder Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:nein[X.]R: neinBGB §§ 133 B, [X.]; ZPO § 539Zur [X.]) der interessengerechten Auslegung eines Individualvertrages,b) eines wesentlichen Verfahrensmangels.- 2 -[X.], [X.]eil vom 3. April 2000 - [X.] - [X.] OLGLG [X.]- 3 -Der I[X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] durch [X.] h.c. Röhricht und [X.] [X.], Prof. Dr. [X.], [X.] und [X.] Recht erkannt:Auf die Revision der Klägerin wird das [X.]eil des [X.] [X.] vom 20. November 1997im Kostenpunkt und in [X.], 1 c und 1 d sowie [X.].Die Berufung des [X.]n gegen das Grundurteil des Landge-richts in [X.] vom 17. Februar 1997 wird auch insoweitzurückgewiesen.Der [X.] trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.Von Rechts [X.]:Der [X.], Eigentümer des Grundstücks [X.] in [X.],führte unter verschiedenen Firmen eine Aluminiumgießerei. Am 15. Juli 1991schloß er mit der Klägerin eine Vereinbarung, mit der diese sich verpflichtete,die ausdrücklich so bezeichnete "A. & Co." zu- 4 -gründen und anzumelden. Festgelegt wurde, daß "eine persönliche Haftung"der Klägerin für alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten ausge-schlossen war und die Geschäftsführung bei dem [X.]n "in Zusammenar-beit und Abstimmung mit [X.]als Vertreter der [X.]" liegen sollte. Die Klägerin sollte ein monatliches Entgelt von2.000,-- DM brutto erhalten.Die Klägerin macht geltend, es seien Verbindlichkeiten in Höhe von123.919,36 DM und "Treuhandgebühren" in Höhe von 21.817,-- DM entstan-den. Das [X.] hat zunächst ein Versäumnisurteil erlassen, es auf [X.] des [X.]n aber aufgehoben und durch "Grundurteil" erkannt,daß der [X.] verpflichtet sei, die Klägerin von [X.] Verbindlichkeiten, diedurch die Geschäftstätigkeit der [X.] wurden, freizustellen (Tenor 2), ferner festgestellt, daß der [X.]verpflichtet sei, der Klägerin die weiteren, aufgrund der bestehenden [X.] anf[X.]den Kosten zu erstatten (Tenor 3), und den [X.]n au-ßerdem verpflichtet, der Klägerin ein monatliches Entgelt für die Zusammenar-beit zu zahlen (Tenor 4). Auf die Berufung des [X.]n hat das [X.] dieses [X.]eil abgeändert, es als "Grund- und Teilurteil" bezeichnet (Te-nor 1 a), es in Nr. 2 des Tenors dahingehend abgeändert, daß die Klage hin-sichtlich der in der mit dem Versäumnisurteil fest verbundenen Anlage ge-nannten Verbindlichkeiten dem Grunde nach gerechtfertigt ist, soweit diesedurch die Geschäftstätigkeit der [X.] undmit Zustimmung des [X.]n begründet wurden (Tenor 1 b), Nr. 3 des Te-nors dahingehend abgeändert, daß festgestellt wird, daß der [X.] ver-pflichtet ist, der Klägerin bei den unter [X.] des Tenors genannten [X.] auch die zukünftig anf[X.]den Kosten zu erstatten (Tenor 1 c), Nr. 4des Tenors einschließlich des ihm insoweit zugrundeliegenden Verfahrens- 5 -aufgehoben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entschei-dung an das [X.] zurückverwiesen (Tenor 1 d). Im übrigen hat es dieBerufung des [X.]n zurückverwiesen. Mit der Revision beantragt die Klä-gerin, das angefochtene [X.]eil aufzuheben, soweit es in [X.] des Tenors [X.] nur insoweit für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt als die [X.] mit Zustimmung des [X.]n begründet wurden, soweit es inNr. 1 c des Tenors den Feststellungsausspruch in gleicher Weise beschränktund soweit es in [X.] ein kassotorisches [X.]eil erlassen hat.Entscheidungsgründe:[X.] der [X.] im Verhandlungstermin trotz dessen rechtzeitiger Be-kanntgabe nicht vertreten war, ist über die Revision der Klägerin durch [X.] zu entscheiden (§§ 557, 331 ZPO). Das [X.]eil beruht jedoch nichtauf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung ([X.]Z 37, 79, 82).B.Die zulässige Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des [X.] und zur Wiederherstellung des landgerichtlichen [X.]eils.[X.] Das Berufungsgericht beschränkt in [X.] und 1 c seines [X.]eil-stenors die Haftung des [X.]n auf Verbindlichkeiten, die mit dessen Zu-stimmung begründet wurden. Dies ergebe die Auslegung der Vereinbarungvom 15. Juli 1991. Schon der Wortlaut dieser Vereinbarung lege nahe, daß dieVereinbarung für ausschließlich durch die Klägerin oder durch [X.]als deren- 6 -Vertreter begründete Verbindlichkeiten keine Geltung beanspruche. Hierfürspreche auch Sinn und Zweck der Abrede. Die Klägerin habe des [X.] vor sich noch vor dem Zeugen C. , der "als Vertreter der S. E. [X.] " erkennbar ihr Vertrauen genossen habe, bedurft. [X.] es keine Anhaltspunkte dafür, daß und warum sich der [X.] ver-pflichtet haben sollte, die Klägerin von [X.], auch ohne sein Wissen begrün-deten Verbindlichkeiten freizustellen und ihr und dem Zeugen [X.]damit ge-stattet haben sollte, ohne jedes wirtschaftliche Risiko frei "zu schalten und zuwalten". Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg.1. Zutreffend weist die Revision darauf hin, der [X.] habe nicht sub-stantiiert behauptet, daß der Vater der Klägerin als ihr Vertreter Geschäftsfüh-rungsmaßnahmen für das Unternehmen der Klägerin vorgenommen habe, [X.] den streitgegenständlichen Verbindlichkeiten der Klägerin geführt hätten.Soweit der Vater der Klägerin Verbindlichkeiten zu Lasten der [X.] hat, die in keiner Beziehung zu dem von ihr als Strohfrau geführtenBetrieb standen, wären diese von dem Grundurteil des [X.]s ohnehinnicht erfaßt.2. Unterstellt man einen substantiierten Vortrag des [X.]n, würde fürdie von dem Berufungsgericht vorgenommene Einschränkung des Grundurteilstrotzdem kein Anlaß bestehen.a) Die Auslegung eines Individualvertrages wie der Vereinbarung vom15. Juli 1991 ist zwar grundsätzlich Sache des Tatrichters; das Revisionsge-richt prüft nur nach, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsre-geln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Aus-legungsstoff außer acht gelassen wurde (st. Rspr., vgl. [X.], [X.]. v. 6. Mai- 7 -1997 - [X.], [X.], 879, 882; v. 23. April 1998 - [X.]/97,[X.], 1493, 1494).b) Diese Prüfung ergibt, daß die Auslegung des [X.] Bestand haben kann.aa) Nach der Vereinbarung vom 15. Juli 1991 haben die [X.]en [X.], der Vater der Klägerin werde zur Unterstützung des [X.]n in [X.] mitwirken. Die [X.]en sind also davon ausgegangen, [X.] der Klägerin könne zur Unterstützung des [X.]n als Vertreter Ge-schäftsführungsmaßnahmen treffen. Trotzdem hat der [X.] mit der Kläge-rin vereinbart, daß sie keinerlei persönliche Haftung aus der [X.] und -fortführung treffen sollte, sondern er im Innenverhältnis alleinhafte, ohne daß nach dem für den Betrieb Handelnden differenziert wird. [X.] das Berufungsgericht den Grundsatz verletzt, daß in erster Linie der vonden [X.]en gewählte Wortlaut und der dem Wortlaut zu entnehmende objek-tiv erklärte [X.]willen zu berücksichtigen ist (vgl. etwa [X.], [X.]. v.27. November 1997 - [X.], [X.], 900, 901 m.w.N.).bb) Die von dem [X.] vorgenommene Auslegung der Vereinba-rung vom 15. Juli 1991 entspricht - im Gegensatz zu der von dem Berufungsge-richt getroffenen Auslegung - auch dem Grundsatz der beiderseits interessen-gerechten Auslegung (vgl. [X.]Z 137, 69, 72; [X.].[X.]. v. 26. Januar 1998- II ZR 243/96, [X.], 714, 715; v. 16. März 1998 - [X.], [X.],1131, 1132).Aus der in dem Vertrag enthaltenen Vergütungsregelung sowie aus derBestimmung, die Geschäftsführung verbleibe wie bisher bei dem [X.]n,folgt, daß der Vater der Klägerin im Interesse des [X.]n bei der [X.] -rung des Betriebes durch die Klägerin tätig werden sollte. Deshalb entspraches auch dem wohlverstandenen Interesse des [X.]n - und nicht nur [X.] Klägerin -, daß der [X.] die Klägerin von Verbindlichkeiten freizustel-len hatte, die der Vater der Klägerin für die Einzelfirma in Zusammenarbeit mitdem [X.]n begründet hat. Soweit der [X.] durch Maßnahmen [X.] der Klägerin einen Schaden erlitten haben will, muß er sich an diesenhalten. Soweit das Berufungsgericht auf von der Klägerin selber begründeteVerbindlichkeiten abstellt, übersieht es, daß es unstreitig ist, daß die [X.] keiner Weise für das Unternehmen tätig geworden ist.c) Da keine weiteren Tatsachenfeststellungen zu treffen sind, kann dererkennende [X.]at die Vereinbarung vom 15. Juli 1991 selber auslegen [X.] landgerichtliche [X.]eil wiederherstellen.I[X.] Mit Erfolg rügt die Revision weiterhin, daß das Berufungsgericht dasGrundurteil des [X.]s hinsichtlich des geltend gemachten Gehaltsan-spruchs aufgehoben und die Sache gemäß § 539 ZPO an das [X.] zu-rückverwiesen hat.1. Die Vorschrift des § 539 ZPO, die eine Ausnahme von der Verpflich-tung zu der dem Berufungsgericht in § 537 ZPO aufgegebenen erneuten voll-ständigen Verhandlung und Entscheidung der Sache enthält, ist eng auszule-gen. Deshalb ist anhand eines strengen Maßstabes zu prüfen, ob ein Verfah-rensmangel vorliegt, bevor die Sache zurückverwiesen wird (vgl. etwa [X.],[X.]. v. 10. Dezember 1996 - [X.], NJW 1997, 1447 m.w.N.). [X.] Berufungsgericht [X.] materiell-rechtlich anders als das Erst-gericht, etwa indem es abweichende Anforderungen an die Schlüssigkeit [X.] stellt, und wird infolgedessen eine Beweisaufnahme erfor-derlich, liegt kein zur Aufhebung des [X.]eils und zur Zurückverweisung der [X.] 9 -che [X.] wesentlicher Verfahrensfehler vor ([X.].[X.]. v. 7. Juni 1993- II ZR 141/92, NJW 1993, 2318, 2319; [X.], [X.]. v. 10. Dezember 1996- [X.], NJW 1997, 1447 f. m.w.[X.] Danach liegt kein Verfahrensfehler vor. Das Berufungsgericht beurteiltallein die Wahrscheinlichkeit des [X.]vortrags des [X.]n anders als das[X.] und meint deshalb, der [X.] habe als [X.] vernommen wer-den müssen.3. Der [X.]at kann auch hier in der Sache selber entscheiden und daslandgerichtliche [X.]eil wiederherstellen.a) Nach der Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.]. v.31. Januar 1996 - [X.], [X.], 882, 823) kann dem Revisionsge-richt schon aus Gründen der [X.] eine eigene Sachentscheidungnicht verwehrt sein, wenn die im Rahmen des § 539 ZPO anzustellende [X.] ergibt, daß die materiell-rechtliche Untersuchung der Beziehungen der[X.]en zu einem endgültigen und abschließenden Ergebnis führt.b) So liegt der Fall hier. Die Voraussetzungen für eine [X.]verneh-mung des [X.]n von Amts wegen nach § 448 ZPO sind nicht gegeben.Auch das Berufungsgericht geht davon aus, daß die Gehaltsabsprache zwi-schen den [X.]en [X.] gemeint war. Dies ergibt sich schon im [X.] der Vereinbarung eines Pachtzinses, die ausdrücklich als lediglich "pro for-ma" erfolgt bezeichnet wird. Damit oblag dem [X.]n die Darlegungs- undBeweislast für die Erfüllung der Gehaltsforderungen der Klägerin. Hierzu hatder [X.] substantiiert nichts vorgetragen. Soweit er darlegt, er habe [X.] der Klägerin immer wieder in die neuen Bundesländer Bargeld [X.] 10 -der Vater der Klägerin habe sich "weidlich bedient", besagt dies über die Er-füllung der Gehaltsforderungen der Klägerin nichts.RöhrichtHesselberger[X.] Kurzwelly Kraemer

Meta

II ZR 194/98

03.04.2000

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.04.2000, Az. II ZR 194/98 (REWIS RS 2000, 2624)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 2624

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