Influencer beschäftigen sich längst nicht mehr nur mit den Bereichen Beauty und Urlaub. Vielmehr dringen sie in Bereiche vor, in denen „Empfehlungen“ strikt reguliert sind: Etwa in den Bereich der Finanz- und Anlagetipps. Was gilt es hier zu beachten?
Personen mit erheblicher Reichweite in soziale Medien („Influencer“) gibt es nicht nur immer mehr, auch die Vielfalt ihrer Inhalte nimmt stetig zu. Die Verbindung von Reichweite mit dem (pseudo) persönlichen Einschlag der Kommunikation zwischen Influencer und Follower ist für werbetreibende Unternehmen von großem Interesse.
Dass sich hieraus ganz erheblicher finanzieller Profit schlagen lässt, ist nicht neu. Dass auch diese neuartige Art der werbenden Kommunikation durchaus Regulierungen unterliegt, sorgte zuletzt immer wieder für Wirbel: Nicht alle, gerade junge Influencer, scheinen sich beispielsweise darüber im Klaren zu sein, dass ihre Einnahmen der Steuerpflicht unterliegen. Das wurde auch dem berüchtigten YouTuber "Drachenlord" zum Problem.
Aber auch Fragen um die Kennzeichnungspflicht als „Werbung“ haben die deutschen Gerichte bereits ausgiebig beschäftigt (Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.09.2021, Az. I ZR 90/20 (Influencer I), Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.09.2021, Az. I ZR 125/20 (Influencer II), Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.09.2021, Az. I ZR 126/20 (Influencer III)).
Auch im Finanzsektor tut sich gerade einiges. Waren Finanzprodukte vor einigen Jahren für die meisten jungen Menschen noch langweilige Themen für alte Erwachsene, hat sich diese Ansicht wohl einem grundliegenden Wandel unterzogen. Viele (junge) Menschen haben einerseits erlebt, dass sie – vernetzt über soziale Medien – eine Rolle auf dem Finanzmarkt spielen können (Stichwort: GME / GameStop / wallstreetbets).
Andererseits hat durch sog. „Neobroker“ eine gewisse „Gamification“ der Finanzanlagen stattgefunden, während die hohe Inflation gleichzeitig einen immensen Anlagedruck erzeugt. Welch großer Beliebtheit sich einige dieser „Neobroker“ erfreuen, wurde, wenn auch in negativer Hinsicht, offenbar, als bei einem einzigen Anbieter 2020 etwa 389 000 Kundendatensätze entwendet wurden (einem Betroffenen wurde mittlerweile Schadensersatz gegen den Anbieter aus Art. 82 DSGVO i.H.v. 2500 € zugesprochen, LG München I, Urteil vom 08.12.2021, Az. 31 O 16606/20 – Rechtskraft nicht bekannt).
Letztlich ziehen auch sog. „Cryptocurrencies“, wie etwa Bitcoin, Ethereum oder Tether, eine neue Klientel an, die online-orientiert und risikofreudig ist.
Viele dieser Anleger sind junge Menschen, die sehr aktiv in sozialen Medien sind und sich dort auch über aktuelle Anlagetipps informieren. Genau in dieser Lücke gehen Finfluencer auf.
Wenn es um das Geld geht, hört der Spaß auf. Auch in Deutschland sind Finanzmärkte wegen der finanziellen Risiken für ihre Teilnehmer strikt reguliert. Der starke europarechtliche Einfluss macht es Betroffenen nicht leichter, den Überblick über die einzuhaltenden Regeln zu bewahren.
Grundsätzlich sind die meisten Finanzdienstleistungen und Bankgeschäfte verboten, bis die zuständige Behörde eine Erlaubnis erteilt hat (sog. präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, § 32 Abs. 1 KWG).
Das dürfte eher selten der Fall sein, da sie regelmäßig weder Bankgeschäfte i.S.d. § 1 Abs. 1 S.2 KWG, noch Finanzdienstleistungen i.S.d. § 1 Abs. 1a S. 2 KWG betreiben bzw. anbieten.
In Betracht käme insoweit einerseits eine „Anlagenvermittlung“ nach § 1 Abs. 1a S.2 Nr. 1 KWG. Meist dürfte es jedoch bereits an der geforderten Vermittlertätigkeit des Influencers fehlen. Eine solche Vermittlung betreibt, wer die auf Kauf- oder Verkauf gerichtete Willenserklärung eines Anlegers an denjenigen weiterleitet, mit dem der Anleger ein solches Geschäft betreiben will.[1]
Andererseits käme das Vorliegen einer „Anlageberatung“ nach § 1 Abs. 1a S.2 Nr. 1a KWG (auch § 2 Abs. 8 Nr. 10 WpHG) in Betracht. Hierfür ist jedoch die Abgabe von „persönlichen Empfehlungen an Kunden“ über bestimmte Finanzinstrumente erforderlich, die auf „eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt oder als für ihn geeignet dargestellt wird“.
Hierzu ist zunächst anzumerken, dass Finfluencer ihre Finanztipps in aller Regelmäßigkeit völlig losgelöst von den persönlichen Umständen ihrer Follower abgeben werden. Dass ein solcher Tipp als für den einzelnen Follower persönlich geeignet dargestellt werden könnte, widerspricht in gewisser Weise bereits dem Prinzip der monodirektionalen Massenkommunikation eines Influencers.
Jedenfalls zu beachten bleibt die negative Formulierung „und nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit bekannt gegeben wird“. Jedenfalls soweit die Kommunikation über nicht beschränkte Profile erfolgt, richtet sich der Finfluencer an eine unbestimmte Anzahl von Followern und sonstigen Betrachtern und damit an die Öffentlichkeit.
Eine Erlaubnispflicht wird daher meist nicht bestehen.
Anders liegt der Fall wohl dann, wenn in geschlossenen Runden oder in persönlichen Gesprächen (auch über private Nachrichten) einzelnen Followern individuelle Tipps gegeben werden.
Influencer, die sich hier einen größeren Handlungsspielraum offenhalten möchten und daher Gefahr laufen, die Grenze zur erlaubnispflichtigen Anlagenberatung oder -vermittlung zu überschreiten, sollten eine vom Gesetzgeber angebotene, vermittelnde Lösung in Betracht ziehen: Das sog. „Haftungsdach“.
Unter den in § 2 Abs. 10 S.1 KWG geregelten Voraussetzungen, die insbesondere eine vertragliche Bindung an ein qualifiziertes Kreditinstitut vorsehen (sog. vertraglich gebundener Vermittler), geht die Haftung auf dieses Institut mit der Folge über, dass das Unternehmen selbst nur Finanzunternehmen ist. Hierzu bedarf es allerdings einer vorigen Anzeige gegenüber der BaFin.
Auch wenn eine Erlaubnis von der BaFin also regelmäßig nicht erforderlich sein wird, gibt es weitere Aspekte zu beachten. Die EU hat die sog. Marktmissbrauchsverordnung erlassen. Als Verordnung gilt die MMVO unmittelbar auch in Deutschland.
In Art. 3 Nr. 35 MMVO findet sich ein weiterer, relevanter Begriff: Die „Anlageempfehlungen“. Der Begriff zielt letztlich auf solche „Anlagetipps“, die von den oben vorgestellten Regelungen explizit ausgeschlossen wurden. Als Anlageempfehlungen werden hier „Empfehlungen oder Vorschläge zu Anlagestrategien in Bezug auf ein oder mehrere Finanzinstrumente oder Emittenten, die für Verbreitungskanäle oder die Öffentlichkeit vorgesehen sind […]“ bezeichnet. Eines individuellen Einschlages bedarf es hier also gerade nicht.
Während die meisten Anlageempfehlungen auf Facebook, Instagram und Co. also von der reinen Handlung unter die MMVO fallen dürften, ist andererseits zu prüfen, ob es sich bei den empfohlenen Anlagen um Finanzinstrumente nach Art. 3 Nr. 1 MMVO i.V.m. Artikel 4 Absatz 1 Nummer 15 der Richtlinie 2014/65/EU handelt.[2]
Diese Frage kann, gerade mit Blick auf Investitionen zum Handel mit neuartigen, dezentralen Währungen, äußerst schwierig zu beantworten sein, sodass eine Antwort hier nicht erfolgen kann.
Betroffene sollten sich hier im Zweifelsfalle anwaltlich beraten lassen.
Wer Anlageempfehlungen im oben beschriebenen Sinne abgibt, hat sich an die Anforderungen zu halten, die Art. 20 MMVO dem entsprechenden Personenkreis auferlegt. Art. 20 Abs. 1 MMVO gebietet, in angemessener Weise dafür Sorge zu tragen, dass:
Diese allgemein gehaltenen Anforderungen werden durch die sog. „Delegierte Verordnung (EU) 2016/958“ spezifiziert.[3] Relevant ist insbesondere Kapitel II (lesen!).
Für Influencer relevant sein dürften insbesondere die Pflichten aus Art. 2, wonach weitgehende Angaben zur Identität zu machen sind und zwar zur ebenso zur eigenen Identität, wie auch zur derjenigen aller Personen, die an der Erstellung der Empfehlung mitgearbeitet haben.
Hierzu zählen:
Auch inhaltliche Anforderungen bestehen. Diese ergeben sich insb. aus Art. 3. Sorge zu tragen hat der Influencer insbesondere dafür, dass:
Gegebenenfalls sind diese Informationen nach Art. 3 Abs. 2 durch Verweis auf eine kostenfrei und unmittelbar zugängliche Quelle anbringbar.
Angegeben werden müssen zudem alle Umstände, bei denen damit gerechnet werden kann, dass sie die Objektivität der Empfehlung beeinträchtigen, insbesondere zu Interessenskonflikten bei allen beteiligten und verbundenen Personen.
Wer Adressat der oben genannten Pflichten ist und diesen nicht (ausreichend) nachkommt, muss mit einem Bußgeld von der BaFin bis zu 500.000 Euro rechnen, was sich aus § 120 Abs. 1 Nr. 23 WpHG ergibt.
Wer in Ausübung seines Berufs oder im Rahmen seiner Geschäftstätigkeit für die Erstellung von Anlageempfehlungen oder deren Weitergabe verantwortlich ist, hat dies gegenüber der BaFin anzuzeigen, wie sich aus § 86 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 WpHG ergibt. Die nach S.2 erforderlichen Angaben sind glaubhaft zu machen. Auch der BaFin gegenüber müssen ggf. weitere Angaben über Verbreitungswege der Empfehlungen und Interessenskonflikte erteilt werden. Die Daten werden veröffentlicht.
Wer seinen Followern als professioneller Influencer auf sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram, TikTok und Co. Tipps für Geldanalgen gibt, sollte sich mit den regulatorischen Anforderungen genau auseinandersetzen, um Haftung und Bußgelder zu vermeiden. Besonderes Augenmerk sollte stets auf größtmögliche Transparenz gelegt werden. Zudem sind allgemeine werberechtliche Vorgaben zu beachten.
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie hier:
Finfluencer: Kennzeichnungspflichten bei Anlageempfehlungen auf Social Media (Sebastian Laoutoumai, Fachanwalt für Informationstechnologierecht)
Finanztipps auf Social Media: Worauf müssen Influencer achten? (Sebastian Laoutoumai, Fachanwalt für Informationstechnologierecht und Dr. Matondo Cobe, Rechtsanwalt)
15.02.2022: In der WRP / März 2022 Seiten 290 f. ist der Artikel "Anlageempfehlungen und Finanztipps von sog. „Finfluencern“ " erschienen. Der Artikel kann hier kostenfrei eingesehen werden.