Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.05.2016, Az. 4 StR 440/15

4. Strafsenat | REWIS RS 2016, 11031

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Gegenstand

Haushalts-Untreue: Zubilligung von Erfahrungsstufen bei Einstellung als Tarifbeschäftiger im Öffentlichen Dienst; Stufenzuordnung als Rechtsanwendung


Leitsatz

Zur (Haushalts-)Untreue durch Zubilligung von Erfahrungsstufen bei Einstellung als Tarifbeschäftigte(r) im Öffentlichen Dienst.

Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 9. Februar 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine als Wirtschaftsstrafkammer zuständige Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten, den amtierenden Oberbürgermeister der [X.] [X.]    , vom Vorwurf der Untreue zum Nachteil des Vermögens der [X.] im Zusammenhang mit der Einstellung von drei städtischen Bediensteten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.

2

Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel, das vom [X.] nicht vertreten wird, hat Erfolg.

I.

3

1. Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage legte dem Angeklagten zur Last, er habe am Tage seines Dienstantritts als neu gewählter Oberbürgermeister, am 1. Dezember 2012, mit drei von ihm ausgesuchten und ihm genehmen Personen, die ihn bereits in der Vergangenheit bei seiner kommunalpolitischen Arbeit unterstützt hatten und denen er deshalb im besonderen Maße vertraute, unter anderem unter Umgehung geltender Vorschriften über die Ausschreibung derartiger Dienstposten Arbeitsverträge mit einer gemessen an ihrer jeweiligen Qualifikation zu hohen tariflichen Einstufung abgeschlossen. Durch die pflichtwidrige, nämlich unter Verstoß gegen § 16 Abs. 2 Satz 3 [X.] ([X.]) vorgenommene Zuordnung der drei Beschäftigten zur fünften der jeweils sechs zur Verfügung stehenden Erfahrungsstufen der jeweiligen [X.] sei der [X.] [X.]     ein vom Angeklagten zumindest billigend in Kauf genommener [X.] in Höhe von ca. 290.000 Euro entstanden.

4

2. Das [X.] hat dazu im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

5

Im Vorfeld der Übernahme seines Amtes bemühte sich der Angeklagte unter den Beschäftigten der [X.]verwaltung erfolglos um die Gewinnung von Personen für die Besetzung von drei im Haushaltsplan der [X.] ausgebrachten Stellen. Er wollte diese Positionen mit vertrauenswürdigen Mitarbeitern besetzen, die ihn bei der Umsetzung seiner politischen Vorhaben während seiner Amtszeit wirkungsvoll und loyal unterstützen würden, und sah die zügige Besetzung dieser Stellen deshalb als dringlich an. Ihm war bekannt, dass er bei einem Zugriff auf externe Kandidaten allenfalls hinsichtlich der Stelle des [X.] des Oberbürgermeisters auf eine förmliche Ausschreibung würde verzichten können. Gleichwohl setzte er das Einstellungsverfahren mit dem Ziel der Besetzung der Stellen mit den Zeuginnen [X.]und [X.]     sowie mit dem Zeugen P.    , die Tätigkeiten außerhalb der Verwaltung der [X.] [X.]     ausübten und die zur Übernahme der Stellen bereit waren, ohne eine förmliche Ausschreibung in Gang. Alle drei Personen hatten ihn im Vorfeld seiner Wahl zum Oberbürgermeister unterstützt, die Zeugin [X.]war für den Angeklagten darüber hinaus wegen ihrer vorangegangenen Tätigkeit als seine persönliche Referentin in seiner Zeit als Beigeordneter in [X.]eine „gesetzte Mitarbeiterin“. Den Personalrat beteiligte er weder bei der Einstellung der genannten Mitarbeiter noch bei deren konkreter Eingruppierung in die Erfahrungsstufen der den Zeugen zustehenden [X.]n, da er aufgrund zuvor geführter Gespräche mit Vertretern des [X.] sowie Mitgliedern des [X.] Widerstände gegen die von ihm beabsichtigte Stellenbesetzung befürchtete und weitere Diskussionen über seine Entscheidungen und das Auswahlverfahren nicht aufkommen lassen wollte. Er veranlasste ferner, dass dem [X.] der [X.] erst zwei Wochen vor dem beabsichtigten Einstellungstermin Bewerbungsunterlagen der drei von ihm ausgewählten Zeugen übermittelt wurden; diese Unterlagen waren zudem unzureichend.

6

Mit seinem Amtsantritt am 1. Dezember 2012 schloss er sodann die auf seine Amtszeit befristeten Arbeitsverträge mit der Zeugin [X.]als seiner Büroleiterin ([X.] 15 [X.] [X.]), dem Zeugen P.    als Referent für strategische Grundsatzfragen ([X.] 14 [X.] [X.]) und der Zeugin [X.]     als Referentin und wissenschaftliche Sachbearbeiterin für Sicherheit und Ordnung ([X.] 13 [X.] [X.]). Die Unterzeichnung der von ihm selbst erstellten Vertragsurkunden erfolgte in Anwesenheit der drei Zeugen in seinem Büro. Um befürchtete Widerstände seitens des [X.] gegen eine zu hohe Zubilligung von Erfahrungsstufen gar nicht erst aufkommen zu lassen, machte er die jeweils gewährte Erfahrungsstufe 5 in den von ihm eigenhändig unterschriebenen Arbeitsverträgen zum Vertragsbestandteil. Die hausinterne Organisationsverfügung, wonach die Erfahrungsstufe bei Neueinstellungen vom [X.] gesondert festzulegen war, hatte er zuvor durch eine Dienstanweisung aufgehoben. Alle drei Zeugen verbesserten sich durch die ihnen gewährte [X.] mit der jeweiligen Erfahrungsstufe 5 finanziell teilweise deutlich gegenüber ihren bisherigen Tätigkeiten. So war etwa die Vergütung der Zeugin [X.]während ihrer auf ein Jahr befristeten Beschäftigung bei der [X.] [X.]     als persönliche Referentin des Angeklagten in seiner Eigenschaft als Beigeordneter in der [X.] 13 mit der Erfahrungsstufe 1 erfolgt. Auch hatte keine der drei genannten Personen die Erfahrungsstufe 5 bei den Verhandlungen zum Abschluss der jeweiligen Arbeitsverträge gefordert. Der Zeuge P.    hatte vorab lediglich darauf hingewiesen, dass er sich erst ab Erfahrungsstufe 4 finanziell nicht gegenüber seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit schlechter stellen würde und die Zubilligung dieser Erfahrungsstufe für ihn ein wichtiges Entscheidungskriterium für den Abschluss des Arbeitsvertrages wäre. Dass die drei Zeugen ihre Tätigkeit alle auch unter Zubilligung der Erfahrungsstufe 4 ausgeübt hätten, war dem Angeklagten bewusst. Mit der Zubilligung der Erfahrungsstufe 5 verfolgte der Angeklagte unter anderem das Ziel, den Zeugen entgegenzukommen, um sie künftig an sich zu binden, und sie gleichzeitig für die im Wahlkampf geleistete Unterstützung zu belohnen. Nach der in der Verwaltung der [X.] [X.]     geübten Verwaltungspraxis wurde bei zeitlich befristeten Verträgen im Regelfall allenfalls die Erfahrungsstufe 3 als höchste [X.] vergeben. Gleichwohl machte der Angeklagte seine Beweggründe für die höhere Einstufung nicht aktenkundig.

7

Erst mit Schreiben vom 11. Dezember 2012 unterbreitete der Angeklagte ohne nähere Begründung die vorgenommenen Einstellungen mit der dazugehörigen [X.] dem Personalrat, der der Zubilligung der Erfahrungsstufe 5 umgehend widersprach, da er die erforderlichen Nachweise für diese Zuordnung in keinem der drei Fälle als erbracht ansah. Eine Einigung über die Einstufung der drei Zeugen zwischen dem Angeklagten und dem Personalrat kam auch in der Folgezeit nicht zustande. Letztlich setzte sich der Angeklagte, der die Probezeit der drei neu eingestellten Mitarbeiter mit Wirkung zum 30. April 2013 vorzeitig für beendet erklärt hatte, mit der Abgabe einer sog. qualifizierten Begründung nach § 62 Abs. 7 Satz 2 PersVG des [X.], die in seinem Auftrag eine Rechtsanwältin, die Zeugin K.    , unter dem 30. Mai 2013 vorbereitete, über die Einwände des [X.] hinweg, sodass es bei der Zubilligung der Erfahrungsstufe 5 bei allen drei Zeugen verblieb.

8

3. Das [X.] hat den Angeklagten vom Vorwurf der Untreue aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Untreue im Sinne von § 266 StGB in Form der sogenannten Haushaltsuntreue komme nur in Fällen evidenter Pflichtverletzungen in Betracht, also dann, wenn eine sachlich nicht gerechtfertigte und damit unangemessene Gegenleistung gewährt werde. Eine danach erforderliche gravierende Pflichtverletzung habe dem Angeklagten nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden können. Bei der Entscheidung über die Einstufung der drei Mitarbeiter in Erfahrungsstufe 5 habe der Angeklagte in Übereinstimmung mit § 16 Abs. 2 Satz 3 [X.] ([X.]) gehandelt; insbesondere seien alle drei Einstellungen zur Deckung des Personalbedarfs im Sinne dieser Vorschrift erfolgt. Danach sei der Angeklagte befugt gewesen, Zeiten einer vorherigen Beschäftigung für die Frage der Einstufung zu berücksichtigen, wenn diese für die vorgesehene Tätigkeit bloß „förderlich“ gewesen seien. Bei der Beurteilung der Förderlichkeit im Sinne von § 16 Abs. 2 Satz 3 [X.] ([X.]) sei ihm ein weitgehendes Ermessen eingeräumt, welche Vorbeschäftigungen er als förderlich ansehe und in welchem Maße er diese für die Einstufung heranziehe. Diesen Ermessensspielraum habe der Angeklagte im vorliegenden Fall weder grob verkannt noch bewusst umgangen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei es zwar durchaus möglich, wenn nicht sogar naheliegend, dass sich der Angeklagte bei seiner Entscheidung über die Einstufung der drei Mitarbeiter möglicherweise auch von sachfremden Motiven habe beeinflussen lassen. Unter Weglassung sachfremder Kriterien hätte allen drei Personen eine Vergütung nach der Erfahrungsstufe 4 gewährt werden können. Es habe jedoch nicht festgestellt werden können, dass sachfremde Motive allein oder ganz wesentlich die Grundlage der Entscheidung des Angeklagten gebildet hätten. Vielmehr habe er seine Entscheidung im Wesentlichen anhand sachlicher Kriterien getroffen, die zwar im Einzelfall möglicherweise nicht ermessensfehlerfrei berücksichtigt worden seien, aber keinesfalls gravierende oder gar willkürlich erscheinende Fehler darstellten.

II.

9

Die Begründung des [X.]s für den Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das [X.] angenommen, dass eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Untreue im Sinne von § 266 Abs. 1 Fall 2 StGB zum Nachteil der [X.] [X.]     nur in Betracht kommt, wenn er eine ihm obliegende Vermögensbetreuungspflicht verletzt hat. Zu Recht hat es eine derartige Treuepflicht im vorliegenden Fall aus der Stellung des Angeklagten als (hauptamtlicher) Oberbürgermeister im Sinne von § 63 Abs. 1 GO LSA in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung vom 10. August 2009 (GVBl. LSA 2009, 383) gefolgert. Danach oblag es ihm, die Haushaltswirtschaft u.a. nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 90 Abs. 2 GO LSA aF) zu führen (vgl. [X.], NJW 2010, 3209, 3217, [X.]. 128). [X.] wurde dies zum Tatzeitpunkt u.a. auch durch die Verwaltungsvorschrift des [X.] zu § 7 [X.] LSA, wonach das Sparsamkeitsprinzip bei allen ausgabenwirksamen Maßnahmen zu beachten war (Nr. 1 VV zu § 7 [X.] LSA, RdErl. des [X.] v. 1. Februar 2000 – 21 – 04003/2).

b) Der [X.], wonach der Staat nichts „verschenken“ darf, stellt ein allgemeines Prinzip der Haushaltsführung für den gesamten öffentlichen Bereich dar, das von allen Trägern hoheitlicher Gewalt unabhängig davon zu beachten ist, auf welcher Grundlage sie tätig werden (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteile vom 9. Dezember 2004 – 4 [X.], [X.], 83; vom 26. April 2006 – 2 [X.], [X.], 307, und vom 29. August 2007 – 5 [X.], [X.]R StGB § 266 Abs. 1 Pflichtwidrigkeit 4; Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, [X.]. 81 f. mwN, z. Veröff. in [X.]St best.; vgl. auch [X.], Untreue durch Stellenbesetzungen, 2015, [X.] mwN). Als rechtliche Steuerungsnorm ist er dazu bestimmt, einen äußeren Begrenzungsrahmen für den Entfaltungs- und Gestaltungsspielraum aller Hoheitsträger dahingehend zu bilden, solche Maßnahmen zu verhindern, die mit den Grundsätzen vernünftigen Wirtschaftens schlicht unvereinbar sind ([X.], Urteile vom 9. Dezember 2004 und vom 29. August 2007, jeweils aaO; vgl. auch [X.], Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, [X.]. 82 a.E.).

Er verpflichtet indes nicht zur Kostensenkung um jeden Preis. Daher ist auch für die Höhe der im Bereich der öffentlichen Verwaltung gezahlten Vergütungen ein verhältnismäßig weiter Beurteilungs- und Ermessensspielraum eröffnet. Einen durch den Untreuetatbestand strafbewehrten Grundsatz, wonach er der Zubilligung einer höheren Vergütung dann entgegensteht, wenn der Betreffende seine Leistung auch zu anderen, günstigeren Bedingungen erbracht hätte oder erbringen muss, kennt das [X.] Recht nicht ([X.], Urteil vom 29. August 2007 aaO). Daher überschreitet der zur Entscheidung Berufene auch im Bereich der öffentlichen Verwaltung, soweit ihn öffentlich-rechtliche Vorschriften insoweit nicht begrenzen, seinen Ermessensspielraum regelmäßig nicht, wenn er eine angemessene Vergütung zahlt, und zwar auch dann, wenn der betreffende Vertragspartner auf Grund seiner persönlichen wirtschaftlichen Situation selbst zu deutlich ungünstigeren Bedingungen kontrahieren würde. Die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit bilden insoweit lediglich eine äußere Grenze ([X.] aaO).

2. Eine solche Vorschrift, die hier den Entscheidungsspielraum des Angeklagten über die Eingruppierung der bei seinem Amtsantritt eingestellten drei Beschäftigten begrenzte, ist – was das [X.] im Ansatz ebenfalls zutreffend erkannt hat – § 16 [X.] ([X.]). Denn diese Vorschrift trifft eine für die Höhe der Vergütung von Tarifbeschäftigten relevante Regelung. Indem sie die Eingruppierung in verschiedene Erfahrungsstufen im Sinne eines [X.] vom Vorliegen jeweils unterschiedlicher Tatbestandsvoraussetzungen abhängig macht, dient sie zunächst, wie jede Vergütungsbestimmung in einem Tarifvertrag, der Vergütungsgerechtigkeit durch Schaffung eines objektivierten Gefüges ([X.], [X.], 7. Aufl., [X.]. Rn. 7 unter Hinweis auf [X.], Urteil vom 24. März 2004 – 5 [X.], [X.]E 110, 79, [X.]. 44 mwN). Der in [X.] und Kommunen am 1. Oktober 2005 in [X.] getretene [X.] sowie der [X.] für den Bereich der Länder vom 1. November 2006 hatten indes auch zum Ziel, die [X.] im öffentlichen Dienst unter Betonung leistungsorientierter Kriterien zu flexibilisieren (vgl. dazu Winter in: [X.] (Hrsg.), [X.], 3. Aufl., § 1, Rn. 401, 404). Ermöglicht es aber eine tarifvertragliche Bestimmung – wie hier § 16 Abs. 2 Satz 3 [X.] ([X.]) – dem öffentlichen Arbeitgeber, diesem Gesichtspunkt bei der Eingruppierung eines Tarifbeschäftigten Rechnung zu tragen, ist er bei seiner auf diese Vorschrift gestützten Entscheidung seinerseits zur Einhaltung der Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verpflichtet ([X.], Urteil vom 5. Juni 2014 – 6 [X.], [X.]E 148, 217, [X.]. 20 zur gleichlautenden Vorschrift des § 16 Abs. 2 Satz 4 [X.]).

3. Die Annahme der Strafkammer, der Angeklagte habe bei der Zubilligung der Erfahrungsstufe 5 für die drei eingestellten Mitarbeiter in Übereinstimmung mit § 16 Abs. 2 Satz 3 [X.] ([X.]) gehandelt, lässt indes nicht nur besorgen, dass sie den Regelungsgehalt dieser tarifrechtlichen Bestimmung verkannt hat, sondern auch, dass sich dieser rechtlich fehlerhafte Ausgangspunkt bei der Beurteilung der Frage, ob der Angeklagte den drei Beschäftigten jeweils eine sachlich nicht gerechtfertigte, unangemessene Vergütung gewährt und damit im Sinne von § 266 StGB pflichtwidrig gehandelt hat, zu seinem Vorteil ausgewirkt hat.

a) Nach § 16 Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.] ([X.]) werden Beschäftigte ohne einschlägige Berufserfahrung der Erfahrungsstufe 1 zugeordnet, verfügen sie über einschlägige Berufserfahrungen unter den in Satz 2 näher bestimmten Voraussetzungen, erfolgt eine Zuordnung maximal in die dritte Erfahrungsstufe. Unabhängig davon kann der Arbeitgeber nach der hier entscheidungserheblichen Bestimmung des § 16 Abs. 2 Satz 3 [X.] ([X.]) bei Neueinstellungen zur Deckung des Personalbedarfs Zeiten einer vorherigen beruflichen Tätigkeit ganz oder teilweise für die [X.] berücksichtigen, wenn diese Tätigkeit für die vorgesehene Tätigkeit förderlich ist.

b) Schon die Erwägung des [X.]s, der Angeklagte habe die hier in Rede stehenden Einstellungen in Erfahrungsstufe 5 „zur Deckung des Personalbedarfs“ im Sinne von § 16 Abs. 2 Satz 3 [X.] ([X.]) vorgenommen, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

aa) Nach der insoweit einschlägigen Rechtsprechung des [X.]esarbeitsgerichts ist die [X.] nach § 16 Abs. 2 Satz 3 [X.] ([X.]) reine Rechtsanwendung. Bei den Merkmalen der bezweckten Deckung eines Personalbedarfs – ebenso wie bei der Bewertung der Förderlichkeit einer vorherigen beruflichen Tätigkeit – handelt es sich daher um eine Tatbestandsvoraussetzung. Erst wenn diese beiden einschränkenden Voraussetzungen objektiv erfüllt sind, wird dem Arbeitgeber auf der [X.] Ermessen eröffnet (vgl. nur [X.], Urteil vom 5. Juni 2014 – 6 [X.], [X.]E 148, 217 mwN zur gleichlautenden Vorschrift des § 16 Abs. 2 Satz 4 [X.]). Das Tatbestandsmerkmal „zur Deckung des Personalbedarfs“ ist nur dann erfüllt, wenn der Arbeitgeber tatsächlich Schwierigkeiten bei der Gewinnung von Personal für die Besetzung einer bestimmten Stelle hat ([X.], Urteil vom 26. Juni 2008 – 6 [X.], [X.], 547, [X.]. 29). Dies liegt etwa auch dann vor, wenn die für eine Stelle in Aussicht genommene Person nicht bereit ist, diese ohne Zubilligung einer bestimmten Erfahrungsstufe anzutreten (vgl. [X.], Urteil vom 21. März 2011 – 22 Sa 76/10, [X.], 426, [X.]. 102).

bb) Bereits daran fehlt es hier nach den im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen.

Das [X.] hat eine derartige Schwierigkeit, Personen für die Besetzung der drei im Haushaltsplan vorhandenen Stellen zu gewinnen, gerade nicht festgestellt. Zwar waren die Bemühungen des Angeklagten zur Gewinnung von Kandidaten für die Stellen aus dem Kreis der bei der [X.] [X.]     Beschäftigten erfolglos. Mit den Zeuginnen [X.]und [X.]     sowie dem Zeugen P.    standen indes Anwärter für die Stellen zur Verfügung; deren Einstellung sollte auch erfolgen. Auch hatte nur einer von ihnen, der Zeuge P.    , die Zubilligung einer bestimmten Erfahrungsstufe – Stufe 4 – als Bedingung für den Abschluss des Arbeitsvertrages konkret gefordert. Damit war bereits die erste Voraussetzung für die Anwendung von § 16 Abs. 2 Satz 3 [X.] ([X.]) unter Zubilligung der Erfahrungsstufe 5 nach den Feststellungen nicht gegeben.

c) Ungeachtet dessen hält auch die weitere Annahme des [X.]s, der Angeklagte habe die Zubilligung der Erfahrungsstufe 5 vornehmen können, da alle drei Beschäftigten in der Vergangenheit berufliche Tätigkeiten ausgeübt hätten, die im Sinne von § 16 Abs. 2 Satz 3 [X.] ([X.]) für die vorgesehenen Tätigkeiten „förderlich“ seien, rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

aa) Nach der Rechtsprechung des [X.]esarbeitsgerichts kommen als förderliche vorherige berufliche Tätigkeiten in erster Linie gleichartige und gleichwertige Tätigkeiten in Betracht, die der Arbeitnehmer bei einem anderen öffentlichen oder privaten Arbeitgeber ausgeübt hat. Förderlichkeit kann insbesondere anzunehmen sein, wenn die frühere berufliche Tätigkeit mit der auszuübenden Tätigkeit in sachlichem Zusammenhang steht und die dabei erworbenen Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen für die Erfüllung der auszuübenden Tätigkeit offenkundig von Nutzen sind. Auch eine selbstständige Tätigkeit kann danach eine förderliche berufliche Tätigkeit sein (vgl. zu alledem [X.], Urteile vom 5. Juni 2014 – 6 [X.], [X.]E 148, 217, [X.]. 30; vom 19. Dezember 2013 – 6 [X.], [X.]. 58, und vom 21. November 2013 – 6 [X.], [X.], 148, [X.]. 53).

bb) Gemessen daran wird die dahingehende Annahme des [X.]s, die sich letztlich nur auf die ungeprüft übernommene [X.]assung des Angeklagten und die von ihm veranlasste sog. qualifizierte Begründung im Rahmen des personalvertretungsrechtlichen Einigungsverfahrens stützt, nicht hinreichend belegt. Nach den getroffenen Feststellungen versteht sich dies im Hinblick auf alle drei betroffenen Personen auch nicht von selbst. Es kommt hinzu, dass das [X.] nicht ausschließbar die Auffassung vertreten hat, dem Angeklagten stünde bereits bei der Bejahung des Merkmals der Förderlichkeit ein „weitgehendes“ Ermessen zu. Dies trifft jedoch, wie oben näher ausgeführt, nicht zu, weil es sich insoweit um reine Rechtsanwendung auf der Tatbestandsseite von § 16 Abs. 2 Satz 3 [X.] ([X.]) handelt.

Danach beruht der Freispruch des Angeklagten in entscheidungserheblichen Punkten auf der rechtlich unzutreffenden Bewertung derjenigen Tatbestandsmerkmale von § 16 Abs. 2 Satz 3 [X.] ([X.]), die dem Angeklagten erst die Möglichkeit eröffneten, über die Eingruppierung der drei Beschäftigten in einer über der Stufe 3 liegenden Erfahrungsstufe zu befinden.

4. [X.] erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis rechtsfehlerfrei.

Tragfähige Feststellungen zu einem der [X.] [X.]     als [X.] möglicherweise entstandenen Vermögensschaden hat das [X.], da es bereits das Vorliegen einer Pflichtverletzung verneint hat, nicht getroffen. Der [X.] vermag dem angefochtenen Urteil schon im Hinblick auf die Erwägungen zu dem durch die Zubilligung der Erfahrungsstufe 5 notwendig gewordenen erhöhten Mittelabfluss aus dem Haushalt der [X.] [X.]     nicht zu entnehmen, dass ein solcher Schaden unter keinem denkbaren Gesichtspunkt entstanden sein kann.

III.

Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der [X.] auf Folgendes hin:

1. Sollte der neue Tatrichter im Hinblick auf die Begleitumstände der Zubilligung der Erfahrungsstufe 5 für alle drei Beschäftigten zu Feststellungen gelangen, die denen des angefochtenen Urteils entsprechen, wird er in einer Gesamtbetrachtung zu bewerten haben, ob diese die Annahme einer Pflichtverletzung im Sinne des § 266 StGB stützen können oder jedenfalls für die Beurteilung der subjektiven Tatseite von Bedeutung sind. Dabei wird gegebenenfalls in den Blick zu nehmen sein, dass der Angeklagte bestehende [X.] nicht beachtete, die für die Einstufung maßgeblichen Gründe nicht dokumentierte, ferner die verspätete Zuleitung unvollständiger Bewerbungsunterlagen an das [X.] der [X.], die Nichtbeteiligung des Personalrats, die vorfristige Verkürzung der vorgesehenen Probezeiten und der Umstand, dass der Angeklagte – nach den Feststellungen in Abweichung von der üblichen Verfahrensweise – die Zubilligung der Erfahrungsstufe unmittelbar in den Arbeitsverträgen festschrieb.

2. Bei der Berechnung eines der [X.] [X.]     möglicherweise entstandenen Vermögensschadens wird Folgendes zu bedenken sein:

Maßgeblich für die Feststellung eines derartigen Schadens ist ein Vergleich des Vermögensstandes der [X.]verwaltung vor dem Abschluss der drei Arbeitsverträge mit dem Vermögensstand danach. Danach könnte jedenfalls die Feststellung eines Mindestschadens in Höhe der Differenzbeträge zwischen einer möglicherweise maximal zu bewilligenden Erfahrungsstufe 4 und der tatsächlich bewilligten Stufe 5 sowie der dadurch letztlich veranlasste Mittelabfluss aus dem Haushalt in Betracht zu ziehen sein. Im Übrigen verweist der [X.] auf die Rechtsprechung des [X.]esgerichtshofs zur Schadensberechnung in derartigen Fällen (vgl. nur [X.], Urteil vom 4. Mai 1962 – 4 [X.], [X.]St 17, 254, 256).

IV.

Der [X.] macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache an die Wirtschaftsstrafkammer eines anderen [X.]s zurückzuverweisen.

[X.]Franke

                       Mutzbauer                            [X.]

Meta

4 StR 440/15

24.05.2016

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Halle (Saale), 9. Februar 2015, Az: 2 KLs 901 Js 14285/13 (3/14)

§ 266 StGB, § 16 Abs 2 S 3 TVöD-V

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.05.2016, Az. 4 StR 440/15 (REWIS RS 2016, 11031)

Papier­fundstellen: NJW 2016, 3734 REWIS RS 2016, 11031

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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