2. Senat | REWIS RS 2022, 6971
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Strahlenschutzbeauftragter - Kündigungsschutz - Beteiligung der Arbeitnehmervertretung
1. Auf die Revision der Beklagten zu 1. wird das Urteil des [X.] vom 7. Juli 2022 - 8 [X.]/20 - hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten beider Revisionsverfahren - an eine andere Kammer des [X.] zurückverwiesen.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung.
Der Kläger stand in einem Arbeitsverhältnis zur zu 1. beklagten [X.]. Tätig war er bei dem vormals zu 2. beklagten [X.]. Im Juni 2017 wurde er zum „stellvertretenden Strahlenschutzbeauftragten“ für den medizinischen Bereich der Klinik für Nuklearmedizin bestellt.
Das [X.] kündigte das Arbeitsverhältnis des [X.] mit Schreiben vom 9. März 2018 mit Wirkung für die Beklagte zu 1. außerordentlich fristlos.
Dagegen hat sich der Kläger rechtzeitig mit der vorliegenden Klage gewandt und ua. gemeint, dem nach § 98 Abs. 1 Satz 1, § 78 Abs. 2 [X.] vor einer außerordentlichen Kündigung anzuhörenden Personalrat des [X.]s sei - als solches unstreitig - seine Stellung als „stellvertretender Strahlenschutzbeauftragter“ nicht mitgeteilt worden.
Der Kläger hat - soweit noch von Interesse - sinngemäß beantragt
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 1. durch die Kündigung des [X.]s vom 9. März 2018 weder außerordentlich fristlos noch ordentlich aufgelöst worden ist. |
Das Arbeitsgericht hat dem Kündigungsschutzantrag stattgegeben. Das die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zu 1. zurückweisende Urteil ist vom Senat auf die - erste - Revision der Beklagten zu 1. mit Urteil vom 27. Februar 2020 (- 2 [X.] - [X.] 170, 84) insoweit aufgehoben und die Sache an das [X.] zurückverwiesen worden. Dieses hat dem Kündigungsschutzantrag mit dem vorliegend angefochtenen Urteil abermals stattgegeben, ohne die Berufung der Beklagten zu 1. insoweit ausdrücklich zurückzuweisen. Mit der - zweiten - Revision verfolgt die Beklagte zu 1. ihr Begehren weiter, den Antrag abzuweisen.
Die zulässige Revision hat Erfolg. Mit der gegebenen Begründung durfte das [X.] nicht stattgeben. Ob das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1. durch die außerordentliche fristlose Kündigung des [X.] aufgelöst wurde, kann der [X.] nicht selbst entscheiden. Das führt hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Kammer des [X.] (§ 563 Abs. 1 ZPO).
I. Das Berufungsgericht hat - nach einer Beweisaufnahme über die [X.] - gemeint, die außerordentliche fristlose Kündigung sei unwirksam, weil dem Personalrat des [X.] nicht mitgeteilt wurde, dass der Kläger als „stellvertretender Strahlenschutzbeauftragter“ für den medizinischen Bereich der Klinik für Nuklearmedizin benannt und deshalb nach § 70 Abs. 6 StrlSchG eine ordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen war.
II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Das [X.] hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass der Kläger im Kündigungszeitpunkt von dem durch § 70 Abs. 6 Satz 2 StrlSchG vermittelten Schutz vor einer ordentlichen Kündigung erfasst war. Es kann dahinstehen, ob auch „stellvertretende Strahlenschutzbeauftragte“ unter diese Vorschrift fallen, wenn sie - wovon für das Revisionsverfahren mangels anderweitiger Feststellungen des [X.] auszugehen ist - zu keinem Zeitpunkt aufgrund eines Vertretungsfalls in das [X.] „eingerückt“ sind. Auch bedarf es keiner Entscheidung, ob der Kläger im Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 1. nach § 70 Abs. 6 StrlSchG geschützt sein konnte, obwohl allein das rechtlich selbständige Klinikum zur Bestellung eines Strahlenschutzbeauftragten verpflichtet war. Jedenfalls kam dem Kläger im Kündigungszeitpunkt (März 2018) deshalb kein Sonderkündigungsschutz nach § 70 Abs. 6 Satz 2 StrlSchG zu, weil die Vorschrift erst zum 31. Dezember 2018 in [X.] getreten ist (vgl. Art. 32 Abs. 1 Satz 3 des [X.] vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung vom 27. Juni 2017, [X.]I S. 1966; zu den Erwägungen des Gesetzgebers für die seinerzeitige Erweiterung des Sonderkündigungsschutzes für Strahlenschutzbeauftragte vgl. [X.]. 18/11241 S. 316 f.).
2. Dessen ungeachtet muss ein Arbeitgeber, der außerordentlich fristlos kündigen möchte, dem Personalrat nicht mitteilen, dass dem Arbeitnehmer ein Sonderkündigungsschutz zukommt, der - wie § 70 Abs. 6 Satz 2 StrlSchG - zwar eine ordentliche Kündigung ausschließt, die Möglichkeit einer Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist aber ausdrücklich unberührt lässt (zur Anhörung des Betriebsrats nach § 102 [X.] vgl. [X.] - Rn. 16, [X.] 170, 191). Entgegen der Annahme des [X.] ist bei dem Umfang der Mitteilungspflichten in Bezug auf eine beabsichtigte außerordentliche Kündigung keine Differenzierung nach dem Rechtsgrund des Sonderkündigungsschutzes (tariflich/gesetzlich) geboten.
III. Die angefochtene Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
1. Zwar war einem Strahlenschutzbeauftragten schon im Kündigungszeitpunkt durch § 32 Abs. 5 StrlSchV [X.] bzw. § 14 Abs. 5 der mit Wirkung zum 30. Dezember 2018 aufgehobenen [X.] ein Schutz vor Benachteiligungen wegen der Erfüllung seiner Pflichten eingeräumt (vgl. [X.]. 18/11241 S. 317). Doch stehen die [X.] nach der - zutreffenden - Annahme des [X.] in keinerlei Zusammenhang mit der Bestellung des [X.] zum „stellvertretenden Strahlenschutzbeauftragten“ für den medizinischen Bereich der Klinik für Nuklearmedizin. Danach musste die Bestellung auch unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Maßregelung dem Personalrat offenkundig nicht mitgeteilt werden.
2. Die streitbefangene Kündigung ist entgegen der Annahme des [X.] nicht unwirksam, weil er zuvor aus seinem Amt als „stellvertretender Strahlenschutzbeauftragter“ hätte abberufen werden müssen.
IV. Aufgrund der bisherigen Feststellungen kann der [X.] die Wirksamkeit der außerordentlichen fristlosen Kündigung nach Maßgabe von § 626 BGB nicht selbst beurteilen.
V. Der Entscheidungsausspruch im angefochtenen Urteil gibt Anlass, für das - abermals - fortgesetzte Berufungsverfahren darauf hinzuweisen, dass bei einer Abänderung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung eine neue Kostenentscheidung für die erste Instanz nach Maßgabe von §§ 91, 92 ZPO zu treffen ist. Außerdem sind die Kosten für die Revisionsverfahren der [X.] aufzuerlegen, zu deren Lasten letztlich über den Kündigungsschutzantrag entschieden wird. Schließlich wird das [X.], sollte es dem Kündigungsschutzantrag erneut stattgeben, die zulässige Berufung der Beklagten zu 1. insoweit zurückzuweisen haben.
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Niebler |
Meta
24.11.2022
Urteil
Sachgebiet: AZR
vorgehend ArbG Frankfurt, 11. September 2018, Az: 25 Ca 202/18, Urteil
§ 626 Abs 1 BGB, § 70 Abs 6 S 2 StrlSchG
Zitiervorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.11.2022, Az. 2 AZR 287/22 (REWIS RS 2022, 6971)
Papierfundstellen: REWIS RS 2022, 6971
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