LG Frankfurt a.M., Urteil vom 21.10.2020, Az. 2-04 O 455/19

4. Zivilkammer | REWIS RS 2020, 5671

DIESELSKANDAL STAATSHAFTUNG

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Gegenstand

Kein Anspruch aus Staatshaftung nach EU-Unionsrecht im Rahmen des sog. Dieselskandals (KBA).


Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung einer Schadensersatzpflichtt wegen Staatshaftung nach dem [X.] im Zusammenhang mit dem sogenannten [X.].

Der Kläger erwarb einen [X.] mit der [xxx] am 06.01.2014 zu einem Kaufpreis von 19.900,00 Euro.

Für das Fahrzeug lag eine [X.]-Typengenehmigung und eine [X.]-Übereinstimmungsbescheinigung und eine Typengenehmigung vom 13.10.2010 mit der Typengenehmigungsnummer [xxx] vor.

Bereits zum Zeitpunkt der Produktion des streitgegenständlichen Fahrzeugs und damit auch zum Zeitpunkt des Fahrzeugerwerbs war dieses mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung i.S.v. Art. 5 Abs. 1 und 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 ausgerüstet. Die ursprünglich verbaute Software erkannte, ob sich der Motor auf einem Prüfstand zum [X.] (NEFZ) befand oder im normalen Fahrbetrieb. Diese steuerte die Abgasrückführung so, dass möglichst wenige Stickoxide während des [X.] ausgestoßen wurden. Im normalen Fahrbetrieb war hingegen ein anderer Abgasrückführungsmodus aktiv, weshalb die Emissionen höher waren.

Das [X.] erließ einen Rückrufbescheid. Das im Zuge der Rückrufaktion vorgesehene Software-Update wurde mittlerweile bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug installiert.

Die Klägerin erhob gegen den Fahrzeughersteller Klage vor dem [X.], Aktenzeichen 2-05 O 471/19.

Der Kläger behauptet, er sei Eigentümer des vorgenannten Fahrzeuges. Trotz des erfolgten Software-Updates lägen folgende Nachteile am streitgegenständlichen PKW vor: Mehrverbrauch von Kraftstoff, Minderleistung, höherer Partikelausstoß, Verkürzung der Lebenszeit des Dieselpartikelfilters, Lebensverkürzung des [X.] und sonstiger Teile sowie höhere Geräuschentwicklung. Hätte die Beklagte abschreckende Sanktionen im nationalen Recht, wie in [X.], vorgesehen, wäre es nicht zu der Manipulation gekommen. Die Beklagte habe die Automobilindustrie, insbesondere die [X.], nicht durch z.B. eigene Messungen ausreichend überwacht, obwohl es schon vor dem [X.] klare und eindeutige Hinweise auf Unregelmäßigkeiten gegeben habe. Das [X.] habe schlicht auf die Angaben der Hersteller vertraut, ohne diese näher zu verifizieren. Infolge des Verstoßes der Beklagten habe er den Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug geschlossen. Ohne den Verstoß der Beklagten gegen Unionsrecht, hätte er den Kaufvertrag nicht abgeschlossen. Infolgedessen seien ihm Schäden, insbesondere durch den Abschluss des Kaufvertrages, in Höhe des Kaufpreises entstanden. Zudem sei an dem Fahrzeug ein merkantiler Minderwert von mindestens zehn Prozent eingetreten. Die Schäden könnten derzeit noch nicht abschließend beziffert werden, u.a. weil noch [X.] aufgrund des Wegfalls der Bemessungsgrundlage für die [X.] ausstehen würden.

Der Kläger vertritt die Ansicht, er habe einen unionsrechtlichen Staatshaftungsbzw. Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte. Die Beklagte habe die typengenehmigungsrechtlichen Vorschriften der Richtlinie 46/2007/[X.] nicht hinreichend umgesetzt, insbesondere keine wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen im nationalen Recht vorgesehen. Die Richtlinie 46/2007/[X.], insbesondere deren Art. 8 und 46, seien individualschützend, wobei es zumindest unschädlich sei, dass der [X.] nur bloßer Reflex sei. Außerdem habe die Beklagte leichtfertig Typengenehmigungen erteilt und Überwachungspflichten verletzt.

Der Schaden bestünde jedenfalls in der Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit sowie im merkantilen Minderwert.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass die [X.] verpflichtet ist, der [X.] bezüglich des Fahrzeuges [X.] Ambition Limousine 2,0 [X.] mit der [X.] die Schäden zu ersetzen, die ihr daraus entstehen,

  1. dass die [X.] unterlassen hat, aufgrund Art. 46 der Richtlinie 2007/46/[X.] wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen zu erlassen
  2. hilfsweise: dass die [X.] die Typengenehmigung vom 13.10.2010 mit der Typengenehmigungsnummer [xxx] erteilt hat.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet,

das aufgespielte Software-Update führe zu keinen Nachteilen für den Kläger. Vor September 2015 habe die Beklagte keine greifbaren Anhaltspunkte oder validen Verdachtsmomente für unzulässige Abschalteinrichtungen gehabt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

1

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

2

Der Kläger hat gegen die Beklagte weder einen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch noch einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz wegen einer den Kläger schützenden Amtspflichtverletzung der Beklagten, § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG.

3

Ein unionsrechtlicher Schadensersatzanspruch des [X.] scheitert daran, dass die Beklagte weder eine unionsrechtliche Vorschrift verletzt hat noch diese den Kläger schützen würde.

4

Die Beklagte hat keine unionsrechtliche Norm verletzt.

5

Bei der Umsetzung des Art. 46 [X.] 2007/46/[X.] liegen die Voraussetzungen eines unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruches nicht vor.

6

Zwar kommt nach dem [X.] Gemeinschaftsrecht ein Entschädigungsanspruch in Betracht, sofern drei Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich dass die Rechtsnorm, gegen die verstoßen worden ist, bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, dass der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und schließlich dass zwischen dem Verstoß gegen die dem Staat obliegende Verpflichtung und dem der geschädigten Person entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht ([X.], NJW 1996, Seite 1267, 1270 Rn. 51). Die nationalen Gerichte, nicht der [X.], sind dabei für die Bewertung und Qualifizierung der betreffenden Verstöße gegen Gemeinschaftsrecht zuständig ([X.], a.a.[X.], Rn. 58).

7

Die Beklagte ist ihrer Pflicht zur Umsetzung aus Art. 288 Abs. 3 AEUV, in hinreichend qualifizierter Weise nachgekommen.

8

Nach Art. 288 AEUV hat jeder Mitgliedsstaat die an ihn gerichteten Richtlinien hinsichtich des zu erreichenden Ziels verbindlich umzusetzen. Den innerstaatlichen Stellen ist jedoch die Wahl der Form und Mittel überlassen. Der unionsrechtliche Staatshaftungsanspruch setzt einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das [X.]srecht voraus. Ein Verstoß wird nur dann als hinreichend qualifiziert angesehen, wenn der Mitgliedsstaat die Grenzen des Ermessens offenkundig und erheblich überschritten hat ([X.] Rs. [X.]/93, [X.]. 1996, 1-1029 - [X.]; NJW 1996, Seite 1267, 1270 Rn. 51 f., 55). Zur Beurteilung haben die nationalen Gerichte unter anderem den Umfang des Ermessensspielraums, das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift und den Umstand, dass möglicherweise ein Verhalten eines [X.]sorgans zu dem unionsrechtswidrigen Verhalten des Mitgliedsstaates beigetragen hat, zu berücksichtigen ([X.] Rs. [X.]/93, [X.]. 1996, 1-1029 Rn. 56. - [X.]; NJW 1996, Seite 1267, 1270 Rn. 56).

9

Die Beklagte hat ihr Ermessen bei der Umsetzung des Art. 46 [X.] 2007/46/[X.] ins nationale Recht rechtsfehlerfrei ausgeübt. Nach dieser Vorschrift haben die Mitgliedsstaaten bei Verstößen gegen die Richtlinie, insbesondere beim Anbieten, Verkaufen und Inbetriebnahme von nicht genehmigten Teilen und Ausrüstungen einen Ermessenspielraum, welche Sanktionen sie festlegen. Denn nach Art 46 und 31 der Richtlinie werden festzusetzende Sanktionen nicht im Einzelnen aufgeführt, diese müssen vielmehr nur wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. [X.]. die Form der Sanktion bleibt offen, was im Übrigen auch darin zum Ausdruck kommt, dass die Richtlinie keine genaueren Sanktionen enthält.

10

Die Mitgliedstaaten sind in Ermangelung einer Harmonisierung der Rechtsvorschriften der [X.] insbesondere auf dem Gebiet des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts befugt, diejenigen Sanktionen zu wählen, die ihnen sachgerecht erscheinen. Sie sind lediglich verpflichtet, bei der Ausübung dieser Befugnis das [X.]srecht und seine allgemeinen Grundsätze, also auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, zu beachten. Unter Sanktionen in diesem Sinne sind alle Maßnahmen zur wirksamen Rechtsdurchsetzung zu verstehen, insbesondere solche, die für den Betroffenen finanziell, wirtschaftlich oder strafrechtlich nachteilige Auswirkungen haben. Die Sanktionen müssen lediglich geeignet sein, die Wirksamkeit des [X.]srechts zu gewährleisten und Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecchtt nach ähnlichen sachlichen und verfahrensrechtlichen Regeln ahnden wie nach Art und Schwere gleicher Verstöße gegen nationales Recht ([X.] Rs. C-167/01 Rn. 62 -, vom 30.09.2003 - [X.]).

11

Dem ist die Beklagte ausreichend nachgekommen ([X.], Beschluss vom 13.08.2020, [X.].: 6 U 4/20, Seite 7).

12

Zunächst hat sie in § 25 [X.]-FGV umfassende verwaltungsrechtliche Sanktionen geschaffen, die insbesondere einen Widerruf sowie die Rücknahme der Typengenehmigung ermöglichen. Zudem hat die Beklagte in § 37 [X.]-FGV einen Ordnungswidrigkeitentatbestand geschaffen, nach dessen Abs. 1 ordnungswidrig im Sinne des 8 24 Absatz 1 Satz 1 des [X.] handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 27 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Satz 1, 2 oder 4, Absatz 3 Satz 1, Absatz 4, 5 oder § 28 Absatz 2 Satz 2 ein Fahrzeug, eine selbstständige technische Einheit, ein Bauteil, ein Teil oder eine Ausrüstung feilbietet, veräußert oder in den Verkehr bringt und nach dessen Abs. 2 wiederum ordnungswidrig im Sinne des § 23 Absatz 2 des [X.] handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig eine Handlung nach Absatz 1 begeht, indem er ein Fahrzeug, eine selbstständige technische Einheit, ein Bauteil, ein Teil oder eine Ausrüstung gewerbsmäßig feilbietet.

13

Des Weiteren können Manipulationen im Hinblick auf die Erlangung der Typengenehmigung sowie das Inverkehrbringen von Kraftfahrzeugen, die nicht den unionsrechtlichen Anforderungen entsprechen, als Straftaten nach den allgemeinen Straftatbeständen der §§ 263, 267 StGB sanktioniert werden.

14

Dieses differenzierte Sanktionsinstrumentarium ist auch wirksam, verhältnismäßig und abschreckend im Sinne des Art. 46 der Richtlinie 2007/46/[X.]. Hiergegen spricht insbesondere nicht, dass das Sanktionskonzept in [X.] drastischer und damit abschreckender und wirksamer erscheint. Denn zum einen unterliegt das [X.] Recht bereits einem anderen als dem hier allein entscheidenden unionsrechtliichen Maßstab. Zum anderen müssen nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Art. 46 der Richtlinie 2007/46/[X.] die Sanktionen nicht nur wirksam und abschreckend, sondern eben auch verhältnismäßig sein. Die Zuerkennung eines exemplarischen Schadensersatzes im Rahmen des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs ist außerdem nur dann geboten, wenn bereits ein solcher Schadensersatzanspruch aufgrund des im Mitgliedstaats geltenden nationalen Recht zugesprochen werden könnte ([X.], NJW 1996, Seite 1267, 1270 Rn. 90, 98), was in [X.] nicht der Fall ist. Nicht zuletzt ist insoweit auch der erforderliche Kausalzusammenhang nicht herzustellen, da der Kläger seine Vermutung, die Herstellerin hätte bei Vorliegen effektiverer Sanktionen im Rahmen ihrer Kosten-Nutzen-Rechnung bzw. der entsprechenden Risikoabwägung von dem Einbau der [X.] abgesehen, zum einen mit keinerlei Tatsachen belegt und zum anderen auch die entsprechend eingeleiteten Ermittlungsverfahren in [X.] jedenfalls nicht für deren Richtigkeit streiten.

15

Aus den genannten Gründen liegt jedenfalls eine offenkundige und erhebliche Ermessensüberschreitung durch die Beklagte nicht vor ([X.], Beschluss vom 13.08.2020, [X.].: 6 U 4/20, Seite 9) wie auch ein Blick auf die Umsetzung der Richtlinie in anderen [X.] belegt. Denn die Umsetzung ist dann nicht zu beanstanden, wenn eine unionsrechtliche Vorschrift von mehreren Mitgliedstaaten in gleicher oder ähnlicher Weise umgesetzt worden ist ([X.] Rs. [X.]/93, [X.]. 1996, [X.] Rn. 43 f. - British Telecommunications).

16

Auch andere [X.] haben vorrangig Geldbußen als Sanktionsmaßnahmen für das Typengenehmigungsrecht vorgesehen und dafür einen eigenen Tatbestand geschaffen. Aus den Mitteilungen der Regierungen an die [X.] ergibt sich in [X.] etwa ein Bußgeld von maximal 11.741 € bei einem Verstoß gegen [X.] 2007/46/[X.], in [X.] ist eine Geldstrafe von bis zu 5.000 € oder eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten vorgesehen, in [X.] drohen bei einem Verstoß gegen die gesetzlichen Vorgaben Geldbußen von bis zu 100.000 € oder eine Freiheitsstrafe von maximal zwölf Monaten und in [X.] sind knapp 6.500 € vorgesehen. Diese Maßnahmen sind im Ergebnis mit der [X.] Regelung vergleichbar ([X.], [X.]eil vom 25.02.2020, [X.].: 12 O 317/19, BeckRS 2020, 5254, Rn. 20).

17

Auch bei Erteilung und Überwachung der _ streitgegenständlichen Typengenehmigung ist ein für die unionsrechtliche Staatshaftung erforderlicher hinreichend qualifizierter Verstoß durch das [X.] der Beklagten weder vorgetragen noch ersichtlich.

18

Gemäß § 4 Abs. 4 [X.]-FGV i.V.m. Art. 8 der Richtlinie 2007/46/[X.] ist das Kraftfahrtbundesamt verpflichtet, die Angaben der Hersteller auf Vollständigkeit und Vereinbarkeit mit den unionsrechtlichen Vorgaben zu prüfen. Unstreitig hat die Herstellerin jedoch bei Beantragung der streitgegenständlichen Typengenehmigung nicht angegeben, dass in das Fahrzeug des [X.] eine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut worden war.

19

Eine Überprüfung der Herstellerangaben durch eigene Nachforschungen, ob eine unzulässige Abschalteinrichtung besteht, hat das [X.] nicht in einem für die unionsrechtliche Staatshaftung erforderlichen maßgeblichen Umfang unterlassen. Über die Verwendung der Abschalteinrichtungen in den streitgegenständlichen Fahrzeugen lagen vor der Mitteilung durch den Hersteller nur Vermutungen vor. Daher drängten sich eigene Stichprobeuntersuchungen durch das [X.] vorher nicht mit der dargelegten Qualität auf. Dass das [X.] offenbar den Herstellerangaben zu [X.] vertraute, ist nicht so verwerflich, dass darin der für die Staatshaftung erforderliche qualifizierte Verstoß zu sehen ist. Dass der namhafte Hersteller des Fahrzeuges, an dessen Konzernmutter das [X.] aktienrechtlich erheblich beteiligt ist, Messungen mithilfe der Abschalteinrichtung manipulierte, war bis [X.] 2015 wohl eher als abwegig anzusehen. Nach der Mitteilung durch den Hersteller im [X.] 2015 waren [X.] der Abgase durch das [X.] zur Aufdeckung der Abschalteinrichtung nicht mehr erforderlich, weil der Hersteller diese eingeräumt hatte und auch nicht schadensursächlich, weil der Kläger sein Fahrzeug vorher erworben hatte.

20

Ein Anspruch des [X.] scheitert auch dran, dass keine unionsrechtliche Norm den Schutz seiner individuellen Rechte bezweckt ([X.], Beschluss vom 25.08.2020, [X.].: 1 U 3827/20; [X.], a.a.[X.]).

21

Dies gilt insbesondere für die Art. 8, 12 und 46 der Richtlinie 2007/46/[X.]. Gegenstand dieser Richtlinie ist nach Art. 1 der Richtlinie 2007/46/[X.], einen harmonisierten Rahmen mit den Verwaltungsvorschriften und allgemeinen technischen Anforderungen für die Genehmigung aller in ihren Geltungsbereich f[X.]den Neufahrzeuge und der zur Verwendung in diesen Fahrzeugen bestimmten Systeme, Bauteile und selbstständigen technischen Einheiten zu schaffen. Weder diesem Zweck noch dem Wortlaut der von dem Kläger herangezogenen Richtlinienbestimmungen lässt sich entnehmen, dass dem Einzelnen hier Rechte verliehen werden sollen. Aus den Begründungserwägungen des [X.]sgesetzgebers lässt sich vielmehr entnehmen, dass lediglich [X.] betroffen sind. So folgt aus den Erwägungsgründen (2), (3), (14) und (17) der Richtlinie 2007/46/[X.], dass das Ziel der Richtlinie in erster Linie die Vollendung des [X.]n Binnenmarktes ist; darüber hinaus soll die Richtlinie die technischen Anforderungen in Rechtsakten harmonisieren und spezifizieren, wobei diese Rechtsakte vor allem auf hohe Verkehrssicherheit, Gesundheits- und Umweltschutz, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Nutzung abzielten. [X.], vor allem das [X.], finden darin keine Erwähnung ([X.], [X.]. v. 04.12.2019 - 3 U 4570/19, Rn. 54 ff. nach juris; [X.], [X.]. v. 19.02.2019 - 7 U 134/17, Rn. 144 ff. nach juris; [X.], Beschluss vom 13.08.2020, [X.].: 6 U 4/20, Seite 6; [X.], [X.]eil vom 19.05.2020, [X.].: [X.]/19, BeckRS 2020, 8823, Rn. 25 ff.). Sofern Fahrzeugbesitzer unter Erwägungsgrund (18) angesprochen werden, geht es um deren Sicherheit, nicht um deren Vermögen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie, der mit der Sicherheit des Straßenverkehrs, der Umwelt und der öffentlichen Gesundheit lediglich [X.] wiederholt ([X.], a.a.0[X.]).

22

Für Art. 46 der Richtlinie hat der [X.] zudem bereits entschieden, dass dieser nicht einmal reflexhaft Vermögensinteressen des [X.] dient ([X.], a.a.[X.]; vgl. auch Armbrüster, [X.], 837, 839 ff.). Denn der [X.] hat betont, dass Art. 46 der Richtlinie 2007/46/[X.] in erster Linie dem Ziel der Schaffung und des Funktionierens eines Binnenmarkts mit fairem Wettbewerb zwischen den Herstellern dient und überdies die in Art. 46 der Rahmenrichtlinie vorgesehenen Sanktionen auch gewährleisten sollen, dass der Käufer eines Fahrzeugs im Besitz einer Übereinstimmungsbescheinigung ist, die es ihm erlaubt, das Fahrzeug gemäß [X.] dieser Richtlinie in jedem Mitgliedstaat zuzulassen, ohne zusätzliche technische Unterlagen vorlegen zu müssen ([X.], [X.]. v. 04.10.2018, [X.]/16, [X.]. 62016CJ0668; [X.], a.a.[X.]). Dass diese und auch die weiteren von dem Kläger herangezogenen europarechtlichen Bestimmungen nicht dem Schutz der Vermögensinteressen des Erwerbers eines Fahrzeugs dienen, ist daher als eindeutiges Auslegungsergebnis aufzufassen ([X.], a.a.[X.]; vgl. [X.], [X.]. v. 19.02.2019 - 7 U 134/17, Rn. 159 nach juris).

23

Ein unionsrechtlicher Schadensersatzanspruch scheitert zudem daran, dass der Kläger die Herstellerin auf Zahlung von Schadensersatz vorrangig in Anspruch zu nehmen hat.

24

Das nationale Gericht hat bei der Bestimmung des ersatzfähigen Schadens zu prüfen, ob sich der Geschädigte in angemessener Form um die Verhinderung des Schadenseintritts oder um die Begrenzung des Schadensumfangs bemüht hat und ob er insbesondere rechtzeitig von [X.] ihm zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten Gebrauch gemacht hat ([X.], NJW 1996, Seite 1267, 1271, Rn. 84 f.).

25

Nach einem allgemeinen, den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamen Grundsatz muss sich nämlich der Geschädigte in angemessener Form um die Begrenzung des Schadensumfangs bemühen, wenn er nicht Gefahr laufen will, den Schaden selbst tragen zu müssen ([X.], NJW 1996, Seite 1267, 1271, Rn. 84 f.).

26

Er ist deshalb gehalten, zunächst die Herstellerin auf vollständigen Ersatz des Schadens in Anspruch zu nehmen.

27

Dem ist der Kläger indes nicht nachgekommen, weil er mit der Herstellerin einen Abgeltungsvergleich geschlossen hat.

28

Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz wegen der Verletzung einer ihn schützenden Amtspflicht, § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. Art. 34 GG.

29

Im Prozess hat der Anspruchssteller für das Vorliegen der zur Klagebegründung gehörenden negativen Anspruchsvoraussetzungen nach §§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB, dass keine anderweitigen Ersatzmöglichkeiten bestehen, die [X.] Beweislast ([X.] in [X.], 79. Auflage 2020, § 839 BGB, Rn. 62 m.w.[X.]). Ihm obliegt es vorzutragen, dass die Inanspruchnahme eines Dritten keine Aussicht auf Erfolg verspricht ([X.] a.a.[X.]).

30

Der Kläger kann indes nach seinem eigenen Vortrag seinen Schaden bei der Herstellerin des Fahrzeuges geltend machen, zumal er mit dieser einen Vergleich geschlossen hat.

31

Die Kosten des Rechtsstreites sind dem Kläger aufzuerlegen, weil seine Klage abgewiesen wurde, § 91 Abs. 1 ZPO.

32

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 und Satz ZPO.

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2-04 O 455/19

21.10.2020

LG Frankfurt a.M. 4. Zivilkammer

Urteil

Sachgebiet: O

Zitier­vorschlag: LG Frankfurt a.M., Urteil vom 21.10.2020, Az. 2-04 O 455/19 (REWIS RS 2020, 5671)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 5671

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3 U 4570/19

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