Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.03.2011, Az. 5 StR 581/10

5. Strafsenat | REWIS RS 2011, 8552

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Gegenstand

Verbrechensverabredung im Internet


Leitsatz

Internetchat und Verbrechensverabredung .

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 6. September 2010 nach § 349 Abs. 4 StPO

a) dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte im Fall [X.] der Urteilsgründe wegen Verbreitung kinderpornografischer Schriften, im Fall II.15 wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften und im Fall II.13 wegen [X.] pornografischer Schriften verurteilt ist;

b) in den Einzelstrafaussprüchen in den Fällen II.13 bis 15 der Urteilsgründe, im Gesamtstrafausspruch und im [X.] aufgehoben; letzterer entfällt.

2. Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Der Schuldspruch wird in den Fällen II.4 bis 12 und 16 bis 25 der Urteilsgründe dahin klargestellt, dass der Angeklagte insoweit wegen Verbreitung kinderpornografischer Schriften in 13 Fällen (II.6 bis 8, 11 und 12 sowie 16 bis 23) und wegen Erwerbs kinderpornografischer Schriften in sechs Fällen (II.4, 5, 9, 10, 24, 25), davon in drei Fällen in Tateinheit mit deren Verbreitung (II.5, 10, 25), verurteilt ist.

3. Zur abschließenden Strafzumessung wird die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Verabredung eines Mordes (tateinheitlich eines Missbrauchs eines Kindes mit Todesfolge und einer Vergewaltigung mit Todesfolge) in Tateinheit mit Besitz und mit Verbreitung kinderpornografischer Schriften (Fall [X.]), wegen [X.] zu einer besonders schweren Vergewaltigung sowie tateinheitlich einem besonders schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes (Fall II.15), wegen Verabredung eines schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes (Fall II.2), wegen gefährlicher Körperverletzung (Fall II.1), wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes (Fall II.13), wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften ([X.]) und wegen 19 Fällen verschiedener Varianten von Vergehen nach § 184b StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt und hat die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet.

2

Die Revision des Angeklagten erzielt auf die nicht ausgeführte Sachrüge den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

3

1. Der Gegenstand der Schuldsprüche gegen den im Juni 2002 wegen Verbreitung pornografischer Schriften zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verurteilten, mit einer Geldauflage und Therapieweisung belegten Angeklagten, einen früheren Betriebsleiter, umfasst überwiegend Straftaten, die er im Rahmen einer [X.]plattform für „pädophil orientierte Menschen“ namens „Zauberwald“ begangen hat (unten 2 und 3). Lediglich vier Fälle betreffen ganz oder zum Teil außerhalb solcher [X.]aktivitäten vorgenommene Handlungen und Erklärungen.

4

a) Hierbei handelt es sich um eine gefährliche Körperverletzung zum Nachteil seines knapp drei Jahre alten [X.] durch Verabreichung einer lokal betäubenden Creme und einer aufgelösten Schlaftablette (Fall II.1 der Urteilsgründe; Freiheitsstrafe vier Monate), den Besitz zahlreicher kinderpornografischer Schriften bis zum Zeitpunkt der Sicherstellung seines Rechners am 29. September 2009 ([X.] der Urteilsgründe; Freiheitsstrafe ein Jahr und vier Monate) und den als Verabredung eines Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes abgeurteilten, mit dem [X.] auch telefonisch abgesprochenen Plan, vom 25. bis 27. Juli 2008 im [X.] mit ihren Söhnen eine vom Angeklagten angemietete Ferienwohnung zu beziehen, in der es zu einem „Boytausch“ kommen sollte und der Angeklagte bei dem kindlichen [X.] des [X.] den Analverkehr vollziehen wollte (Fall II.2 der Urteilsgründe; Freiheitsstrafe zwei Jahre und neun Monate). Die insoweit getroffenen Schuld- und Strafaussprüche sind sachlichrechtlich beanstandungsfrei.

5

b) Soweit das [X.] den Angeklagten wegen dreier am 12. August 2009 in der Absicht der Verbreitung angefertigter Bilder wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes gemäß § 176a Abs. 3 i.V.m. § 176 Abs. 4 Nr. 2 StGB (Fall II.13 der Urteilsgründe; Freiheitsstrafe zwei Jahre und vier Monate) verurteilt hat, rechtfertigt der festgestellte Sachverhalt lediglich eine Bestrafung wegen des Herstellens pornografischer Schriften nach § 184 Abs. 1 Nr. 8 StGB. Auf den Fotos ist der [X.] des Angeklagten abgebildet, der eine Salatgurke wie beim Oralverkehr mit den [X.] fest umschließt.

6

(1) Es ermangelt der Vornahme einer sexuellen Handlung (§ 184g Nr. 1 StGB) durch ein Kind. Zwar hat der Gesetzgeber durch das Änderungsgesetz vom 31. Oktober 2008 ([X.] I S. 2149) auch das sexuell aufreizende Posieren von Kindern als eine solche Handlung erfasst (BT-Drucks. 16/9646 S. 2, 35 f.). Hierzu zählen jedenfalls Vorgänge, die gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild einen eindeutigen Sexualbezug aufweisen (vgl. schon [X.], Urteil vom 20. Dezember 2007 – 4 [X.], [X.]R StGB § 184f sexuelle Handlung 2). Für das Posieren in obszönen Stellungen ist indes die Sicht auf sexualbezogene Körpermerkmale des Kindes erforderlich (vgl. [X.]/Roggenbuck in [X.], 12. Aufl., § 184b Rn. 3). Solches ist bei dem vollständig bekleideten [X.] des Angeklagten nicht gegeben. Es wurde lediglich dessen Mund in eine Beziehung zu einem Gegenstand gebracht, der allein in der Fantasie eines späteren Betrachters als Darstellung des erigierten Gliedes eines Mannes begriffen werden konnte und sollte. Damit ist die Grenze zur Strafbarkeit nach § 176 StGB unter Berücksichtigung seines Schutzgedankens und der erheblichen Höhe der dort angedrohten Strafe noch nicht überschritten. Es ist nicht ersichtlich, dass die Handlung als solche oder die Umstände ihrer Vornahme geeignet gewesen wären, die geschützten Rechtsgüter des Kindes zu beeinträchtigen. Dies gilt auch dann, wenn als geschütztes Rechtsgut des § 176 StGB nicht allein die ungestörte sexuelle Entwicklung des Kindes angesehen wird (vgl. [X.], Urteile vom 24. September 1991 – 5 StR 364/91, [X.]St 38, 68, 69 und vom 16. Juni 1999 – 2 StR 28/99, [X.]St 45, 131, 132), sondern auch sein Recht auf Achtung seiner Intimsphäre (vgl. [X.] in [X.], 12. Aufl., § 176 Rn. 3). Die dargestellte Handlung überschreitet unter beiden Gesichtspunkten nicht die Erheblichkeitsschwelle des § 184g Nr. 1 StGB, die bezogen auf das konkrete Rechtsgut festzustellen ist.

7

(2) Ein Sexualbezug der Abbildungen ist nach der [X.] Bewertung des [X.]s durch die vom Angeklagten [X.] und dessen sachverständig festgestellte insbesondere pädophile Disposition ([X.] f.) belegt. Mit den Bildern sollten die ausschließlich einschlägig interessierten Benutzer der genannten [X.]plattform auf einen Oralverkehr eines Knaben an Männern angesprochen und bei ihnen ein Bedürfnis nach solchen Handlungen hervorgerufen oder verstärkt werden. Das verleiht den Fotos die Qualität pornografischer Schriften im Sinne des § 184 Abs. 1 StGB (vgl. [X.]/Roggenbuck, aaO, § 184 Rn. 5 bis 8), die der Angeklagte gemäß § 184 Abs. 1 Nr. 8 i.V.m. Abs. 1 Nr. 6 StGB hergestellt hat. Der [X.] stellt insoweit den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO um. Er schließt aus, dass sich der Angeklagte nach einem entsprechenden gerichtlichen Hinweis wirksamer als bisher hätte verteidigen können. Das neu berufene Tatgericht wird insoweit eine neue, notwendigerweise beträchtlich mildere Strafe festzusetzen haben.

8

2. Hinsichtlich der Fälle II.4 bis 12 und 16 bis 25 der Urteilsgründe, in denen das [X.] die Erlangung und Weiterleitung kinderpornografischer Dateien im Rahmen von Chatkontakten des Angeklagten mit unbekannt gebliebenen Partnern ausgeurteilt und Freiheitsstrafen jeweils zwischen vier und acht Monaten festgesetzt hat, war lediglich die Tenorierung klarzustellen. Hinsichtlich der Fälle II.4 und 5 der Urteilsgründe billigt der [X.] die vom [X.] gefundene, mit den Entscheidungen der Oberlandesgerichte [X.] (NStZ-RR 2007, 41, 42) und [X.] (NJW 2010, 1893, 1895) übereinstimmende Rechtsauffassung (vgl. dazu [X.]/Roggenbuck, aaO, § 184b Rn. 10 mN).

9

3. Die beiden schwersten Schuldsprüche der Verabredung eines Mordes (Fall [X.] der Urteilsgründe) und des [X.] zu einer besonders schweren Vergewaltigung (Fall II.15 der Urteilsgründe) halten der sachlichrechtlichen Prüfung nicht stand.

a) Fall [X.] der Urteilsgründe (Verabredung zum Mord u.a.; Freiheitsstrafe neun Jahre):

aa) Der Angeklagte befand sich unter der anonymen Bezeichnung „No Limit“ an einem nicht näher feststellbaren Tag im [X.] 2009 zwischen 12.50 Uhr und 19.59 Uhr auf der genannten [X.]plattform in einem auf seiner Festplatte in einer Textdatei gespeichert gebliebenen [X.] mit einem nicht identifizierten und für den Angeklagten nicht identifizierbaren, in den [X.] ansässigen Mann, der im Chat als „[X.]“ auftrat und den der Angeklagte aus einem früheren Chatkontakt kannte. In dem Gespräch tauschten die Partner Gedanken über Pläne zu Kindesmissbrauch mit extremen sexuellen und sadistischen Begleitumständen aus:

Beide erwogen, um einen geeigneten kindlichen Sexualpartner zu finden, ein Kind von der Straße zu nehmen; man müsse letztlich ein Kind finden, das allein an einsamer Stelle auf dem Schulweg sei. Im Hinblick auf noch unverplante [X.] konstatierten der Angeklagte und „[X.]“, dass man die Pläne wohl Ende September in die Tat umsetzen könne. Nach dem Austausch dreier kinderpornografischer Abbildungen konkretisierten sie ihr Vorhaben. Der [X.] favorisierte, den zu entführenden Jungen an den Hoden aufzuhängen; der Junge sollte dann in seiner Qual seine Hoden selbst abschneiden. Der Angeklagte wollte den Jungen würgen, während er ihn „ficke“. Beide vergewisserten sich gegenseitig, dass sie es [X.] meinten und dass „idealerweise“ ein acht Jahre alter Junge aus einer ländlichen Gegend des nördlichen [X.] entführt und über einige Stunden gequält werden sollte. Der Tod des Jungen sollte durch „[X.]“ herbeigeführt werden, indem er seinen Penis dem Kind so tief in den Mund stecken würde, dass es – während der Angeklagte den Analverkehr ausübe – daran ersticken würde. Der Leichnam könnte dann im Meer versenkt werden.

Zur Ausführung des Vorhabens erwogen der Angeklagte und „[X.]“, in den [X.] ein Fahrzeug zu mieten, dieses in [X.] mit gestohlenen Kennzeichen zu versehen und ein Ferienhaus an der [X.] zu mieten. Der Angeklagte übermittelte „[X.]“ das [X.]angebot eines Ferienhauses in [X.]. Er hielt es für sinnvoll, dass er das Ferienhaus vorab buche. Als konkrete Tatzeit wurde – im Hinblick auf die in [X.] am 30. Oktober 2009 endenden Schulferien – der November 2009 in Aussicht genommen. Ein verabredetes weiteres [X.] fand nicht mehr statt.

bb) Das Schwurgericht hat die Einlassung des Angeklagten, seine [X.]e seien reine Fiktion gewesen, beweiswürdigend durch die große Anzahl der [X.] und durch den Umstand als widerlegt angesehen, dass der Angeklagte diverse Grundschulen in [X.] im [X.] daraufhin untersucht habe, wie weit sie von örtlichen Polizeirevieren entfernt seien. Zudem habe der Angeklagte im eingestandenen Fall II.2 der Urteilsgründe nicht in Frage gestellt, dass nach der Präsentation des Bauernhofes im [X.] als Tatort das dort verabredete Treffen tatsächlich stattfinden sollte.

cc) Die Feststellungen tragen die Annahme des Schwurgerichts nicht, der Angeklagte habe sich mit dem unbekannt gebliebenen Chatpartner „[X.]“ zu einem Verbrechen (u.a. des Mordes) gemäß § 30 Abs. 2 Variante 3 i.V.m. § 211 StGB verabredet.

(1) Eine Strafbarkeit setzt die vom [X.]lichen Willen getragene Einigung von mindestens zwei Personen voraus, an der Verwirklichung eines bestimmten Verbrechens mittäterschaftlich mitzuwirken ([X.], Urteile vom 4. Februar 2009 – 2 [X.], [X.]St 53, 174, 176 mN, und vom 13. November 2008 – 3 [X.], [X.], 497). Der Gesetzeswortlaut lässt offen, in welchem Umfang ein Verabredender die Identität seines präsumtiven Mittäters kennen muss. Dies schließt die Annahme einer Verabredung zwischen Personen, die sich lediglich über einen Tarnnamen in einem [X.]chatforum kennen, nicht aus. Allerdings hat sich die bisherige Rechtsprechung des [X.], soweit ersichtlich, ausschließlich mit Fällen von den präsumtiven Mittätern bekannten Identitäten der jeweils anderen befasst (vgl. [X.], JA 1979, 169; 171 f.; [X.] in [X.], 12. Aufl. § 30 Rn. 60 und 62; [X.], Urteile vom 28. Juni 2007 – 3 [X.], [X.]R StGB § 30 Abs. 2 Verabredung 7, vom 13. November 2008 – 3 [X.], [X.], 497 und vom 4. Februar 2009 – 2 [X.], [X.]St 53, 174).

Die Strafwürdigkeit der [X.] erklärt sich aus der Willensbindung der Beteiligten ([X.], Strafrecht [X.] [2003], S. 303 Rn. 43), durch die bereits vor Eintritt in das Versuchsstadium eine Gefahr für das durch die vorgestellte Tat bedrohte Rechtsgut entsteht [X.], StGB, 58. Aufl., § 30 Rn. 2). Der von einer solchen quasi-vertraglichen Verpflichtung ausgehende Motivationsdruck sorgt oft dafür, dass es von einer bindenden Verabredung für einen Beteiligten kaum noch ein Zurück gibt, so dass bei Angriffen auf die wertvollsten und schutzbedürftigsten Rechtsgüter schon der Abschluss der Deliktsvereinbarung durch eine Strafdrohung verhindert werden muss ([X.] in [X.], 12. Aufl., § 30 Rn. 11). Eine solche auf die Begehung des intendierten Verbrechens bezogene bindende Verabredung erfordert, dass jeder an ihr Beteiligte in der Lage sein muss, bei dem jeweils anderen präsumtiven Mittäter die von jenem zugesagten verbrecherischen Handlungen (vgl. [X.], [X.], 289, 291) auch einfordern zu können. Dies kann auch zwischen Personen geschehen, die lediglich unter Verwendung eines Tarnnamens kommunizieren. Solches wird sogar in etlichen Fallkonstellationen, in denen es gilt, hierdurch eine Entdeckung zu vermeiden, für die sich [X.] sinnvoll sein und nötigt nicht dazu, dass – etwa bei unbekannt bleiben wollenden Angehörigen verbrecherischer Organisationen – Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Verabredung überwunden werden müssten. Gleiches wird naheliegend anzunehmen sein, wenn anonym getroffene Absprachen durch weitere Vorbereitungshandlungen oder deren Verabredung bestätigt worden sind. In Fällen, in denen die verabredete Tat – wie vorliegend – die gleichzeitige Präsenz der Mittäter bei Tatbegehung voraussetzt, ist eine verbleibende völlige Anonymität freilich ausgeschlossen. Deren spätere Auflösung muss Teil des konkreten Tatplans sein. Schon hierfür fehlt es an vollständigen Feststellungen.

(2) Insbesondere ist das [X.] bei der von ihm zu beurteilenden Fallkonstellation, in der es darum geht, [X.] von wirklichem verbrecherischen Willen und dessen Umsetzung abzugrenzen, dem Gebot der erschöpfenden Beweiswürdigung nicht umfassend gerecht geworden (vgl. [X.], Urteil vom 16. November 2006 – 3 [X.], [X.], 384, 387, insoweit in [X.]St 51, 144 nicht abgedruckt; Brause, NStZ 2007, 505, 506). Seine Erwägungen vermögen deshalb nicht mehr als einen Verdacht der Verabredung zu einem Mord zu begründen (vgl. auch [X.], Beschluss vom 12. Dezember 2001 – 5 [X.], [X.], 235). Die [X.] hat in ihren beweiswürdigenden Erwägungen mehrere die Absprache zwischen dem Angeklagten und „[X.]“ betreffenden Umstände, die gegen deren Ernstlichkeit als [X.] zu erwägen gewesen wären, nicht erkennbar bedacht.

Die Absprache wurde in lediglich einem [X.] getroffen zwischen Partnern, die sich nicht persönlich kannten und deren Identität nicht ohne Mitwirkung des anderen zu ermitteln war. Über einen direkten kommunikativen Zugang zu „[X.]“ verfügte der Angeklagte nicht. Die abgesprochene Fortsetzung der Kommunikation unterblieb genauso wie die vom Angeklagten zugesagte Buchung des Ferienhauses ([X.]). Das [X.] hat sich auch nicht mit dem zentralen Einwand des Angeklagten auseinandergesetzt, er habe sich seinen Chatpartnern immer wieder durch das Wechseln seines [X.] entzogen, bevor es richtig konkret hätte werden können ([X.]). Es hat zudem in seiner Beweiswürdigung zur Bestimmung des Tatzeitraums des Falles II.15 der Urteilsgründe den Charakter der vom Angeklagten im [X.] 2009 geführten [X.]e als eskalierende Fantasien ([X.]) – in Abgrenzung zu denen im eingestandenen Fall II.2 der Urteilsgründe – bezeichnet, ohne auf diese Gegensätzlichkeit für die hier zur nämlichen Zeit stattgefundene Tathandlung zurückzukommen.

Der vom [X.] herangezogene Umstand, der Angeklagte habe im eingestandenen Fall der Verabredung eines schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes (Fall II.2 der Urteilsgründe) – indes dort ohne den Ausdruck ausufernd perversen sexuellen Geschehens – die Ernstlichkeit der Mitteilung des präsumtiven Tatorts nicht in Frage gestellt, ist kein den Angeklagten selbständig belastendes Indiz, weil dieser in jenem anders gelagerten Fall sogar weitergehend die Anmietung der Ferienwohnung im [X.] eingestanden hatte.

Schließlich stößt der von der [X.] als tragend herangezogene Umstand des [X.] in der hier zu beurteilenden Fallkonstellation der gebotenen Abgrenzung bloßer [X.] von verbrecherischem Willen auf durchgreifende Bedenken. Ähnlich wie in Fällen, in denen Angaben von Mittätern zu ihren Tatgenossen durch die Wiedergabe selbst erlebter [X.] nicht wesentlich gestützt werden ([X.], Beschlüsse vom 26. April 2006 – 1 [X.], [X.], 683, und vom 16. Juli 2009 – 5 StR 84/09 mN), eignen sich detaillierte Angaben eines Fantasiebegabten über ein Verbrechen nicht unbedingt zur Entscheidung der Frage, ob sie noch Fiktion oder bereits Ausdruck verbrecherischen Willens sind. Das gilt jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art, nämlich des Austauschs perverser, den eigenen Sexualtrieb und den des Kommunikationspartners [X.] und befriedigender sexualbezogener Fantasien. Für die Bewertung, ob sich die Ausführungen des Angeklagten noch im Bereich solcher Fantasien bewegen, hätte der Umstand nicht unberücksichtigt bleiben dürfen, dass der Angeklagte bislang gegenüber Kindern nicht sexuell übergriffig geworden ist.

(3) Der [X.] sieht davon ab, den Sachverhalt neu als [X.] aufklären zu lassen. Hierfür erforderliche zusätzliche selbstbelastende Bekundungen des Angeklagten erscheinen ausgeschlossen. Auch unter anderen [X.] des § 30 StGB wird sich eine Strafbarkeit nicht begründen lassen. Die hier soeben dargelegten Defizite in der Beweiswürdigung legen es nahe, dass ein neu berufenes Tatgericht auch zu keiner Verurteilung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 StGB wegen strafbarer versuchter Anstiftung (vgl. [X.], JA 1979, 169, 170) oder wegen [X.] im Sinne des § 30 Abs. 2 StGB (vgl. [X.], Urteil vom 4. Februar 2009 – 2 [X.], [X.]St 53, 174, 177; [X.], Beschluss vom 11. August 1999 – 5 [X.], [X.]R StGB § 30 Abs. 2 Verabredung 5; [X.], aaO, § 30 Rn. 10) kommen wird.

Ausschlaggebend für eine zu unterlassende Zurückverweisung ist indes jedenfalls, dass die Annahme einer Straflosigkeit nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 StGB unumgänglich sein wird.

Der Angeklagte muss, um nach dieser Vorschrift Straflosigkeit zu erlangen, sein Vorhaben lediglich aufgegeben haben. Insoweit verlangt das Gesetz weniger als die bis Ende 1974 geltende Vorgängerregelung des § 49a Abs. 3 Nr. 3 StGB, wonach ein Widerruf der Erklärung geboten war, durch die der Täter sich zu einem Verbrechen bereit erklärt hatte. Die Aufgabe des Vorhabens ist vom Tatgericht – wie andere innere Tatsachen – beweiswürdigend aus den gesamten Umständen festzustellen. Das Erfordernis einer Erkennbarkeit nach außen ist – entgegen der im Gesetzgebungsverfahren geäußerten Vorstellung (BT-Drucks. IV/650, 155) – dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen ([X.], aaO, [X.] Rn. 98 bis 100; im Ergebnis ebenso die weit überwiegende Meinung in der Literatur: vgl. nur [X.], aaO, § 31 Rn. 16 f.; [X.] in [X.]/[X.], StGB, 28. Aufl., § 31 Rn. 8; [X.] in [X.], 7. Aufl., § 31 Rn. 14 f.; [X.], aaO, § 31 Rn. 4; [X.] in [X.], § 31 Rn. 18; [X.], StGB, 27. Aufl., § 31 Rn. 4 mN weiterer gegenteiliger Auffassungen). Die Aufgabe eines Entschlusses und deren äußere Erkennbarkeit sind ebenso zweierlei wie das Fassen eines Tatentschlusses und dessen Hervortreten nach außen ([X.], aaO, Rn. 100). Es spricht gegen eine freiwillige Aufgabe des Vorhabens, wenn ein Beschuldigter bei [X.] entdeckt wird oder scheitert, während der Abbruch Erfolg versprechender Vorbereitungen oder ein Untätigbleiben, wo nach der Bereiterklärung wenigstens vorbereitende Aktivitäten zu erwarten gewesen wären, auf einen freiwilligen Rücktritt deuten ([X.], aaO). Nur Letzteres ist nach den getroffenen Feststellungen anzunehmen. Der Angeklagte ist entgegen der Verabredung in keinen Chatverkehr mehr mit „[X.]“ eingetreten und hat es entgegen der Ankündigung unterlassen, das Ferienhaus für die in Aussicht genommene Tatzeit zu buchen.

Der Tatvorwurf der [X.] hat demnach im Fall [X.] der Urteilsgründe zu entfallen. Das neu berufene Tatgericht wird lediglich noch eine Strafe hinsichtlich der tateinheitlich ausgeurteilten Vergehen gemäß § 184b Abs. 2 und 4 Satz 1 („Erwerb“ verdrängt „Besitz“ nach Satz 2) StGB festzusetzen haben.

b) Fall II.15 der Urteilsgründe (Verabredung zur besonders schweren Vergewaltigung u.a.; Freiheitsstrafe vier Jahre):

aa) Der Angeklagte befand sich in einer nicht näher bestimmbaren [X.] zwischen 23.25 Uhr und 4.37 Uhr mit [X.] im Chatkontakt, der die anonyme Bezeichnung „[X.]“ führte. Beide sprachen darüber, den fünf Jahre alten [X.] des „[X.]“ gemeinsam und gleichzeitig oral und anal an einem Wochenende während der Herbstferien in einer „Seedatsche“ zu missbrauchen und ihm sexuell motivierte Schmerzen zuzufügen. Der Angeklagte äußerte den Wunsch, „das Tatopfer beim 'Ficken' in den Magen zu boxen und ihm Stecknadeln unter die Fußnägel zu stecken“. Auf die Ermahnung des Chatpartners, dass der Angeklagte ja die Grenzen kenne, konzedierte dieser, „dass der Junge das Ganze schon überleben werde, dass 'der Arsch' aber wund sein und der Junge auch Griffmarken aufweisen werde“. Der Angeklagte erklärte zum Abschluss des Kontakts, dass „[X.]“ ihm im Fall der Verwirklichung des Vorhabens „einen Lebenstraum erfüllen“ würde.

bb) Das [X.] hat sich beweiswürdigend davon überzeugt, dass der Angeklagte zur Begehung des genügend konkretisierten Vergewaltigungs- und Missbrauchsverbrechens fest entschlossen war. Es vermochte sich aber nicht davon zu überzeugen, dass auch der Chatpartner des Angeklagten fest vorhatte, sich an dem Verbrechen zum Nachteil seines [X.] als Mittäter zu beteiligen. Die [X.] hat deshalb die Annahme einer [X.] abgelehnt und den Angeklagten wegen eines [X.] im Sinne des § 30 Abs. 2 StGB schuldig gesprochen.

cc) Die vom [X.] hierfür vorgenommene Prüfung des Vorsatzes des Angeklagten ist lückenhaft.

(1) Das [X.] hat zwar plausible und nachvollziehbare Erwägungen angestellt, die belegen, dass der vom Angeklagten erstrebte Analverkehr einem in der Realität zu verwirklichenden Wunsch des Angeklagten entspringt.

Der Schuldspruch hat aber jedenfalls deshalb keinen Bestand, weil das [X.] auch hier keine tragfähige Begründung für den Ausschluss eines strafbefreienden Rücktritts (§ 31 StGB) gefunden hat. Es würde einem neu berufenen Tatgericht nach Prüfung der Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht mehr möglich sein, zu einem Schuldspruch wegen des [X.] zu einer besonders schweren Vergewaltigung zu kommen. Insoweit wird auf die obigen Erwägungen zu [X.] der Urteilsgründe (oben [X.]. 22) verwiesen und darauf, dass in der bisherigen Beweiswürdigung ([X.]) die zentralen Einwände des Angeklagten unberücksichtigt geblieben sind. Diese könnten nicht anders als ein Aufgeben des Vorhabens bewertet werden.

(2) Die Frage, ob es für die vom Tatgericht angenommene Strafbarkeit angesichts der vollständigen Anonymität zwischen den [X.] auch an ausreichenden Feststellungen dafür fehlte, dass der Angeklagte im Rahmen des [X.] die Annahme des Anerbietens tatsächlich schon [X.]lich erstrebt hat [X.], aaO, § 30 Rn. 10), bedarf danach keiner Vertiefung.

(3) Der [X.] sieht auch in diesem Fall davon ab, die Sache neu aufklären und bewerten zu lassen. Weitere selbstbelastende Bekundungen des Angeklagten erscheinen auch insoweit genauso ausgeschlossen wie die Erlangung zusätzlicher belastender Indizien. Der vom Angeklagten willentlich als Textdatei auf seinem Computer gespeicherte Chatverkehr mit „[X.]“ unterfällt ohne Weiteres der Strafbarkeit nach § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB. Der [X.] stellt den Schuldspruch dementsprechend um. Die Vorschrift des § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil der insoweit geständige Angeklagte sich nicht anders hätte verteidigen können.

4. Der Wegfall von drei der vier höchsten Einzelstrafen nötigt zur Aufhebung der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe und des maßgeblich auf den zugehörigen Verurteilungen beruhenden Maßregelausspruchs. Dieser hat zu entfallen. Eine Festsetzung von Strafen, die die Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 StGB erfüllen könnten, ist nach den [X.] und den bei der Bemessung der neuen Strafen zu beachtenden Maßstäben sicher auszuschließen. Die Festsetzung der Strafen in den Fällen II.13 bis 15 und der Gesamtfreiheitsstrafe wird auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen vorzunehmen sein. Diese können freilich um solche ergänzt werden, die den bisher getroffenen Feststellungen nicht widersprechen.

5. Nachdem ein die Zuständigkeit des Schwurgerichts nach § 74 Abs. 2 GVG begründendes Verbrechen nicht mehr Verfahrensgegenstand ist, wird sich eine allgemeine Strafkammer des [X.]s mit der Sache zu befassen haben (vgl. [X.], Urteil vom 7. September 1994 – 2 [X.], NJW 1994, 3304, 3305, insoweit nicht in [X.]St 40, 251 abgedruckt).

Basdorf                                    Raum                                     Brause

                    Schneider                               [X.]

Meta

5 StR 581/10

16.03.2011

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Kiel, 6. September 2010, Az: 500 Js 42187/09 - 8 Ks 2/10, Urteil

§ 30 Abs 2 Alt 3 StGB, § 31 Abs 1 StGB, § 211 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.03.2011, Az. 5 StR 581/10 (REWIS RS 2011, 8552)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8552

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