Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 13.07.2016, Az. VIII ZR 296/15

8. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 8269

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BUNDESGERICHTSHOF (BGH) MIETWOHNUNG MIET- UND WEG-RECHT KÜNDIGUNG MIETVERTRAG

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Gegenstand

Wohnraummiete: Fristlose Kündigung innerhalb angemessener Frist ab Kenntniserlangung vom Kündigungsgrund


Leitsatz

§ 314 Abs. 3 BGB findet auf die fristlose Kündigung eines (Wohnraum-) Mietverhältnisses nach §§ 543, 569 BGB keine Anwendung.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 5. Zivilkammer des [X.] vom 16. Dezember 2015 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als hinsichtlich des [X.] zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 6. Mai 2015 wird insgesamt zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte mietete im Jahr 2006 von der Klägerin eine Wohnung in [X.], deren Miete zuletzt monatlich 619,50 € zuzüglich Vorauszahlung auf die Nebenkosten betrug. Die Beklagte zahlte die Mieten für die Monate Februar und April 2013 nicht. Die Klägerin mahnte die Zahlung dieser Beträge deswegen mit Schreiben vom 14. August 2013 an. Mit Schreiben vom 3. September 2013 teilte die Beklagte mit, sie habe diese Mieten leider nicht überwiesen und entschuldige sich dafür, beglich die Mietrückstände aber in der Folgezeit nicht. Daraufhin erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 15. November 2013 die fristlose Kündigung.

2

Das Amtsgericht hat der auf Räumung und Herausgabe sowie auf Zahlung einer Betriebskostennachforderung für das [X.] in Höhe von 1.577,50 € nebst Zinsen gerichteten Klage - bis auf einen Betrag von 515,21 € nebst Zinsen - stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das amtsgerichtliche Urteil unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert, indem es die Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung abgewiesen hat. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die vollständige Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

3

Die Revision hat Erfolg.

4

Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die [X.] in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis der [X.]n, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. [X.], Urteil vom 4. April 1962 - [X.], [X.]Z 37, 79, 81 f.).

I.

5

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

6

Die Klage auf Räumung sei unbegründet. Zwar habe sich die [X.] zum [X.]punkt des Ausspruchs der Kündigung mit zwei Monatsmieten im Verzug befunden. Dabei könne dahinstehen, ob die Miete wegen der von der [X.]n behaupteten Mängel der Mietsache gemäß § 536 [X.] gemindert gewesen sei, weil es jedenfalls am Zugang einer Mängelanzeige gefehlt habe. Die [X.] sei daher gemäß § 536c Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 [X.] mit der Geltendmachung ihrer Rechte ausgeschlossen.

7

Die Kündigungserklärung vom 15. November 2013 sei aber gemäß § 314 Abs. 3 [X.] unwirksam, weil sie nicht innerhalb einer angemessenen Frist ab Kenntniserlangung der Klägerin von dem Kündigungsgrund erfolgt sei. Die Vorschrift finde im Wohnraummietverhältnis Anwendung. Das Kündigungsrecht sei ausgeschlossen, wenn seit der Kenntniserlangung des Vermieters von dem Eintritt der [X.] längere [X.] vergangen sei und der Mieter aufgrund konkreter Umstände davon ausgehen dürfe, dass der Vermieter von seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch machen werde.

8

Für die Anwendung des § 314 Abs. 3 [X.] spreche, dass es sich um eine außerordentliche Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund handele. Die Interessenabwägung gehe in den Fällen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] zu Lasten des Mieters aus, weil der Vermieter erhebliche finanzielle Einbußen durch Mietrückstände erleide. Es sei aber nicht ersichtlich, warum der Vermieter noch weiter geschützt werden solle, indem er das ihm zustehende Kündigungsrecht zeitlich unbegrenzt ausüben könne. Vielmehr sei einem Vermieter, der trotz Kenntnis des Vorliegens der [X.] nicht innerhalb einer angemessenen Frist von seinem Kündigungsrecht Gebrauch mache, die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist oder aber der sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses zuzumuten. In diesen Fällen sei der Mieter schutzwürdiger, der aufgrund konkreter Umstände davon ausgehen dürfe, der Vermieter werde von seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch mehr machen.

9

Die [X.] habe darauf vertrauen dürfen, dass eine fristlose Kündigung wegen der Mietrückstände aus Februar und April 2013 mehr als sieben Monate später im November 2013 nicht mehr erfolgen werde. Es seien bis zum [X.]punkt der Kündigung keine weiteren Umstände hinzugetreten, die das Zuwarten der Klägerin und die im [X.] erfolgte Kündigung nachvollziehbar machten, wie etwa die Entstehung weiterer Mietrückstände. Der Umstand, dass die Klägerin die [X.] zuvor gemahnt habe, stehe einem schutzwürdigen Vertrauen auf Seiten der [X.]n nicht entgegen. Die [X.] habe davon ausgehen dürfen, dass die Klägerin zwar darauf bestehe, dass die offenen Mieten noch gezahlt werden, dies jedoch nicht zum Anlass nehmen werde, das Mietverhältnis fristlos zu kündigen.

In diesem Zusammenhang gewinne auch der Umstand an besonderer Bedeutung, dass es sich bei der Klägerin um eine Kirchengemeinde handele, der die [X.] zudem früher als Küsterin auch beruflich verbunden gewesen sei. Es habe daher für die [X.] durchaus nahegelegen, dass die Klägerin von ihrem Kündigungsrecht aus [X.] oder auch ethischen Erwägungen keinen Gebrauch machen werde.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 15. November 2013 und die Begründetheit des hierauf gestützten Anspruchs auf Räumung und Herausgabe der gemieteten Wohnung (§§ 546, 985 [X.]) nicht verneint werden. Denn der [X.]ablauf von sieben Monaten zwischen der erstmaligen Kündigungsmöglichkeit wegen Zahlungsverzugs (5. April 2013) und der Erklärung der Kündigung am 15. November 2013 steht der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen.

1. Das Berufungsgericht hat einen Räumungsanspruch der Klägerin (§§ 546, 985) verneint, weil die mit Schreiben vom 15. November 2015 erklärte Kündigung der Klägerin das Mietverhältnis mit der [X.]n nicht beendet habe. Dabei hat das Berufungsgericht - insoweit rechtsfehlerfrei - einen Zahlungsverzug in Höhe von zwei Monatsmieten bejaht, der den Vermieter grundsätzlich zur Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b [X.] berechtigt. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Kündigung sei gleichwohl unwirksam, weil sie erst sieben Monate nach der ersten Kündigungsmöglichkeit und deshalb nicht in einer angemessenen Frist (§ 314 Abs. 3 [X.]) erklärt worden sei, ist indes mit [X.] behaftet.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Vorschrift des § 314 Abs. 3 [X.] auf die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses gemäß §§ 543, 569 [X.] schon nicht anwendbar. Davon abgesehen wäre die vom Berufungsgericht innerhalb der von ihm bejahten Anwendung des § 314 Abs. 3 [X.] vorgenommene Beurteilung aber auch nach den Maßstäben dieser Bestimmung rechtsfehlerhaft. Denn die Annahme, die Kündigung sei nicht in angemessener Frist ausgesprochen worden, ist angesichts des vom Berufungsgericht nicht berücksichtigten Umstands, dass die Zahlungsrückstände trotz Mahnung fortbestanden und die Klägerin durch das Zuwarten mit der Kündigung Rücksicht auf die Belange der [X.]n genommen hat (vgl. § 543 Abs. 2 Satz 2 [X.]), nicht berechtigt. Die Sichtweise des Berufungsgerichts liefe darauf hinaus, dass ein für die Mieter gerade günstiges Zuwarten unterbliebe und der Vermieter gehalten wäre, zur Vermeidung eigener Nachteile, frühestmöglich eine fristlose Kündigung auszusprechen.

a) § 314 Abs. 3 [X.] findet auf die fristlose Kündigung eines ([X.] nach §§ 543, 569 [X.] keine Anwendung.

Allerdings hat der Senat diese Frage bisher offen gelassen (vgl. Senatsurteile vom 15. April 2015 - [X.], NJW 2015, 2417 Rn. 29; vom 11. März 2009 - [X.], [X.], 231 Rn. 17; Senatsbeschluss vom 13. April 2010 - [X.], [X.], 32 Rn. 5; vgl. in diesem Zusammenhang ferner zur Gewerberaummiete [X.], Urteil vom 21. März 2007 - [X.], NJW-RR 2007, 886 Rn. 21: dort wurde eine illoyale Verspätung sowohl im Rahmen der Verwirkung als auch im Rahmen des § 314 Abs. 3 [X.] verneint, ohne dass dessen Anwendbarkeit näher erörtert wurde), weil sie nicht entscheidungserheblich war. Dem lag die Überlegung zugrunde, dass es (bei Anlegung eines zutreffenden Maßstabes) im Falle einer nach § 314 Abs. 3 [X.] durchgreifenden illoyalen Verspätung typischerweise ebenso an einer Unzumutbarkeit nach § 543 Abs. 1 [X.] fehlen wird oder die Voraussetzungen des Einwandes von Treu und Glauben, insbesondere der Verwirkung, erfüllt sein werden (vgl. Senatsbeschluss vom 13. April 2010 - [X.], aaO Rn. 5 mwN), wohingegen es bei Einhaltung einer angemessenen Frist nach § 314 Abs. 3 [X.] ohnehin bei der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung nach § 543 [X.] verbliebe.

b) Nunmehr gibt die vom Berufungsgericht zugelassene Revision Anlass, die Frage zu klären, ob § 314 Abs. 3 [X.] auf die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses gemäß §§ 543, 569 [X.] überhaupt Anwendung findet oder ob es sich bei diesen Bestimmungen um abschließende Sonderregelungen handelt.

aa) Schon der Wortlaut dieser Vorschriften spricht gegen eine zeitliche Schranke für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung (vgl. Senatsbeschluss vom 13. April 2010 - [X.], aaO). § 543 [X.], der - sei es als Generalklausel (Abs. 1), sei es als Regeltatbestände (Abs. 2) - die Voraussetzungen für die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses regelt, bestimmt in seinen weiteren Absätzen im Einzelnen die Modalitäten der Kündigung. Eine zeitliche Beschränkung für den Ausspruch der Kündigung schreibt diese Bestimmung nicht vor. Ebenso wenig enthält sie einen Verweis auf § 314 Abs. 3 [X.]. Auch § 569 [X.], der für [X.] die Vorschrift des § 543 [X.] um weitere Tatbestände und Kündigungsmodalitäten ergänzt, sieht weder eine [X.]spanne, innerhalb derer die fristlose Kündigung auszusprechen ist, noch einen Verweis auf § 314 Abs. 3 [X.] vor.

bb) Dies wird bestätigt durch die in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommene Zielsetzung des Gesetzgebers. Aus den Gesetzesmaterialien zu §§ 543, 569 [X.] und zu § 314 [X.] ergibt sich eindeutig, dass die Vorschriften über die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses als abschließende spezielle Regelung konzipiert sind und von der Einfügung einer Bestimmung, wonach die Kündigung in "angemessener Frist" zu erfolgen habe, bewusst abgesehen wurde.

(1) Die Neufassung der mietrechtlichen Kündigungsbestimmungen im Rahmen des Mietrechtsreformgesetzes vom 19. Juni 2001 ([X.] I S. 1149) sollte die bisherigen [X.] ablösen und das zuvor aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen hergeleitete fristlose Kündigungsrecht aus wichtigem Grund sowie die über mehrere Einzelvorschriften verstreuten speziellen Kündigungsgründe ablösen (BT-Drucks. 14/4553, [X.]). Mit Ausnahme der Verlängerung der Schonfrist (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 [X.]) sollte damit eine inhaltliche Änderung nicht verbunden sein (BT-Drucks. 14/4553, [X.]). Die Regelung des § 314 [X.] oder eine vergleichbare allgemeine Vorschrift gab es zum damaligen [X.]punkt nicht. Auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung war ein allgemeiner Grundsatz dieses Inhalts nicht entwickelt worden.

Es war allerdings seit langem anerkannt, dass eine längere Verzögerung der Kündigungserklärung Rechtsfolgen nach sich zieht, etwa in der Weise, dass es bei Kündigungstatbeständen, die auf eine Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung abstellen, angesichts einer längeren Kündigungsverzögerung an einer solchen Unzumutbarkeit und somit an einem durchgreifenden Kündigungsgrund fehlen kann (vgl. dazu Senatsurteil vom 23. September 1987 - [X.], NJW-RR 1988, 77, unter [X.] [zu § 554a [X.] aF]). Ebenso stand und steht außer Frage, dass eine fristlose Kündigung im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände treuwidrig, insbesondere verwirkt sein kann (vgl. [X.], Urteile vom 29. April 2009 - [X.], [X.], 2297 Rn. 17; vom 18. Oktober 2006 - [X.], [X.], 147 Rn. 11; vgl. ferner die frühere Rechtsprechung zur Verwirkung eines Rechts zur fristlosen Kündigung des Mieters gemäß § 542 [X.] aF bei [X.] Weiterzahlung der Miete für eine gewisse [X.], dazu [X.], Urteil vom 31. Mai 2000 - [X.], [X.], 2663 unter II 3).

(2) Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber bei der Mietrechtsreform vom 19. Juni 2001 bewusst davon abgesehen festzulegen, dass die Kündigung innerhalb einer "angemessenen [X.]" ab Kenntnis vom Kündigungsgrund zu erfolgen hat (BT-Drucks. 14/4553, [X.]) Die Gesetzesbegründung verweist darauf, dass nach ständiger Rechtsprechung ein Kündigungsrecht verwirkt werden könne und deshalb ein Bedürfnis für eine solche Festlegung nicht bestehe. Zusätzlich wird darauf abgestellt, dass eine einheitliche konkrete Ausschlussfrist angesichts der Vielgestaltigkeit der Mietverhältnisse nicht festgelegt werden könne und eine "offenere" Bestimmung eine Auslegung durch die Rechtsprechung erfordere und somit kaum etwas zur Vereinfachung des Mietrechts beitragen könne. Wörtlich heißt es hierzu in den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 14/4553, [X.]):

"Es wird davon abgesehen, festzulegen, dass die Kündigung innerhalb einer angemessenen [X.] seit der Kenntnis vom Kündigungsgrund zu erfolgen hat. Ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund kann schon jetzt nach ständiger Rechtsprechung verwirkt werden […]. Eine einheitliche feste Ausschlussfrist in Anlehnung an § 626 Abs. 2 [X.] sowie §§ 6, 24 und 70 [X.] erscheint wegen der Vielgestaltigkeit der Mietverhältnisse (Wohnraum, Geschäftsraum, Grundstücke, bewegliche Sachen) nicht möglich […]. Eine offenere Bestimmung wäre durch die Rechtsprechung in jedem Falle auslegungsbedürftig. Die mögliche Regelung könnte damit nur wenig zur Vereinfachung des Mietrechts beitragen."

(3) Hieran hat die Einführung des § 314 [X.] durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 26. November 2001 ([X.] I S. 3138) nichts geändert. Es erschien dem Gesetzgeber zwar geboten, bei einer allgemeinen Überarbeitung des [X.] die Kündigung aus wichtigem Grund bei Dauerschuldverhältnissen in das Bürgerliche Gesetzbuch aufzunehmen. Dafür sprach sowohl die erhebliche praktische Bedeutung dieses Rechtsinstituts als auch die seit langem gefestigte Rechtsprechung zu seinem Anwendungsbereich (BT-Drucks. 14/6040, [X.]). Schon der Gesetzgeber sah jedoch, dass § 314 [X.] damit als lex generalis in einem Konkurrenzverhältnis zu zahlreichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze steht, in denen die Kündigung aus wichtigem Grund bei einzelnen Dauerschuldverhältnissen besonders geregelt ist. Wörtlich heißt es in der Gesetzesbegründung hierzu:

"Diese Einzelbestimmungen sollen nicht aufgehoben oder geändert werden, sondern als leges speciales Vorrang vor § 314 RE haben." (BT-Drucks. 14/6040, [X.]).

Dementsprechend hat der Gesetzgeber des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes zwar an manchen Stellen im Mietrecht Anpassungen vorgenommen, so auch bei § 543 Abs. 4 Satz 1 [X.] (vgl. die Übersicht zu den Änderungen bei [X.]/[X.], [X.], 75. Aufl., Einf v § 535 Rn. 77a), jedoch davon abgesehen, in §§ 543, 569 [X.] einen Verweis auf § 314 Abs. 3 [X.] aufzunehmen.

Die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses ist also in §§ 543, 569 [X.] abschließend geregelt und eine Anwendung des § 314 Abs. 3 [X.] somit ausgeschlossen (ebenso MünchKomm[X.]/[X.], 7. Aufl., § 314 Rn. 9; [X.]/[X.], aaO, § 314 Rn 5; [X.]/[X.], aaO, § 314 Rn. 4; [X.]/[X.], aaO, § 543 Rn. 44 f.). Die von Teilen der Literatur (vgl. Häublein, [X.], 1 f; [X.]/[X.], [X.]. 2014, § 543 [X.] Rn. 2, 90; Lützenkirchen, Mietrecht, 2. Aufl., § 543 Rn. 12 ff., 49) vertretene gegenteilige Auffassung verkennt die aus den Materialien ersichtliche eindeutige Zielsetzung des Gesetzgebers.

2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Zwar finden - wie bereits oben unter II 1 a ausgeführt - bei einer auf § 543 Abs. 2 [X.] gestützten Kündigungserklärung die Grundsätze von Treu und Glauben, insbesondere der Verwirkung, Anwendung. Die vom Berufungsgericht beanstandete "Verzögerung" der Kündigung erfüllt jedoch die Voraussetzungen der Verwirkung schon deshalb nicht, weil es - offensichtlich - an einem Umstandsmoment (vgl. dazu Senatsurteil vom 31. Juli 2013 - [X.], [X.]Z 198, 111 Rn. 66) fehlt. Tragfähige Anhaltspunkte für ein Vertrauen der [X.]n, die Klägerin werde von ihrem Recht zur fristlosen Kündigung wegen Verzugs mit zwei Monatsmieten keinen Gebrauch machen, sind vom Berufungsgericht nicht festgestellt und auch sonst nicht ersichtlich. Sie liegen insbesondere nicht schon darin, dass es sich bei der Klägerin um eine Kirchengemeinde handelt und die [X.] früher bei ihr als Küsterin beschäftigt gewesen ist.

III.

Das Berufungsurteil kann demnach keinen Bestand haben, soweit bezüglich der Räumung zum Nachteil der [X.]n entschieden worden ist; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).

Der Senat entscheidet in der Sache selbst, da es keiner weiteren Feststellungen mehr bedarf und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Zurückweisung der Berufung der [X.]n und somit zur vollständigen Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils. Die [X.] ist begründet (§§ 546, 985 [X.]), weil die fristlose Kündigung der Klägerin vom 15. November 2013 das Mietverhältnis beendet hat. Denn die [X.] befand sich im [X.]punkt der Kündigung mit den Mieten für die Monate Februar und April 2013 in Verzug, so dass die Kündigung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b [X.] berechtigt war.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem bei dem [X.] zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils bei dem [X.], [X.], durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.

Dr. Milger                          Dr. Hessel                       Dr. Fetzer

                   Dr. Bünger                          Kosziol

Meta

VIII ZR 296/15

13.07.2016

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Versäumnisurteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Düsseldorf, 16. Dezember 2015, Az: 5 S 40/15

§ 314 Abs 3 BGB, § 543 Abs 2 S 1 Nr 3 Buchst b BGB, § 569 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 13.07.2016, Az. VIII ZR 296/15 (REWIS RS 2016, 8269)

Papier­fundstellen: NJW 2016, 3720 REWIS RS 2016, 8269

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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