Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.03.2019, Az. IX ZB 54/18

9. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 9072

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Gegenstand

Kostenentscheidung: Vorliegen eines sofortigen Anerkenntnisses nach Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens


Leitsatz

Ein sofortiges Anerkenntnis liegt nach Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens regelmäßig nur vor, wenn der Beklagte dieses innerhalb der Klageerwiderungsfrist erklärt und er in seiner Verteidigungsanzeige weder einen klageabweisenden Antrag angekündigt hat noch dem Klageanspruch auf sonstige Weise entgegengetreten ist.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Zivilsenats des [X.] vom 30. April 2018 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Der [X.] beträgt 13.000 €.

Gründe

I.

1

Der Kläger, Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin, verlangte die Rückgewähr von Zahlungen der Schuldnerin an das Finanzamt nach §§ 143, 133 InsO. Außergerichtlich lehnte dieses Zahlungen ab. Daraufhin hat der Kläger das beklagte Land verklagt; die Klageschrift ist dem [X.]n mit der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens nach § 276 ZPO und der Aufforderung zugestellt worden, innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung der Klage dem Gericht schriftlich mitzuteilen, wenn er sich gegen die Klage verteidigen wolle oder ob der Anspruch teilweise oder ganz anerkannt werde. Gleichzeitig ist dem [X.]n aufgegeben worden, innerhalb einer Frist von weiteren zwei Wochen schriftlich auf die Klage zu erwidern. Innerhalb der ersten dem [X.]n gesetzten Frist haben sich Prozessbevollmächtigte für ihn bestellt und einen Klageabweisungsantrag angekündigt. Die gesonderte Begründung werde folgen. Innerhalb der [X.] ist der [X.] anerkannt und beantragt worden, die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger aufzuerlegen. Das [X.] hat demgegenüber die Kosten des Rechtsstreits dem [X.]n aufgebürdet. Dessen sofortige Beschwerde hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der [X.] sein erstinstanzliches Begehren weiter.

II.

2

Die zulässige (§ 99 Abs. 2, § 567 Abs. 2, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

3

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, der [X.] habe den [X.] im gerichtlichen Verfahren nicht sofort anerkannt, weil er mit der Verteidigungsanzeige den Antrag auf Klageabweisung angekündigt und erst innerhalb der [X.] anerkannt habe.

4

2. Dies hält rechtlicher Überprüfung stand. Der [X.] hat den [X.] entgegen § 93 ZPO nicht sofort anerkannt. Ihm waren deswegen nach §§ 93, 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

5

a) Nach § 93 ZPO sind dem Kläger die Prozesskosten aufzuerlegen, wenn der [X.] keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat und den geltend gemachten Anspruch sofort anerkennt. Ob diese Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen, ist eine Frage tatrichterlicher Würdigung, die im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt überprüft werden kann ([X.], Beschluss vom 22. Oktober 2015 - [X.], [X.], 572 Rn. 17). Die Entscheidung des [X.], der [X.] habe den [X.] nicht sofort im Sinne von § 93 ZPO anerkannt, ist in diesem Rahmen nicht zu beanstanden. Wenn das Gericht ein schriftliches Vorverfahren anordnet, muss das Anerkenntnis nicht schon in der Verteidigungsanzeige erklärt werden. Es kann vielmehr, jedenfalls wenn die Verteidigungsanzeige weder einen Sachantrag ankündigt noch das Klagevorbringen bestreitet, noch in der fristgerecht eingereichten Klageerwiderung erklärt werden ([X.], Beschluss vom 30. Mai 2006 - [X.], [X.]Z 168, 57 Rn. 22; vom 22. Oktober 2015, aaO Rn. 21). So ist der [X.] verfahren, jedoch erst nachdem er zuvor in der Verteidigungsanzeige einen Antrag auf Klageabweisung angekündigt hatte.

6

b) In Literatur und Rechtsprechung ist streitig, ob im Fall des schriftlichen Vorverfahrens ein in der Klageerwiderung erklärtes Anerkenntnis noch sofort erfolgt, wenn der [X.] in der Verteidigungsanzeige einen Antrag auf Klageabweisung angekündigt hat. So wird vertreten, dass ein [X.]r in diesem Fall das [X.] des § 93 ZPO verliert ([X.] 2003, 198; [X.] 2004, 513, 514; [X.] 2005, 523, 524; [X.], Beschluss vom 10. Mai 2007 - 20 [X.] 14/06, juris Rn. 13; [X.], Beschluss vom 20. November 2007 - 5 W 51/07, juris Rn. 5; [X.], [X.], 1643; [X.], Beschluss vom 26. April 2016 - 1 W 10/16, juris, Rn. 28 f; [X.]/[X.], ZPO, 32. Aufl., § 93 Rn. 4; Prütting/Gehrlein/[X.], ZPO, 10. Aufl., § 93 Rn. 3; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 93 Rn. 14; [X.], [X.], 190, 192). Andere meinen, auch nach der Ankündigung des Antrags auf Klageabweisung in der Verteidigungsanzeige könne der [X.] in der Klageerwiderung sofort im Sinne von § 93 ZPO anerkennen ([X.], [X.], 1748, 1749; wohl auch [X.], ZPO, 23. Aufl., § 93 Rn. 6 f), zumindest, wenn er mit der Ankündigung des [X.] gleichzeitig zum Ausdruck bringe, er habe den [X.] noch nicht abschließend prüfen können ([X.], 813, 814; BeckOK-ZPO/Jaspersen, 2018, § 93 Rn. 98), oder - umgekehrt - wenn er nicht in der Verteidigungsanzeige eine erkennbar abschließend gemeinte ablehnende Stellungnahme zur Klage vorbringe ([X.], [X.], 1075, 1076).

7

c) Wenn das Gericht nach § 272 Abs. 2 Fall 2, § 276 ZPO ein schriftliches Vorverfahren anordnet, liegt in dem in der fristgerecht eingereichten Klageerwiderung erklärten Anerkenntnis des [X.]s nur dann ein sofortiges im Sinne von § 93 ZPO, wenn der [X.] in seiner Verteidigungsanzeige keinen Antrag auf Klageabweisung angekündigt hat und dem [X.] auch nicht auf sonstige Weise entgegengetreten ist.

8

aa) Es kann nicht darauf abgestellt werden, wie die nicht begründete Ankündigung eines [X.] auszulegen ist, ob sie endgültig oder nur vorläufig gemeint ist. Mangels einer Begründung fehlen Anhaltspunkte für eine Auslegung in die eine oder die andere Richtung. Die Frage kann deswegen nur lauten, ob der [X.] in einem solchen Fall noch in der Klageerwiderung sofort anerkennen kann. Das ist nicht der Fall. Der [X.] hat diese Frage noch nicht abschließend entschieden (vgl. [X.], Beschluss vom 30. Mai 2006 - [X.], [X.]Z 168, 57 Leitsatz und Rn. 22; vom 22. Oktober 2015 - [X.], [X.], 572 Rn. 21). Jedenfalls dann, wenn der [X.] seinen angekündigten Antrag auf Klageabweisung in der Anzeige der [X.] nicht dahingehend einschränkt, es müsse noch geprüft werden, ob der [X.] berechtigt sei, verliert der [X.] die Kostenvergünstigung des § 93 ZPO. Denn mit der uneingeschränkten Ankündigung des [X.] verdeutlicht der [X.], dass er die Klageforderung bestreiten und seine Rechtsverteidigung auf die Abweisung der Klage einrichten will. Damit nimmt er aber wegen seines vorangegangenen Bestreitens des [X.], wenn er später in der [X.] anerkennt, nicht mehr die erste sich bietende prozessuale Möglichkeit gegenüber Gericht und Prozessgegner wahr.

9

bb) Dem kann die Rechtsbeschwerde nicht entgegenhalten, auch ein Vergleich mit der Rechtslage im Falle eines Versäumnisurteils belege, dass das von dem [X.]n in der Klageerwiderung erklärte Anerkenntnis ein sofortiges sei. Denn ob ein [X.]r, der gegen sich nach § 331 ZPO ein Versäumnisurteil ergehen lässt und nach Einspruch anerkennt, in den Genuss der Kostenvergünstigung des § 93 ZPO gelangt, ist streitig (dafür: [X.], NJW-RR 2000, 1668; [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 39. Aufl., § 93 Rn. 11; [X.]/Schütze/[X.]/[X.], ZPO, 4. Aufl., § 93 Rn. 12; dagegen: [X.] 2007, 424; [X.]/[X.], ZPO, 32. Aufl., § 93 Rn. 6 unter dem Stichwort "Versäumnisurteil"; Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, 15. Aufl., § 93 Rn. 32; [X.], ZPO, 23. Aufl., § 93 Rn. 8; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 93 Rn. 60). Gegen die Annahme der Sofortigkeit des Anerkenntnisses nach Erlass eines Versäumnisurteils spricht schon, dass dieses nicht mehr aus freien Stücken, sondern unter dem Druck der für den [X.]n nachteiligen Entscheidung des Gerichts erfolgt. Der maßgebliche Zeitpunkt der ersten sich bietenden prozessualen Gelegenheit dürfte damit bereits verstrichen sein (vgl. [X.]/[X.], aaO Rn. 60; [X.], aaO Rn. 6). Die Frage muss hier aber nicht abschließend beantwortet werden. Denn ein sofortiges Anerkenntnis des [X.]n nach Erlass eines Versäumnisurteils kann regelmäßig allenfalls dann angenommen werden, wenn sich der [X.] zum [X.] noch nicht geäußert hat. Darin unterscheidet sich der von der Rechtsbeschwerde angesprochene [X.] jedoch entscheidend von vorliegendem Sachverhalt.

cc) Ebenso kann dahinstehen, ob der [X.] dann, wenn das Gericht gemäß § 272 Abs. 2 Fall 1, § 275 ZPO einen frühen ersten Termin anordnet, in diesem im Sinne von § 93 ZPO anerkennen kann, auch wenn er zuvor in den vorbereitenden Schriftsätzen Klageabweisung beantragt hat (in diesem Sinn wohl [X.], aaO Rn. 7; aA Prütting/Gehrlein/[X.], ZPO, 10. Aufl., § 93 Rn. 3; vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 30. Mai 2006, aaO Rn. 20 mwN). Denn es handelt sich bei dem frühen ersten Termin um einen anderen Verfahrensablauf.

Kayser     

      

Gehrlein     

      

Grupp 

      

Möhring     

      

Schoppmeyer     

      

Meta

IX ZB 54/18

21.03.2019

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Köln, 30. April 2018, Az: I-2 W 10/18, Beschluss

§ 93 ZPO, § 276 ZPO, § 307 S 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.03.2019, Az. IX ZB 54/18 (REWIS RS 2019, 9072)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 701-702 WM2019,1089 NJW 2019, 1525 REWIS RS 2019, 9072


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. IX ZB 54/18

Bundesgerichtshof, IX ZB 54/18, 21.03.2019.


Az. 2 W 10/18

Oberlandesgericht Köln, 2 W 10/18, 30.04.2018.


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