Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.03.2015, Az. XII ZB 621/14

12. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 13428

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Gegenstand

Verlängerungsverfahren in einer Betreuungssache: Beschwerdeberechtigung des Betreuers gegen seine Entlassung bei getrennten Beschlüssen des Betreuungsgerichts über einen Betreuerwechsel und die Verlängerung der Betreuung; Voraussetzungen für die Betreuerbestellung einer anderen als der vom Betroffenen vorgeschlagenen Person wegen Eignungsmängeln


Leitsatz

1. Dem Betreuer steht gegen seine Entlassung bei fortbestehender Betreuung eine Beschwerdeberechtigung gemäß § 59 Abs. 1 FamFG zu.

2. Die im Verfahren der Verlängerung der Betreuung ohne erkennbaren Grund vorgenommene Aufspaltung der zu treffenden Einheitsentscheidung in einen Beschluss über den Betreuerwechsel und einen Beschluss über die Verlängerung der Betreuung führt nicht dazu, dass es dem entlassenen Betreuer an der Beschwerdeberechtigung fehlt oder dass die Rechtsbeschwerde nur mit Zulassung statthaft ist.

3. Für die Bestellung einer anderen als der vom Betroffenen vorgeschlagenen Person als Betreuer wegen Eignungsmängeln des Vorgeschlagenen müssen Erkenntnisse vorliegen, die geeignet sind, einen das Wohl des Betroffenen gefährdenden Eignungsmangel auch für die Zukunft und bezogen auf den von der Betreuung umfassten Aufgabenkreis zu begründen.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerden der Betroffenen und des weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der [X.] des [X.] vom 22. Oktober 2014 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.

Wert: 5.000 €

Gründe

A.

1

Die 91-jährige Betroffene leidet unter einer mittelschweren Demenz. Ende 2011 bat die Leitung des Pflegeheimes, in dem die Betroffene wohnt, das Amtsgericht um Genehmigung einer freiheitsentziehenden Maßnahme in Form eines Rollstuhlgurtes. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anhörung der Betroffenen bestellte das Amtsgericht mit Beschluss vom 21. Februar 2012 den [X.] der Betroffenen (Beteiligten zu 1), dem die Betroffene im November 2008 eine Vorsorgevollmacht erteilt und den sie in diesem Schriftstück auch als zu bestellenden Betreuer bezeichnet hatte, zum Betreuer mit dem Aufgabenkreis "Aufenthaltsbestimmung". Als Überprüfungsfrist für die Betreuung war der 20. Februar 2013 genannt. Ebenfalls mit Beschluss vom 21. Februar 2012 genehmigte das Amtsgericht die Einwilligung des Betreuers in das Anlegen eines Bauchgurtes im Rollstuhl bis zum 20. Februar 2013.

2

Ende Juli 2012 beschwerte sich das Pflegeheim gegenüber dem Amtsgericht darüber, dass der Beteiligte zu 1 sich in finanzieller und gesundheitlicher Hinsicht nur unzureichend um die Belange der Betroffenen kümmere. In einem Anhörungstermin im Oktober 2012 erklärte der Beteiligte zu 1 die Versäumnisse mit seiner beruflichen Belastung, jetzt aber sei alles erledigt. In der Folgezeit erfolgten keine Beanstandungen durch das Pflegeheim mehr.

3

Mit Schreiben vom 25. Februar 2013 hat das Amtsgericht beim Beteiligten zu 1 und beim Pflegeheim angefragt, ob es einer Verlängerung von Betreuung und Fixierungsgenehmigung bedürfe. Nachdem das Pflegeheim dies Anfang März 2013 bejaht hatte, hat das Amtsgericht ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt und die Betroffene im Beisein des Beteiligten zu 1 am 26. Juni 2013 angehört. Im [X.] an diese Anhörung hat das Amtsgericht zwei Beschlüsse erlassen: Zum einen hat es den Beteiligten zu 1 als Betreuer entlassen und an seiner Stelle den Beteiligten zu 2, einen Berufsbetreuer, zum neuen Betreuer bestellt. Zum anderen hat es die nunmehr vom Beteiligten zu 2 geführte Betreuung verlängert und als Überprüfungszeitpunkt den 25. Juni 2020 bestimmt. Schließlich hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 11. Juli 2013 auf Antrag des neuen Betreuers dessen Einwilligung in die Anbringung eines Stecktisches am Rollstuhl der Betroffenen für zwei Jahre genehmigt.

4

Der Beteiligte zu 1 hat gegen den vorgenommenen [X.] sowie im Namen der Betroffenen gegen die Verlängerungsentscheidung (beschränkt auf die [X.]) Beschwerden eingelegt, die das Beschwerdegericht verworfen bzw. zurückgewiesen hat. Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 1 im eigenen Namen und namens der Betroffenen mit der Rechtsbeschwerde.

B.

5

[X.] sind zulässig und begründet.

6

I. Sowohl die vom Beteiligten zu 1 im eigenen Namen als auch die von ihm namens der Betroffenen eingelegte Rechtsbeschwerde ist zulässig.

7

1. Beide Rechtsbeschwerden sind gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG zulassungsfrei statthaft.

8

Die in dieser Vorschrift genannten Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers im Sinne der §§ 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 271 Nr. 1 FamFG sind Verfahren nach § 1896 BGB. Dabei kann es sich sowohl um ein Erstverfahren als auch um ein [X.] handeln, für das § 295 Abs. 1 FamFG eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über die erstmalige Anordnung dieser Maßnahme anordnet (vgl. [X.]/[X.] FamFG 18. Aufl. § 295 Rn. 1). Demgegenüber ist die Rechtsbeschwerde in einem Verfahren, in dem eine isolierte Entscheidung über einen [X.] nach Maßgabe des § 1908 b BGB erfolgt, nur bei Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 9. Februar 2011 - [X.] 364/10 - FamRZ 2011, 632 Rn. 8 f. und vom 29. Juni 2011 - [X.] 65/11 - FamRZ 2011, 1393 Rn. 7 f.).

9

Im vorliegenden Fall hat das Amtsgericht am Ende des erstinstanzlichen [X.]s zwar den [X.] mit einem von der Verlängerungsentscheidung getrennten Beschluss vorgenommen. Unabhängig davon, dass Gegenstand der Beschwerdeentscheidung ohnehin auch die [X.] im Rahmen der Verlängerung war, führt die durch das Amtsgericht ohne erkennbaren Grund vorgenommene Aufspaltung in zwei Beschlüsse mit gleichem Datum nicht dazu, dass derjenige über den [X.] außerhalb des [X.]s ergangen wäre.

Dass die Rechtsbeschwerden sich nicht gegen die Verlängerung, sondern gegen den [X.] bzw. die Entscheidung über die Auswahl der [X.] richten, ist unschädlich, weil es sich um eine zulässige Teilanfechtung der die Verlängerung der Betreuung und Bestellung eines Betreuers umfassenden Einheitsentscheidung handelt (Senatsbeschluss vom 15. September 2010 - [X.] 166/10 - FamRZ 2010, 1897 Rn. 10; vgl. auch Senatsbeschluss vom 20. August 2014 - [X.] 205/14 - FamRZ 2014, 1916 Rn. 3).

2. Der Beteiligte zu 1 hat hier als Vorsorgebevollmächtigter wirksam gemäß § 303 Abs. 4 Satz 1 FamFG Rechtsbeschwerde im Namen der Betroffenen eingelegt. Zwar muss nach dieser Vorschrift durch die Entscheidung, gegen die der Vorsorgebevollmächtigte sich namens des Betroffenen wenden will, sein Aufgabenkreis betroffen sein. Dies ist hier jedoch der Fall, auch wenn die Betroffene den Beteiligten zu 1 nicht zur Entscheidung über freiheitsentziehende Maßnahmen bevollmächtigt hat. Denn der von der angeordneten Betreuung erfasste Aufgabenkreis beschränkt sich nicht hierauf, sondern umfasst die Aufenthaltsbestimmung insgesamt. Die Betroffene hat ihren [X.] aber ausdrücklich bevollmächtigt, über ihren Aufenthalt zu bestimmen.

Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 1 für das Verfahren der Rechtsbeschwerde folgt bereits daraus, dass seine Erstbeschwerde erfolglos geblieben ist (vgl. Senatsbeschluss vom 5. November 2014 - [X.] 117/14 - FamRZ 2015, 249 Rn. 4 mwN).

II. [X.] sind auch begründet. Sie führen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

1. Dieses hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen seine Entlassung aus dem Betreueramt und die Bestellung des [X.] sei schon unzulässig. Zwar könne ein Betreuer grundsätzlich gegen seine Entlassung mit der Beschwerde vorgehen. Das Verfahren habe sich jedoch durch den weiteren Beschluss vom selben Tag über die Verlängerung der nun vom Beteiligten zu 2 geführten Betreuung erledigt. Denn die bisherige Betreuerbestellung sei insgesamt abgelöst worden. Ziel einer Beschwerde gegen den die Entlassung aussprechenden Beschluss habe nur sein können, den Beteiligten zu 1 wieder zum Betreuer gemäß dem Beschluss vom 21. Februar 2012 zu bestellen, der aber nicht mehr Grundlage der jetzt bestehenden Betreuung sei. Ein Antrag nach § 62 FamFG sei nicht gestellt; zudem fehlte es einem solchen am Rechtsschutzbedürfnis. Selbst wenn man aber die Beschwerde des Beteiligten zu 1 für zulässig halte, sei sie aus den Gründen, derentwegen die Beschwerde der Betroffenen zurückzuweisen sei, unbegründet.

Die für die Betroffene durch den Beteiligten zu 1 als [X.] und [X.] eingelegte Beschwerde sei zulässig, aber unbegründet. Für die Verlängerung der Betreuung gölten die Vorschriften über die erstmalige Anordnung der Maßnahme entsprechend, so dass § 1897 BGB der Maßstab für die [X.] sei. Die Vorsorgevollmacht stelle unabhängig davon, dass sie keine Bevollmächtigung für den hier fraglichen Bereich der Freiheitsentziehung im Rahmen der Aufenthaltsbestimmung enthalte, einen Betreuervorschlag dar. Ein solcher könne nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn die konkrete Gefahr bestehe, dass der Vorgeschlagene die Betreuung nicht zum Wohl des Betroffenen führe. Das sei hier der Fall. Bereits Ende 2012 hätten sich Zweifel an der Eignung des Beteiligten zu 1 ergeben. Er habe es zu erheblichen Zahlungsrückständen insbesondere gegenüber Ärzten kommen lassen, eine zahnärztliche Behandlung der Betroffenen sei unterblieben und er habe nicht auf entsprechende Anfragen von Pflegeheim und Gericht geantwortet. Das Amtsgericht habe lediglich von einem [X.] abgesehen, nachdem es nach dem Anhörungstermin nicht mehr zu weiteren Beanstandungen durch das Pflegeheim gekommen sei. Indem der Beteiligte zu 1 diese Vorgänge als unberechtigte Disziplinierung ansehe, lasse er keinerlei Einsicht erkennen.

Auch wenn zugunsten des Beteiligten zu 1 davon ausgegangen würde, dass er auf die Verlängerungsanfrage des Amtsgerichts geantwortet habe, habe er massiv gegen seine Pflichten als Betreuer verstoßen, indem er die Betroffene in Absprache mit dem Pflegeheim auch nach dem Ende der gerichtlich genehmigten [X.] durch einen Bauchgurt habe fixieren lassen. Sein Erklärungsversuch, er habe an einen Automatismus geglaubt, sei als bloße Schutzbehauptung zu werten. Ein ernsthaftes Problembewusstsein für sein gravierendes Fehlverhalten habe der Beteiligte zu 1 erneut nicht an den Tag gelegt. Dies sei umso bemerkenswerter, als er sich als sehr kritikfähig bezüglich des Verhaltens anderer Akteure gezeigt und hervorgehoben habe, dass er "kein funktionierendes Rädchen in der [X.]" sein werde. Die Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens diene gerade dem Schutz der Betroffenen, und durch die genehmigungslose Anordnung der weiteren Fixierung unter Umgehung der Verfahrensrechte der Betroffenen habe er die Freiheitsrechte verletzt, die er zu schützen vorgebe. Insgesamt sei das Gericht davon überzeugt, dass bei einer Bestellung des Beteiligten zu 1 die konkrete Gefahr bestehe, dass er die Betreuung nicht zum Wohl der Betroffenen führen könne oder wolle. Diese Überzeugung folge aus den festgestellten Versäumnissen als Bevollmächtigter und Betreuer, von denen sich der Beteiligte zu 1 nicht überzeugend distanziert habe. Mit einer nachhaltigen Änderung seines Verhaltens und einer hinreichenden Kooperation mit dem Betreuungsgericht sei nicht zu rechnen.

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Das Beschwerdegericht hat die gegen den [X.] gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 1 zu Unrecht als unzulässig verworfen.

aa) Zutreffend hat es allerdings erkannt, dass dem Betreuer gegen seine Entlassung bei fortbestehender Betreuung eine Beschwerdeberechtigung gemäß § 59 Abs. 1 FamFG zusteht, weil er hierdurch in seinen Rechten beeinträchtigt ist ([X.], vgl. nur [X.]/[X.] FamFG 18. Aufl. § 303 Rn. 6; [X.]/[X.] FamFG 18. Aufl. § 59 Rn. 76 mit zahlreichen Nachweisen aus der obergerichtlichen Rspr. zu § 20 Abs. 1 [X.]; [X.] Betreuungsrecht [Stand: 1. Juni 2010] § 303 Rn. 22; MünchKommFamFG/[X.] 2. Aufl. § 303 Rn. 16; Prütting/[X.]/[X.] FamFG 3. Aufl. § 303 Rn. 42).

bb) Demgegenüber ist die Auffassung des [X.], der [X.] habe sich durch die nachfolgende Verlängerungsentscheidung erledigt, rechtsfehlerhaft.

Zwar handelt es sich bei einer Verlängerungsentscheidung um die erneute Anordnung einer Betreuung einschließlich der Entscheidung über die Person des Betreuers, auch wenn der bisherige Betreuer bestellt wird. Die bisherige Betreuung und damit die Bestellung des bisherigen Betreuers enden mit der Wirksamkeit der Verlängerungsentscheidung und werden durch die in dieser getroffenen Anordnungen abgelöst (Senatsbeschluss vom 15. September 2010 - [X.] 166/10 - FamRZ 2010, 1897 Rn. 17).

Der vom Beschwerdegericht hieraus gezogene Schluss, damit sei die in dem Beschluss über den [X.] getroffene Auswahlentscheidung erledigt und daher für den entlassenen Betreuer im Beschwerdeverfahren allenfalls eine Entscheidung nach § 62 FamFG möglich, ist aber nicht berechtigt. Das Amtsgericht befand sich im [X.], an dessen Ende eine Einheitsentscheidung über den Betreuungsumfang, die Person des Betreuers und die Überprüfungsfrist oder aber die Entscheidung steht, dass es keiner Betreuung mehr bedarf. Enthält diese Entscheidung bei fortbestehender Betreuung eine Entlassung des bisherigen Betreuers, so steht diesem hiergegen die Beschwerde aus eigenem Recht offen. Dieses Beschwerderecht kann nicht dadurch vereitelt werden, dass das Gericht die einheitlich am Ende des [X.]s zu treffende Entscheidung auf zwei Beschlüsse verteilt und allein durch seine Verfahrensgestaltung ein die Betreuerentlassung erledigendes Ereignis schafft. Der Anspruch des Beteiligten zu 1 auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) gebietet es daher, die so aufgespaltene Entscheidung [X.] als einheitliche Verlängerungsentscheidung anzusehen. Eine Ausnahmekonstellation, in der das Betreuungsgericht gegebenenfalls bereits vor Abschluss des [X.]s über einen [X.] befinden muss, lag hier ersichtlich nicht vor.

b) Auch die Erwägungen des [X.] zur Begründetheit der Beschwerden und damit zu der vom Amtsgericht getroffenen Auswahlentscheidung sind rechtsfehlerhaft.

aa) Keinen rechtlichen Beanstandungen unterliegt allerdings der Ausgangspunkt des [X.], wonach Maßstab der [X.] nicht nur bei der Erstentscheidung, sondern auch bei einer Verlängerung der Betreuung § 1897 BGB darstellt. Dies folgt aus dem Rechtscharakter der Verlängerungsentscheidung als erneute vollständige Einheitsentscheidung über die Betreuung und ergibt sich aus § 295 Abs. 1 Satz 1 FamFG, nach dem für die Verlängerung der Bestellung eines Betreuers die Verfahrensvorschriften über die erstmalige Anordnung dieser Maßnahme entsprechend gelten. Die Vorschrift des § 1908 b Abs. 1 BGB, die die Voraussetzungen regelt, unter denen ein Betreuer entlassen werden kann, ist in diesen Fällen nicht einschlägig, sondern nur anwendbar, wenn bei fortbestehender Betreuung eine isolierte Entscheidung über die Beendigung des Amtes des bisherigen Betreuers getroffen werden soll (Senatsbeschlüsse vom 15. September 2010 - [X.] 166/10 - FamRZ 2010, 1897 Rn. 17 mwN und vom 17. September 2014 - [X.] 220/14 - FamRZ 2014, 1998 Rn. 20).

bb) Ebenfalls zutreffend hat das Beschwerdegericht erkannt, dass die Betroffene im Zusammenhang mit der Erteilung der Vorsorgevollmacht auch eine Betreuungsverfügung des Inhalts abgegeben hat, dass ihr [X.], der Beteiligte zu 1, als Betreuer bestellt werden soll, falls trotz Vollmachterteilung eine Betreuung erforderlich werden sollte. Die Betreuungsverfügung ist bereits ihrem Wortlaut nach nicht auf bestimmte Aufgabenkreise oder (nur) den von der Vollmacht umfassten Aufgabenkreis beschränkt. Darüber hinaus bezieht sich die Vorsorgevollmacht auch auf die Aufenthaltsbestimmung, so dass die Betreuungsverfügung selbst bei Annahme einer derartigen Beschränkung für den von der Betreuung umfassten Aufgabenkreis maßgeblich wäre.

Dieser Jahre vor Einleitung des Betreuungsverfahrens erfolgte Betreuervorschlag der Betroffenen ist gemäß § 1897 Abs. 4 Satz 3 BGB zu berücksichtigen, weil - wie das Beschwerdegericht festgestellt hat - nicht erkennbar ist, dass sie nicht mehr daran festhalten will.

cc) Wie das Beschwerdegericht weiter richtig gesehen hat, gelangt daher § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB zur Anwendung. Diese Vorschrift räumt dem Tatrichter bei der Auswahl des Betreuers kein Ermessen ein. Es ist die Person zum Betreuer zu bestellen, die der Betroffene wünscht. Der Wille des Betroffenen kann nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn die Bestellung der vorgeschlagenen Person seinem Wohl zuwiderläuft. Dies setzt voraus, dass sich aufgrund einer umfassenden Abwägung aller relevanten Umstände Gründe von erheblichem Gewicht ergeben, die gegen die Bestellung der vorgeschlagenen Person sprechen. Es muss die konkrete Gefahr bestehen, dass der Vorgeschlagene die Betreuung des Betroffenen nicht zu dessen Wohl führen kann oder will (Senatsbeschlüsse vom 15. September 2010 - [X.] 166/10 - FamRZ 2010, 1897 Rn. 20, vom 14. August 2013 - [X.] 206/13 - NJW-RR 2013, 1473 Rn. 8 und vom 17. September 2014 - [X.] 220/14 - FamRZ 2014, 1998 Rn. 21).

Die Annahme einer solchen konkreten Gefahr beruht auf einer Prognoseentscheidung des Gerichts, für die dieses sich naturgemäß auf Erkenntnisse stützen muss, die in der - näheren oder auch weiter zurückliegenden - Vergangenheit wurzeln. Soweit es um die Eignung der vorgeschlagenen Person geht, müssen diese Erkenntnisse geeignet sein, einen das Wohl des Betroffenen gefährdenden [X.] auch für die Zukunft und bezogen auf den von der Betreuung umfassten Aufgabenkreis zu begründen.

dd) Gemessen hieran kann die Entscheidung des [X.], den Beteiligten zu 1 entgegen dem von der Betroffenen geäußerten Vorschlag nicht (mehr) zum Betreuer zu bestellen, keinen Bestand haben.

(1) Die Erwägungen des [X.] im Zusammenhang mit den Vorgängen in der zweiten Jahreshälfte 2012 sind nicht geeignet, die konkrete Gefahr zu begründen, dass der Beteiligte zu 1 die Betreuung nicht zum Wohl der Betroffenen führen kann oder will.

Die dahin gehende Annahme des [X.] trifft für die vom Pflegeheim im Juli 2012 monierten Umstände schon deshalb auf Bedenken, weil sie sich jeweils auf Aufgaben (finanzielle Angelegenheiten, Gesundheitsfürsorge) beziehen, die nicht von der Betreuung erfasst sind. Vor allem ist es aber nach den Feststellungen des [X.] nach einem entsprechenden Gespräch im Oktober 2012 insoweit zu keinerlei Beanstandungen mehr gekommen. Mithin fehlt es insoweit an einer ausreichenden Grundlage für eine negative Eignungsprognose.

(2) Die Ausführungen des [X.] im Zusammenhang mit der genehmigungslosen Fixierung der Betroffenen über den 20. März 2013 hinaus lassen zum Nachteil des Beteiligten zu 1 wesentliche Umstände außer Betracht und können die entgegen dem Betreuervorschlag der Betroffenen vorgenommene [X.] nicht begründen.

Zwar stellt es zweifelsfrei eine Pflichtverletzung des Betreuers dar, wenn er verabsäumt, für eine freiheitsentziehende Maßnahme [X.]. § 1906 Abs. 4 BGB die gerichtliche Genehmigung einzuholen. Berücksichtigung muss aber vorliegend zum einen finden, dass das Amtsgericht seinerseits erst nach Ablauf der Genehmigung wegen einer "Verlängerung" von Betreuung und Fixierungsgenehmigung nachgefragt hatte. Zum anderen ist das Amtsgericht auch nach der jedenfalls durch das Pflegeheim - und vom Beschwerdegericht unterstellt auch durch den Beteiligten zu 1 - Anfang März 2013 erfolgten Mitteilung eines weiteren Genehmigungserfordernisses nicht nach § 331 FamFG tätig geworden, sondern hat über eine weitere Fixierung erst rund vier Monate nach Mitteilung des [X.] befunden. Zudem wurde die genehmigungslose Fixierung - die nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen entgegen der Annahme des [X.] jedenfalls seit Mai 2013 nicht mehr mittels Bauchgurt, sondern durch einen Stecktisch erfolgte - nicht durch den Beteiligten zu 1, sondern durch das Pflegeheim vorgenommen. Dass es sich hierbei, wie die Rechtsbeschwerde mit Recht geltend macht, um eine zum Schutz der Betroffenen zwingend erforderliche Maßnahme handelte, ergibt sich aus der im Juli 2013 erfolgten [X.] Genehmigung für die gesetzliche Höchstdauer von zwei Jahren. Bei dieser Sachlage - die Fixierungsgenehmigung war beantragt, eine Fixierung der Betroffenen nötig - ist nicht ersichtlich, dass es dem Wohl der Betroffenen eher entsprochen hätte, wenn der Beteiligte zu 1 bis zur gerichtlichen Entscheidung eine Fixierung aktiv unterbunden hätte. Auch die Beschwerdeentscheidung äußert sich nicht zu der nach Meinung des [X.] richtigen Vorgehensweise.

(3) Soweit das Beschwerdegericht sich darauf stützt, dass mit einer hinreichenden Kooperation des Beteiligten zu 1 nicht zu rechnen sei, fehlt es bislang an Feststellungen, die diese Einschätzung tragen können. Die überaus kritischen Äußerungen des Beteiligten zu 1 zu einem "Netzwerk" von Pflegeheim, Ärzten, Berufsbetreuern und Betreuungsgericht sprechen zwar dafür, dass sich die Zusammenarbeit mit ihm möglicherweise schwierig gestaltet. Dies steht für sich genommen einer Bestellung als Betreuer aber nicht entgegen. Dass der Beteiligte zu 1 im Rahmen des Betreuungsverfahrens notwendige Mitwirkungshandlungen unterlassen hat, ist nicht festgestellt. Die im Jahre 2012 unterbliebene Reaktion auf die gerichtliche Anfrage die Beanstandungen des Pflegeheims betreffend stand in keinem erkennbaren inhaltlichen Zusammenhang mit den im Rahmen der Betreuung zu erledigenden Aufgaben. Zudem hatte der Beteiligte zu 1 das Unterbleiben einer schriftlichen Stellungnahme erklärt.

(4) Darüber hinaus setzt sich das Beschwerdegericht nicht damit auseinander, dass der Aufgabenkreis der Betreuung sich nicht auf die Genehmigung unterbringungsähnlicher Maßnahmen im Rahmen der [X.] beschränkt, sondern - trotz der Vorsorgevollmacht, die die Bereiche "Aufenthalt und Wohnungsangelegenheiten" abdeckt - die gesamte Aufenthaltsbestimmung umfasst. Inwiefern ein das Wohl der Betroffenen gefährdender [X.] des Beteiligten zu 1 etwa hinsichtlich Entscheidungen über den gewöhnlichen Aufenthaltsort vorliegen soll, ist nicht ersichtlich.

3. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben, und die Sache ist an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen. Dieses wird gegebenenfalls ergänzende Feststellungen zu treffen und die im Rahmen des § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB erforderliche Gesamtabwägung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats durchzuführen haben.

[X.]                         Günter

             Botur                                 [X.]

Meta

XII ZB 621/14

25.03.2015

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Berlin, 22. Oktober 2014, Az: 87 T 186/13

§ 1897 Abs 4 BGB, § 59 Abs 1 FamFG, § 70 Abs 3 S 1 Nr 1 FamFG, § 295 Abs 1 FamFG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.03.2015, Az. XII ZB 621/14 (REWIS RS 2015, 13428)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 13428

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