Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 02.12.2019, Az. 1 B 75/19

1. Senat | REWIS RS 2019, 936

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Gegenstand

Verlängerung der Dublin III-Überstellungsfrist ist kein Verwaltungsakt


Leitsatz

1. Die Verlängerung der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO ist kein Verwaltungsakt.

2. Bei "Wiederauftauchen" eines flüchtig gewesenen Schutzsuchenden ist nach erfolgter Verlängerungsmitteilung an den zuständigen Mitgliedstaat unter Benennung der neuen Überstellungsfrist die Überstellungsfrist nicht nachträglich auf sechs Monate begrenzt oder zu begrenzen.

Gründe

1

Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen, die gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO im Einzelnen darzulegen sind, sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 1. April 2014 - 1 [X.] 1.14 - AuAS 2014, 110 und vom 10. März 2015 - 1 [X.] 7.15 - juris Rn. 3).

3

2. Gemessen daran ist die Revision nicht wegen grundsätzlicher [X.]edeutung zuzulassen.

4

2.1 Die von dem Kläger aufgeworfene Frage,

"Handelt es sich bei der Entscheidung über die Verlängerung der Überstellungsfrist gem. Art. 29 Abs. 2 S. 2 [X.] [X.] um einen Verwaltungsakt?",

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision.

5

a) Es ist schon nicht dargelegt, dass sich diese Frage in einem Revisionsverfahren entscheidungserheblich stellen könnte.

6

Die Verlängerung der Frist für eine Überstellung des Klägers nach [X.], von der die [X.] [X.]ehörden am 16. Juni 2015 per Formblatt unterrichtet worden sind, ist jedenfalls nicht unmittelbarer Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens. Soweit es sich bei der Verlängerungsentscheidung um einen Verwaltungsakt handelte, ist dieser jedenfalls Mitte des Jahres 2016 dem Kläger durch das Urteil des [X.] vom 6. Juni 2016 - [X.]/15 - offenbart worden; hierfür muss er zuvor zumindest bekannt gewesen sein, wäre bei entsprechendem behördlichem [X.]ekanntgabewillen jedenfalls "auf andere Weise" bekanntgegeben worden und damit wirksam geworden (s.a. [X.]/[X.], [X.], 20. Aufl. 2019, § 41 Rn. 9a). Wird davon ausgegangen, dass einer als Verwaltungsakt ergangenen Verlängerungsentscheidung jedenfalls eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung nicht beigefügt war, wäre dieser Verwaltungsakt Mitte 2017 bestandskräftig geworden.

7

Hierzu verhält sich das [X.]eschwerdevorbringen nicht. Der Kläger legt insbesondere nicht dar, dass er gegen einen Verlängerungsbescheid Anfechtungsklage erhoben hätte, ein etwa ergangener, die Verlängerung aussprechender, in [X.]estandskraft erwachsener Verwaltungsakt nach § 44 [X.] nichtig sein könnte, er bereits nach §§ 48, 49 [X.] aufgehoben worden oder ein entsprechendes förmliches Aufhebungsbegehren im [X.]erufungsverfahren Streitgegenstand gewesen wäre. Dann aber fehlt es an einer Darlegung, inwieweit die [X.]eantwortung der aufgeworfenen Frage im Revisionsverfahren entscheidungserheblich werden könnte.

8

b) Unabhängig davon lässt sich diese Frage mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens dahin beantworten, dass die Verlängerung der Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 [X.] [X.] - insoweit entgegen der von der [X.]eschwerde herangezogenen Entscheidung des [X.] (Urteil vom 16. November 2018 - 1 K 12434/17.TR) - nicht durch Verwaltungsakt erfolgt oder zu erfolgen hat.

9

Art. 29 Abs. 2 Satz 2 [X.] [X.] sieht für die Verlängerung eine gesonderte, gegenüber dem Schutzsuchenden zu treffende Entscheidung nicht ausdrücklich vor. Die Verlängerungsentscheidung ist (innerstaatlich) eine - tatbestandlich gebundene - Verfahrensentscheidung, die (außerstaatlich) dem zuständigen, ersuchten Staat mitzuteilen ist, um einem [X.] durch Ablauf der Überstellungsfrist zu begegnen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ist Art. 29 Abs. 2 Satz 2 der [X.] [X.] dahin auszulegen, dass es für eine Verlängerung der Überstellungsfrist höchstens auf 18 Monate genügt, dass der ersuchende Mitgliedstaat vor Ablauf der sechsmonatigen Überstellungsfrist den zuständigen Mitgliedstaat darüber informiert, dass die betreffende Person flüchtig ist, und zugleich die neue Überstellungsfrist benennt ([X.], Urteil vom 19. März 2019 - [X.]/17 [[X.]:[X.]:C:2019:218], [X.] - Rn. 75). Eine besondere Rechtsform der vorgelagerten innerstaatlichen Verfahrensentscheidung, den zuständigen Mitgliedstaat zu unterrichten, wird weder erwähnt noch vorausgesetzt; auch eine Mitteilung an den Schutzsuchenden ist nicht vorgesehen. Sie wäre - jedenfalls als Wirksamkeitsvoraussetzung der Mitteilung gegenüber dem zuständigen Mitgliedstaat - überdies geeignet, in der in Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 der [X.] [X.] genannten Situation diese [X.]estimmung schwer anwendbar zu machen und ihr einen Teil ihrer praktischen Wirksamkeit zu nehmen, weil sie eine [X.]ekanntgabe an eine Person voraussetzte, die als flüchtig anzusehen ist.

Selbst wenn unterstellt wird, dass Art. 29 Abs. 2 [X.] [X.] den Mitgliedstaaten in [X.]ezug auf die Handlungsform, in der die Vermeidung eines [X.]s durch Verlängerung der Überstellungsfrist wegen Flucht bewirkt wird, einen gewissen Spielraum ließe (dies verneint etwa [X.], Urteil vom 27. August 2019 - 7 K 178/18.TR - juris), wäre hierfür die [X.] weder ausdrücklich vorgesehen noch aus Gründen effektiven Rechtsschutzes geboten. Der Schutzsuchende hat zwar einen subjektiv-öffentlichen Anspruch darauf, dass die objektive Zuständigkeitsordnung eingehalten und insbesondere ein durch das Fristenregime des Art. 29 Abs. 2 [X.] [X.] bewirkter [X.] auch beachtet wird. Insbesondere ist Art. 27 Abs. 1 der [X.] [X.] dahin auszulegen, dass im Rahmen eines gegen eine Überstellungsentscheidung gerichteten Verfahrens die betreffende Person sich auf Art. 29 Abs. 2 der Verordnung berufen und geltend machen kann, dass die sechsmonatige Überstellungsfrist abgelaufen sei, weil sie nicht flüchtig gewesen sei ([X.], Urteil vom 19. März 2019 - [X.]/17 - Rn. 70). Diese unionsrechtlich gebotene Inzidentüberprüfung der rechtlichen Voraussetzungen der Verlängerungsmitteilung an den zuständigen Mitgliedstaat streitet indes zusätzlich gegen eine nationale Ausgestaltung der Verlängerung als (auch) an den Schutzsuchenden zu adressierender, gesondert angreifbarer Verwaltungsakt. Erforderte die Verlängerungsmitteilung einen solchen Verwaltungsakt, wäre dieser potentiell der [X.]estandskraft zugänglich und müsste dann auch gesondert angegriffen werden.

Eine solche inzidente Überprüfung ist nach nationalem Recht im Übrigen auch dann gewährleistet, wenn die Überstellungsentscheidung bestandskräftig geworden ist; bei nachträglichem [X.] kommt etwa ein Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens wegen einer Änderung der Sachlage in [X.]etracht, ggf. auch hieran anknüpfender gerichtlicher Rechtsschutz.

2.2 Die von dem Kläger weiterhin aufgeworfene Frage,

"Muss die zuständige [X.]ehörde - hier: das [X.]undesamt für Migration und Flüchtlinge - bei dieser Entscheidung Ermessen ausüben?",

bedarf bereits wegen ihres erkennbaren [X.]ezuges zu der - zu verneinenden - Frage zur [X.] (s.o. 2.1) als Folgefrage keiner eigenständigen [X.]eantwortung.

Im Übrigen fehlt es an der hinreichenden Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der so gestellten Frage. Der Umstand, dass das [X.]undesamt der [X.]eklagten im Rahmen seines weiten Verfahrensermessens sowohl darüber zu befinden hat, ob die Verlängerungsmitteilung an den zuständigen Mitgliedstaat ergeht, als auch darüber, ob für die neue Überstellungsfrist die unionsrechtlich eröffnete [X.] von achtzehn Monaten auszuschöpfen ist, macht diese Entscheidung jedenfalls nicht zu einer "Ermessensentscheidung" im Sinne des § 40 [X.], die nach § 39 Abs. 1 Satz 3 [X.] zu begründen wäre. Lagen - wie hier nach den nicht mit beachtlichen Verfahrensrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des [X.]erufungsgerichts - die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Verlängerungsmitteilung an den zuständigen Mitgliedstaat vor, ist eine Verlängerung auf bis zu achtzehn Monate unionsrechtlich vorgesehen und willkürfrei möglich. Der bei nationalem [X.]egriffsverständnis auf eine Ermessensentscheidung deutende [X.]egriff "kann" weist bei der unionsweit gebotenen [X.]etrachtung lediglich auf die Einräumung einer entsprechenden Ermächtigung (sog. "Kompetenz-Kann"; dazu [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 22. August 2016 - 1 [X.] 44.16 - juris). Art. 29 Abs. 2 Satz 2 [X.] [X.] enthält insoweit keine weiteren Einschränkungen. Sie ergeben sich in Fällen fluchtbedingter Verlängerung (Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 [X.] [X.]) auch nicht aus der - aus von dem Schutzsuchenden zu vertretenden Gründen - nicht anwendbaren Regelüberstellungsfrist; [X.]eschränkungen ergeben sich auch nicht aus der [X.] ([X.]) Nr. 1560/2003 (Verordnung vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung ([X.]) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur [X.]estimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist) (s. VG Greifswald, Urteil vom 15. November 2017 - 3 A 2051/16 As HGW - juris Rn. 28; [X.], Urteil vom 27. August 2019 - 7 K 178/18.TR - juris; VG [X.]remen, [X.]eschluss vom 28. Juni 2019 - 6 V 860/19 - AuAS 2019, 178 <180>; s.a. [X.]rauer, ZAR 2019, 256 <262>). Dass das [X.]undesamt der [X.]eklagten diesen Rechtsrahmen nicht gewahrt hat, macht die [X.]eschwerde nicht geltend.

Mangels tatrichterlicher Feststellungen zu möglichen besonderen Umständen des Einzelfalles sowie hierauf bezogenen [X.]eschwerdevorbringens, welche das [X.]undesamt im Zeitpunkt der Mitteilung an den zuständigen Mitgliedstaat zur [X.]enennung einer kürzeren neuen Überstellungsfrist (oder hierauf bezogenen Überlegungen) hätten veranlassen können oder gar müssen, besteht auch sonst kein Anlass, die Revision zuzulassen, um in einem Revisionsverfahren die verwaltungsgerichtliche Prüfungsdichte der Verfahrensentscheidung näher zu bestimmen oder die Frage zu vertiefen, ob sich die unionsrechtlich vorgesehene Inzidentüberprüfung der rechtlichen Voraussetzungen der Verlängerungsmitteilung auch auf die [X.]enennung einer bestimmten Überstellungsfrist zu erstrecken hat, unionsrechtlich mithin ein subjektiv-öffentlichrechtlicher Anspruch auf ermessensfehler- oder doch willkürfreie [X.]emessung innerhalb des unionsrechtlich vorgegebenen Rahmens besteht (verneinend [X.], Urteil vom 19. September 2018 - 6 K 445/18.A - juris Rn. 28).

2.3 Die Frage schließlich,

"Muss die zuständige [X.]ehörde erneut eine Entscheidung treffen und verkürzt sich die Überstellungsfrist des Art. 29 [X.] [X.] von 18 Monaten auf 6 Monate, wenn ein flüchtig gewesener Ausländer sich wieder bei den [X.]ehörden meldet?",

ist ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens in der gestellten Form mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung zu verneinen, und zwar auch in Ansehung des von der [X.]eschwerde herangezogenen Urteils des [X.] vom 16. November 2018 - 1 K 12434/17.TR - (juris Rn. 32 ff.).

Die [X.] [X.] enthält im Kapitel VI für das Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren (Art. 21 f., 23 ff.) sowie die Überstellung (Art. 29) ein ausdifferenziertes Fristenregime, regelt die Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung der Fristen und enthält Verfahrensgarantien für die [X.]etroffenen (Art. 26, 27). Dem Wortlaut dieser detaillierten Regelungen ist nichts dafür zu entnehmen, dass eine - rechtmäßig - nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 [X.] [X.] verlängerte Überstellungsfrist eo ipso sich dann veränderte, wenn ein zeitweilig flüchtiger Schutzsuchender nach der Verlängerungsmitteilung wieder auftaucht, die [X.]ehörde dann die Überstellungsfrist von Amts wegen erneut zu bestimmen hätte (und zwar auf höchstens sechs Monate nach dem [X.]) oder dem Schutzsuchenden ein Anspruch auf Fristverkürzung zustehen könnte; der [X.] ([X.]) Nr. 1560/2003 lässt sich insoweit ebenfalls nichts entnehmen. Auch das Urteil des [X.] vom 19. März 2019 ([X.]/17), das auf Vorlage des [X.]erufungsgerichts im vorliegenden Verfahren ergangen ist, enthält keinen Hinweis auf die Möglichkeit oder gar Notwendigkeit der nachträglichen Verkürzung - sei es automatisch, sei es durch behördliche Entscheidung - einer einmal rechtmäßig mitgeteilten Verlängerung der Überstellungsfrist, obwohl dem [X.] bewusst war, dass der Kläger bereits am Tage der Verlängerungsmitteilung "wiederaufgetaucht" war ([X.], Urteil vom 19. März 2019 - [X.]/17 - Rn. 32).

Die Regelüberstellungsfrist von sechs Monaten (Art. 29 Abs. 2 Satz 1 [X.] [X.]) findet in den Fällen des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 [X.] [X.] gerade keine direkte Anwendung. Der Rückgriff auf den Rechtsgedanken bzw. das Ziel dieser Regelung ([X.], Urteil vom 16. November 2018 - 1 K 12434/17.TR - juris Rn. 31 ff.), dass den Mitgliedstaaten nach erfolgter Klärung der internationalen Zuständigkeiten auch eine zügige Überstellung abzuverlangen ist, für deren Organisation und Durchführung ein zusammenhängender Zeitraum von sechs Monaten zur Verfügung zu stehen hat ([X.], Urteil vom 29. Januar 2009 - C-19/08 [[X.]:[X.]:[X.]], [X.] - Rn. 43 ff.; [X.]VerwG, Urteil vom 26. Mai 2016 - 1 C 15.15 - [X.]uchholz 451.902 [X.]. Ausländer- u. Asylrecht Nr. 83), vernachlässigt bereits im Ansatz, dass der Verordnungsgeber hieran für die Fristverlängerung nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 [X.] [X.] gerade nicht angeknüpft und auch nicht bestimmt hat, dass in Fällen des "[X.]s" flüchtig gewesener Schutzsuchender erneut eine auf sechs Monate begrenzte Überstellungsfrist in Lauf gesetzt wird. Damit hat der Verordnungsgeber, der auch sonst keine ausdrückliche Regelung für diese Fallgruppe getroffen hat, obwohl die Fristverlängerungsmöglichkeit erkennbar davon ausgeht, dass im Regelfall mit einem "[X.]" des Schutzsuchenden binnen der verlängerten Frist zu rechnen ist ([X.], Urteil vom 27. August 2019 - 7 K 178/18.TR - juris Rn. 71), sich gegen eine entsprechende Anwendung der Frist des Satzes 1 in diesen Fällen entschieden. Für eine Korrektur der Fristen des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 [X.] [X.] durch eine analoge Anwendung der Frist des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 [X.] [X.] fehlt es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke ([X.], [X.]eschluss vom 30. April 2019 - 9 L 420/19.A - juris Rn. 23; [X.], [X.]eschluss vom 23. August 2019 - 5 L 319/19.A - juris Rn. 6). Aus denselben Gründen scheidet auch eine teleologisch reduzierende Auslegung aus (s.a. VG Greifswald, Urteil vom 15. November 2017 - 3 A 2051/16 As HGW - juris; [X.], Urteil vom 27. August 2019 - 7 K 178/18.TR - juris; VG [X.]remen, [X.]eschluss vom 28. Juni 2019 - 6 V 860/19 - AuAS 2019, 178).

Gegen eine Übertragung der Regelüberstellungsfrist des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 [X.] [X.] auf die Fälle des § 29 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 [X.] [X.] spricht zudem, dass Fälle, in denen die Regelüberstellungsfrist (Art. 29 Abs. 2 Satz 1 [X.] [X.]) wegen der Flucht des Schutzsuchenden nicht gewahrt werden musste, mit dem Regelfall gerade nicht vergleichbar sind.

2.4 Das [X.]eschwerdevorbringen wirft der Sache nach keine Rechtsfragen zur Auslegung einer entscheidungserheblichen Regelung des Unionsrechts auf, in [X.]ezug auf die der Senat in einem zukünftigen Revisionsverfahren nach Art. 267 Abs. 3 A[X.]V voraussichtlich eine Vorabentscheidung des [X.] einzuholen hätte ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 22. Oktober 1986 - 3 [X.] 43.86 - [X.]uchholz 310 § 132 VwGO Nr. 243 und vom 30. Januar 1996 - 3 N[X.] 2.94 - [X.]uchholz 310 § 47 VwGO Nr. 111; s.a. [X.]VerfG, [X.] vom 25. August 2008 - 2 [X.]vR 2213/06 - NVwZ 2009, 519). Das von der [X.]eschwerde in [X.]ezug genommene Urteil des [X.] vom 16. November 2018 - 1 K 12434/17.TR - (juris), das sich überdies noch nicht mit dem zu Art. 29 Abs. 2 Satz 2 [X.] [X.] ergangenen Urteil des [X.] vom 19. März 2019 - [X.]/17 - (Rn. 75) auseinandersetzen konnte, gibt aus den vorstehend dargelegten Gründen keinen Anlass zu Zweifeln.

2.5 [X.]ei dieser Sachlage bedarf es nicht der Entscheidung, ob die Erwägung des [X.]erufungsgerichts ([X.]), der Kläger könne sich auch dann, wenn eine an sich drittschützende Überstellungsfrist abgelaufen wäre, wegen "treuwidrigen Verhaltens" im konkreten Einzelfall hierauf nicht berufen, unabhängig von ihrer sachlichen [X.]egründbarkeit eine die Entscheidung hinsichtlich der vorstehend aufgeworfenen Fragen auch selbstständig tragende Erwägung bildet, in [X.]ezug auf die mit der [X.]eschwerde Zulassungsgründe nicht geltend gemacht oder dargelegt sind.

3. Von einer weiteren [X.]egründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

4. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § [X.] [X.] nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Meta

1 B 75/19

02.12.2019

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 29. Juli 2019, Az: A 4 S 749/19, Urteil

Art 29 Abs 2 EUV 604/2013, § 132 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 133 VwGO, § 44 VwVfG, § 48 VwVfG, § 49 VwVfG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 02.12.2019, Az. 1 B 75/19 (REWIS RS 2019, 936)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 936

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